Grundriß der Geldlehre (1933/34)

I. Teil: Die Kaufkraft

1. Die Definition der Kaufkraft 

Das menschliche Wirtschaften beruht auf dem Prinzip des Tauschs. Der Mensch gibt, um zu empfangen, er leistet, um in den Genuß einer Gegenleistung zu kommen.

Der unmittelbare und direkte Tausch – Gut und Leistung um Gegengut und Gegenleistung – ist da, wo nicht die primitivste Wirtschaftsweise herrscht, nur ausnahmsweise möglich. Die Regel ist der Ring-Tausch mit räumlichem und zeitlichem Intervall zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Ring-Tausch löst den Anspruch, den der Leistende kraft seiner Leistung an einen Dritten, den Leistungs-Empfänger, hat, von der Person dieses Dritten und von der Bedingung der sofortigen Erfüllung los und wandelt ihn in einen Anspruch an die Allgemeinheit um, der zu beliebiger Zeit und an beliebigem Orte geltend gemacht werden kann. Das Prinzip des Ring-Tauschs „objektiviert“ den Anspruch auf Gegenleistung. 

Damit aus dem direkten Tausch ein Ring-Tausch und aus dem persönlichen Anspruch ein Anspruch an die Allgemeinheit werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Allgemeinheit muß den Anspruch auf Gegenleistung anerkennen und jederzeit gegen sich gelten lassen. (Die Bedingungen, unter denen dies der Fall ist, werden wir noch kennen lernen.) Und der Leistende muß im Vertrauen auf diese allgemeine Geltung des Anspruchs seinen Gegenpart, den Leistungs-Empfänger, aus der Pflicht zu unmittelbarer Gegenleistung entlassen, er muß darauf verzichten, sofort in den Genuß der Gegenleistung zu gelangen. 

Wo dieser Verzicht unterbleibt, die Leistung vielmehr an die Bedingung einer sofort, Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung geknüpft ist („direkter Tausch“), geht der Anspruch auf Gegenleistung schon im Moment seiner Entstehung wieder unter. Wo dagegen der Verzicht auf sofortige Gegenleistung ausgesprochen wird („Ring-Tausch“), lebt der Anspruch fort als eine Forderung an die Allgemeinheit; und zwar so lange, bis sein Inhaber ihn irgendwo und gegen irgendwen geltend macht. 

Indem der Leistende auf unmittelbare und direkte Gegenleistung verzichtet und den Anspruch an seinen Gegenpart in einen Anspruch an die Allgemeinheit umwandelt, verändert er sowohl das gegenwärtige wie das zukünftige Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Er unterläßt durch den Verzicht den sofortigen Bezug einer Ware oder Leistung, um zu beliebiger späterer Zeit eine Ware oder Leistung gleichen Verkehrswerts beziehen zu können, bringt somit in der Gegenwart eine Nachfrage in Fortfall, um sie erst in der Zukunft auszuüben. Dadurch zwingt er in der Gegenwart den Eigentümer einer seiner eigenen Leistung äquivalenten Ware oder Leistung, sich statt seiner einen anderen Bezieher zu suchen; er läßt also ein Angebot entstehen, das sonst nicht vorhanden sein würde. Zugleich läßt er für die Zukunft, für den noch unbekannten Augenblick, in dem er seinen Anspruch an die Allgemeinheit geltend machen wird, eine Nachfrage entstehen, die sonst ebenfalls nicht vorhanden sein würde. 

Die Gesamtheit der Stellen, an denen das so entstehende Angebot und die so entstehende Nachfrage geltend gemacht werden, heißt der „Markt“. Hierher wenden sich die Eigentümer der Waren und Leistungen, die dadurch überschüssig geworden sind, daß Ansprüche nicht sofort, im Wege des direkten Tauschs, geltend gemacht, sondern nach dem Prinzip des Ring-Tauschs für die Zukunft reserviert worden sind, um ihre Waren und Leistungen anzubieten. Und hierher wenden sich auch die Inhaber früher entstandener Ansprüche, um diese nachträglich geltend zu machen, d.h. um anstelle der Waren oder Leistungen, die sie früher nicht bezogen haben, nunmehr andere Waren oder Leistungen anzufordern. 

Wer einen auf die geschilderte Weise, durch zeitweiligen Verzicht auf den Bezug einer ihm zustehenden Gegenleistung, entstandenen Anspruch an die Allgemeinheit besitzt, kann am Markte Waren und Leistungen im Verkehrswerte jener Gegenleistung jederzeit an sich bringen, und zwar durch einseitigen Willensakt, ohne erneute eigene Leistung; nicht im Wege des Tauschs, sondern im Wege der Geltendmachung seines Anspruchs. Diese marktmäßige Geltendmachung eines früher erworbenen Anspruchs nennt man „Kauf“ und der Anspruch selbst, der die Geltendmachung ermöglicht, heißt „Kaufkraft“.

Somit ist „Kaufkraft“ ein Anspruch an die Allgemeinheit, der dadurch entstanden ist, daß sein Inhaber – oder ein Vorgänger des Inhabers – etwas geleistet, auf den sofortigen Bezug der ihm zustehenden Gegenleistung aber verzichtet hat. 

2. Größe und Messung der Kaufkraft 

Da die Kaufkraft identisch ist mit dem Anspruch auf eine Gegenleistung festbestimmten Verkehrswerts, so wird ihr Ausmaß von diesem Verkehrswert bestimmt. Das Gesamt-Volumen der in einem gegebenen Zeitpunkt vorhandenen Kaufkraft ist mithin gleich dem Verkehrswerte der Summe aller Gegenleistungen, auf die ein Bezugs-Verzicht ausgesprochen und nicht wieder aufgehoben worden ist. (Von den Voraussetzungen, unter denen in konkreten Fall ein Bezugs-Verzicht konstituiert und annulliert wird, Kaufkraft also entsteht und vergeht, handelt der nächste, dritte Unterabschnitt).

Wie groß die Summe aller Gegenleistungen und damit das Kaufkraft-Volumen in einem gegebenen Augenblick sein mag, dies festzustellen ist nicht von besonderer Wichtigkeit; schon deshalb nicht, weil der Ring-Tausch, den die Kaufkraft ermöglicht, notfalls durch den Direkt-Tausch ergänzt werden kann. Dagegen ist von größter Wichtigkeit, daß der Verkehrswert der einzelnen Gegenleistung, aus der – durch Bezugs-Verzicht – das einzelne Kaufkraft-Partikel entstanden ist, exakt bestimmt wird. Denn dieser Verkehrswert lebt in der Kaufkraft fort, die ein unausgeübtes Güter-Bezugsrecht der Vergangenheit konservieren, es ungeschmälert auf die Zukunft übertragen soll. Niemand wird geneigt sein, auf die Ausübung eines wohlerworbenen Bezugsrechts zeitweilig zu verzichten und damit einen Sofort-Anspruch an einen festbestimmten Dritten in einen Zukunfts-Anspruch an die Allgemeinheit umzuwandeln, wenn nicht die Gewähr besteht, daß jenes Bezugsrecht in der aus dem Verzicht entstandenen Kaufkraft ungeschmälert weiterlebt; so daß der Inhaber jederzeit am Markte Güter oder Leistungen beziehen kann, deren Verkehrswert ebenso groß ist wie der Verkehrswert der Gegenleistung, auf deren Bezug er s. Zt. verzichtet hat.

Dieser Verkehrswert der Gegenleistung muß also durch Messung ermittelt werden. Und es muß dem Inhaber der aus dem Verzicht auf die Gegenleistung entstandenen Kaufkraft das größtmögliche Maß von Gewißheit verschafft werden, daß seine Kaufkraft jenen Verkehrswert festhalten, d.h. ihm erlauben wird, zu beliebiger Zeit Güter oder Leistungen gleichen Verkehrswerts aus dem Markte zu nehmen. 

Wie die Messung vorgenommen und welcher Maßstab ihr zu Grunde gelegt wird, ist von dem Gesichtspunkt der Wert-Ermittlung aus gleichgültig. Konkrete Güter wie Salzbarren, Kauri-Muscheln oder Metalle sind zu diesem Zwecke ebenso brauchbar wie abstrakte Größen von der Art der Arbeitsstunden oder irgendwelcher Durchschnitts-Leistungen. Anders unter dem Gesichtswinkel der Stabil-Erhaltung des in der Kaufkraft steckenden Verkehrswerts. Da dieser mit dem Verkehrswert der Gegenleistung identisch sein und bleiben muß, an deren Stelle die Kaufkraft s. Zt. getreten ist, so muß die Messung an einem Maßstabe vorgenommen werden, der temporär und lokal den denkbar geringsten Schwankungen unterliegt. Zum „Meß-Gut“ für die Gegenleistung und damit indirekt für die Kaufkraft identischen Werts eignet sich somit nur ein Gut, das überall da, wo die Kaufkraft geltend gemacht werden soll, annähernd denselben Verkehrswert hat, und das für die Dauer der Existenz der Kaufkraft (d.h. für die Dauer des Verzichts auf die Gegenleistung) diesen Verkehrswert möglichst unverändert beibehält. 

Unter dem Gesichtswinkel der Stabil-Erhaltung des Güter-Anspruchs, den die Kaufkraft darstellt, eignet sich also nicht jedes „Meß-Gut“ in gleicher Weise dazu, den Verkehrswert der Gegenleistung zu messen, aus der die Kaufkraft entstanden ist. Es eignen sich dazu grundsätzlich nur sehr wenig Güter. Praktisch eignet sich dazu sogar nur ein einziges Gut, nämlich dasjenige, das die Bedingung, seinen Verkehrswert über Ort und Zeit konstant zu erhalten, von allen Gütern am besten erfüllt. Dieses Gut braucht nicht notwendig über die ganze Erde und über alle Zeiten hinweg dasselbe zu sein. Aber je weiter sein Geltungsbereich und je länger seine Geltungsdauer, um so größer seine Eignung zum „Meß-Gut“. 

Welche Instanz die Messung der Gegenleistung vornimmt und der Allgemeinheit attestiert, daß der Verkehrswert der Gegenleistung, ausgedrückt in Einheiten des Meß-Guts, in der Kaufkraft unverändert fortlebt, ist an sich gleichgültig. Bedingung ist nur, daß die betreffende Instanz in der Verkehrswirtschaft volle Autorität genießt, daß also ihre Versicherung Glauben findet, die von ihr attestierte Kaufkraft verkörpere einen Anspruch auf Güter desselben Verkehrswerts, den – am Meß-Gut ermittelt – die Güter hatten, aus deren Nichtbezug die Kaufkraft s. Zt. entstanden ist. In der Regel wird der Staat die geeignetste Instanz für die Messung und Attestierung sein. Aber auch ein vertrauenswürdiges Institut, etwa eine seit Jahrhunderten bestehende Bank, oder eine mit hoher Autorität bekleidete Privatperson kann diese Funktionen ausüben. Ja, die Wirtschaftsgeschichte lehrt, daß in Zeiten, in denen die Staats-Autorität erschüttert oder das Vertrauen geschwunden ist, der Staat werde die attestierte Äquivalenz zwischen der Kaufkraft-Einheit und der Meß-Gut-Einheit unbedingt aufrecht erhalten, nur die Messung und Attestierung einer vertrauenswürdigen privaten Instanz, und nicht die des Staats, vom Verkehr als vollgültig anerkannt wird. 

Sobald der Kaufkraft die Äquivalenz mit einer bestimmten Einheit des Meß-Guts attestiert worden ist, geht die Fähigkeit des letzteren, als Bewertungs-Maßstab für alle übrigen Güter zu dienen, auf die Kaufkraft über. Diese wird dadurch zur Rechnungs-Einheit, in der die Verkehrswerte aller Güter und Leistungen ausgedrückt werden, und zum objektiven Maßstab für die Relationen, in denen sich die Güter und Leistungen untereinander austauschen. Das Verhältnis, in dem die einzelnen Güter zur Kaufkraft stehen, und das sich in der Anzahl der Kaufkraft- oder Rechnungs-Einheiten ausdrückt, denen das einzelne Gut im Verkehrswerte gleichgesetzt wird, heißt der Preis der Güter. 

Daß nicht das originale Meß-Gut, sondern sein Derivat, die an ihm gemessene Kaufkraft, als Bewertungs-Maßstab der Güter dient und vom Verkehr als Rechnungs-Einheit benutzt wird, dank der ihr hat seinen Grund darin, daß die Kaufkraft – attestierten Äquivalenz mit einer bestimmten Meß-Gut-Einheit – dem Meß-Gut selbst überlegen ist. In der Kaufkraft steht dem unbekannten, erst zu ermittelnden Verkehrswert der Güter ein beglaubigter, ohne weiteres zur Messung geeigneter Wert-Maßstab gegenüber. Dagegen muß der Verkehrswert eines konkreten Quantums Meß-Gut selbst erst durch Messung, Wägung oder Qualitäts-Prüfung ermittelt werden. Und solange dies nicht geschehen ist, steht dem unbekannten Verkehrswert der Güter ein gleichfalls unbekannter oder nur annäherungsweise bekannter Verkehrswert des Meß-Guts gegenüber. Deshalb eignet sich die abstrakte Kaufkraft-Einheit, deren Äquivalenz mit dem Verkehrswerte von beispielsweise 10 Gramm Gold glaubwürdig attestiert ist, besser zum Bewertungs-Maßstab und zur Rechnungseinheit als das betreffende Quantum Gold selbst, dessen Gewicht, Echtheit und Feinheit erst festgestellt und beglaubigt werden müssen. 

Diese funktionelle Überlegenheit der Kaufkraft über das ihren eigenen Verkehrswert bestimmende Meß-Gut ist von allergrößter Bedeutung. Sie hat zur Folge, daß trotz der tatsächlichen Äquavilenz beider Größen ihre marktmäßige Bewertung nicht übereinstimmt; ein Umstand, der, wie wir sehen werden, von maßgebendem Einfluß auf die Entstehung und den Untergang der einzelnen Kaufkraft-Partikel ist. Und zwar hat die Kaufkraft, als die unmittelbar, ohne weitere Wägung und Prüfung, als Bewertungs-Maßstab und Rechnungs-Einheit verwendbare Größe, der Tendenz nach einen gewissen Verkehrs-Mehrwert gegenüber dem Meß-Gut, obwohl sein eigener Verkehrswert von diesem bestimmt wird. Indes kann sich das Bewertungs-Verhältnis unter Umständen auch zu Gunsten des Meß-Guts ändern. Das wird immer dann der Fall sein, wenn zu besonderen Zwecken eine außergewöhnliche Nachfrage nach dem Meß-Gut als original verwendbarer Substanz einsetzt (z. B. nach Salz zum Würzen, nach Muscheln zur Herstellung von Halsketten, nach Edelmetallen zur Schmuck-Fabrikation). In diesem Falle kann sich der Verkehrswert des Meß-Guts über den Verkehrswert der Kaufkraft erheben. Allerdings nur um ein ganz Geringes, denn da der Verkehrswert des Meß-Guts bestimmend für denjenigen der Kaufkraft ist, so zieht eine Höherbewertung des ersteren eine fast entsprechende, nur durch den verschiedenen Grad der Nachfrage etwas gemilderte Höherbewertung der einzelnen Kaufkraft-Einheit nach sich.

3a. Der Kreislauf der Kaufkraft 

Da in jedem einzelnen Falle, in dem jemand etwas geleistet, auf die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Gegenleistung aber verzichtet hat, Kaufkraft entsteht; und da in jedem einzelnen Falle, in dem jemand den Anspruch auf Gegenleistung nachträglich geltend macht, Kaufkraft untergeht: so könnte es den Anschein haben, als ob auf dem Markte, an dem die Leistungen und Gegenleistungen angeboten und angefordert werden, ununterbrochen eine gewaltige, den Markt-Umsätzen entsprechende Menge von Kaufkraft-Einheiten entstünde und unterginge. In Wirklichkeit ist das jedoch nicht der Fall, wie sich aus folgender Überlegung ergibt: Am Markt treffen sich Angebot und Nachfrage, das heißt der Wille zur Leistung (Verkauf) und der Wille zur Entgegennahme dieser Leistung (Kauf), und zwar beide losgelöst von dem Anspruch auf Gegenleistung. Vereint mit diesem Anspruch würden Angebot und Nachfrage sich nur im Tausch treffen können, nicht aber im Kauf bzw. Verkauf und damit am Markt. Denn das Charakteristikum des Markts ist es, daß sich hier Leistungs-Angebote solcher Verkehrs-Mitglieder sammeln, denen es nicht auf die sofortige Gegenleistung, sondern auf das weder an Ort noch Zeit gebundene Recht zum Bezuge künftiger Gegenleistung, also auf Kaufkraft, ankommt; und daß diese Leistungs-Angebote auf die Nachfrage solcher Verkehrs-Mitglieder treffen, die ihrerseits keine effektive Gegenleistung zu bieten haben, wohl aber einen aus früherer eigener Leistung entstandenen Anspruch auf solche, also Kaufkraft, die sie nunmehr (als Käufer) geltend machen, indem sie sie den Leistenden (Verkäufern) abtreten. Das einzelne Verkehrs-Mitglied braucht also, um seine Leistung marktmäßig verwerten zu können, nicht das komplizierte Verfahren einzuschlagen, in jedem einzelnen Falle ausdrücklich einen Verzicht auf den sofortigen Bezug der Gegenleistung auszusprechen und so neue, bisher noch nicht existierende Kaufkraft entstehen zu lassen; sondern es findet diese Kaufkraft bereits am Markte vor, und zwar in einer ganz bestimmten Höhe, die genau dem Verkehrswert der früher ausgesprochenen und noch nicht wieder aufgehobenen Bezugs-Verzichte entspricht. (Vgl. den 1. Absatz des 2. Unterabschnitts.)

Die Regel ist demnach nicht, daß die Kaufkraft in jedem Einzelfalle eines Bezugs-Verzichts (Vornahme eines Verkaufs) entsteht und mit jeder Aufhebung eines Verzichts (Vornahme eines Kaufs) wieder untergeht, sondern daß sie wandert, indem sie immer aus der Hand des jeweiligen Leistungs-Empfängers oder Käufers, der mit dem marktmäßigen Leistungs-Empfang oder Kauf einen früheren Verzicht aufhebt, in die Hand des jeweils Leistenden übergeht, der mit der marktmäßigen Leistung einen Verzicht konstituiert. Um diese ununterbrochene Wanderung antreten zu können, muß die Kaufkraft zunächst allerdings irgendwann und irgendwie entstanden sein, und wir werden im Unterabschnitt 3b sehen, unter welchen Voraussetzungen es zu dem „Erst-Verzicht“ kommt, aus dem sich ein neues Kaufkraft-Partikel bildet. Ist die Kaufkraft aber erst einmal entstanden, so beendet sie ihr Dasein nicht in dem Moment, in dem der Verzicht, der sie hat entstehen lassen, wieder aufgehoben wird (durch Nachholung eines zunächst unterlassenen Bezugs, d.h. durch marktmäßigen Kauf); sondern sie zirkuliert unablässig am Markte bis zu dem Moment, in dem besondere Gründe, die wir ebenfalls noch kennen lernen werden, ein Verkehrs-Mitglied veranlassen, die Kette der Verzichte auf besondere Weise zu beenden. 

Die Tatsache, daß die Kaufkraft einen ewigen Kreislauf durch den Markt beschreibt, wobei sie ihr einmal vorhandenes Volumen nur ausnahmsweise und unter ganz besonderen Voraussetzungen verändert, ist volkswirtschaftlich von größter Bedeutung. Denn würde es anders sein, also jeder Bezugs-Verzicht, den ein Verkehrs-Mitglied für sich persönlich ausspricht, ohne weiteres zur absoluten Vergrößerung des Kaufkraft-Volumens führen, oder umgekehrt jede Aufhebung eines individuellen Bezugs-Verzichts das vorhandene Kaufkraft-Volumen absolut verringern, so würde am Markt die stärkste Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage entstehen, und das Preisniveau, in dem sich das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage ausdrückt, würde in unerträglicher Weise schwanken. Die grundsätzliche Konstanz des Kaufkraft-Volumens sichert dagegen dem Markte ein gewisses Gleichgewicht und eine entsprechende Preis -Beständigkeit, indem sie dafür sorgt, daß der Regel nach kein Bezugs-Verzicht ausgesprochen, also kein Kauf unterlassen wird, ohne daß gleichzeitig ein anderer Bezugs-Verzicht zum Erlöschen und damit ein Ersatzkauf zur Durchführung kommt. 

Allerdings kann der permanente Kreislauf der Kaufkraft gelegentlich dadurch unterbrochen oder verlangsamt werden, daß die jeweiligen Inhaber der Kaufkraft diese, statt sie auf den Markt zu entsenden, ungewöhnlich lange konservieren, den mit ihrem Besitz verbundenen Bezugs-Verzicht also weit über die normale und verkehrsübliche Durchschnitts-Dauer hinaus ausdehnen; wodurch sie dem Markt nicht nur die eigene Nachfrage entziehen, sondern auch die Nachfrage aller derjenigen Verkehrs-Mitglieder, die bei schnellerem Kreislauf, d.h. im Falle beschleunigter Rückkehr der Kaufkraft auf den Markt, nacheinander in deren Besitz gekommen sein würden. Ein solches, die verkehrsübliche Durchschnitts-Geschwindigkeit des Kreislaufes verlangsamendes Zurückhalten der Kaufkraft vom Markte heißt „sparen“. In bedeutendem Maße oder mit stark wechselnder Intensität betrieben wirkt dieses Sparen wirtschaftsschädlich. Nicht nur, weil das Zurückhalten von Kaufkraft vom Markte hier eine Nachfrage, die sonst vorhanden sein und sich ständig erneuern würde, in Fortfall kommen läßt, was eine Erschütterung des Preisniveaus zur Folge hat; sondern auch deshalb, weil umgekehrt das plötzliche Wiedereinströmen eines großen, lange „gesparten“ Kaufkraft – Volumens in den Markt hier unvermittelt eine zusätzliche Nachfrage entstehen läßt, die das Angebot weit übersteigt und das Preisniveau wiederum, diesmal nach der entgegengesetzten Seite, erschüttert. 

Die Wirtschaft hat also ein erhebliches Interesse daran, daß die vorhandene Kaufkraft in möglichst gleichmäßigem Durchschnitts-Tempo durch den Markt kreist, und daß dieses Tempo nicht durch plötzliches Überhandnehmen und ebenso plötzliche Einschränkung des Zurückhaltungs- oder Spar-Prozesses stoßweise verlangsamt und wieder beschleunigt wird. Deshalb sucht sie die jeweiligen Inhaber von Kaufkraft durch Zahlung einer Prämie zu veranlassen, ihre Kaufkraft nicht zu asservieren, sondern beschleunigt dem Markte wieder zuzuführen, aus dem sie stammt. Diese Prämie heißt „Zins“ und hat die Wirkung, daß die Mehrzahl der Verkehrs-Mitglieder, die Kaufkraft zurückbehalten wollen, diese Absicht aufgeben und die Kaufkraft auf kürzere oder längere Zeit denjenigen überlassen, die ihnen die Prämie zu zahlen bereit sind; d.h. ein Entgelt dafür, daß die Eigentümer der Kaufkraft ihnen erlauben, den in der Kaufkraft verkörperten Anspruch an den Markt statt ihrer, und zwar sofort, auszuüben. Aus dem „Sparen“ wird dadurch eine „Kreditgewährung“ oder eine „Kapital-Anlage“. (Leider unterscheidet der Sprachgebrauch nicht zwischen Sparen, d.h. Kaufkraft einbehalten, und Anlegen, d.h. Kaufkraft abtreten. Die Folge ist eine allgemeine Begriffs-Verwirrung, auch in der Wissenschaft: Weil das Sparen im eigentlichen Sinne schädlich wirken kann, dehnt man die Behauptung der Schädlichkeit oft auch auf den Kredit, die Kapilalbildung und das Zinsnehmen aus, das heißt auf die Faktoren, die den Spar-Akt in einen Anlage-Akt umwandeln und dadurch unschädlich machen.)

Der gleichmäßige und reibungslose Kreislauf der Kaufkraft durch den Markt hat zur unbedingten Voraussetzung das allgemeine Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Aussage, welche die verantwortliche (öffentliche oder private) Instanz über den Verkehrswert der Kaufkraft-Einheiten gemacht hat. Diese Instanz hat attestiert, daß der Verkehrswert der Kaufkraft gleich ist dem Verkehrswert der Gegenleistung, aus der die Kaufkraft – durch zeitweiligen Bezugs-Verzicht – entstanden ist, ausgedrückt in Einheiten eines bestimmten Meß-Guts, und daß somit der Verkehrswert der Gegenleistung in der Kaufkraft unverändert fortlebt. (Vgl. Unterabschnitt 2, S. 13.) Fehlt das Vertrauen in die Zuverlässigkeit dieser Attestierung, so wird zwar ein gewisser Kreislauf der Kaufkraft meist auch in diesem Falle stattfinden, weil die Wirtschaft sonst vom Ring-Tausch (Marktverkehr) zum weit unbequemeren, ja oft geradezu unmöglichen Direkt-Tausch übergehen müßte. Aber der Kreislauf wird notwendig ein krankhafter sein. Bald werden zahlreiche Kaufkraft-Einheiten aus ihm ausscheiden und sich durch keine noch so hohe Prämie (Zins) zurücklocken lassen; bald werden die Einheiten aus Furcht vor Entwertung mit rasender Schnelligkeit aus einer Hand in die andere übergehen, und, da jeder Übergang eine Nachfrage bedeutet, das Verhältnis zwischen Ware und Kaufkraft so zum Nachteil der letzteren verändern (durch Preis-Steigerung), daß die befürchtete Entwertung schon hierdurch Tatsache wird. Voraussetzung für einen gleichmäßigen, die natürlichen Austausch-Bedingungen der Güter nicht störenden Kreislauf der Kaufkraft ist, daß der Verkehrswert der Kaufkraft dem Verkehrswert der Gegenleistung, mit dein er ursprünglich identisch war, durch alle Stadien des Kreislaufs im höchstmöglichen Grade gleich bleibt. Nur wenn dies der Fall ist, läßt jedes Mitglied der Verkehrs- Gemeinschaft den in der attestierten Kaufkraft verkörperten Anspruch unbedingt und in voller Höhe gegen sich gelten, so daß aus dem Anspruch des einzelnen Leistenden an den einzelnen Leistungs- Empfänger ein absoluter Anspruch, ein Anspruch an die Allgemeinheit, und aus einem primitiven Tauschverkehr ein leistungsfähiger Marktverkehr wird.

3 b. Die Entstehung der Kaufkraft

Wenn es auch die Regel ist, daß die Kaufkraft, d.h. der attestierte Anspruch an die Allgemeinheit, nicht mit jedem Verkauf (Leistung ohne sofortigen Bezug der Gegenleistung) entstellt und mit jedem Kauf (nachträglichem Bezug der Gegenleistung) wieder untergeht, daß sie vielmehr in bestimmter Menge vorhanden ist und am Markte umläuft, so muß sie doch notwendigerweise an irgend einem früheren Zeitpunkt entstanden und dem Markte zugeführt worden sein. Demnach muß es Umstände gehen, unter denen Mitglieder der Verkehrs-Gemeinschaft, statt vorhandene „alte“ Kaufkraft dem Markte zu entnehmen, selbst „neue“ Kaufkraft bilden; unter denen sie also Verkäufe vornehmen, ohne sich von den Käufern die entsprechende attestierte Kaufkraft aushändigen zu lassen, weil sie es vorziehen, sich den einstweiligen Verzicht auf die Gegenleistung, den der Verkauf in sich schließt, persönlich und in einem besonderen Akte attestieren zu lassen und sich so, auf kreatorischem Wege, in den Besitz neuer Kaufkraft zu setzen, die zu der bisher umlaufenden hinzutritt, das absolut vorhandene Kaufkraft-Volumen also vergrößert.

Ein solcher Entschluß, einen Verkauf nicht am Markte vorzunehmen, wo er ohne weiteres mit aller, dem Umlauf entnommener Kaufkraft beglichen werden kann, sondern außerhalb des Marktes und auf solche Weise, daß die für die Messung und Beglaubigung von Bezugs-Verzichten bestellte Instanz (vgl. Unterabschnitt 2 S. 13) das Vorliegen eines neuen Bezugs-Verzichts und damit die Entstehung neuer Kaufkraft attestieren kann, bedeutet, daß ein einfaches und bequemes Verfahren durch ein erheblich umständlicheres und unbequemeres ersetzt ward. Es müssen also schon recht gewichtige Gründe vorhanden sein, wenn Mitglieder der Verkehrs-Gemeinschaft das letztere, unbequemere Verfahren wählen und, statt Kaufkraft dem Markt zu entnehmen, an dem sie zur Verfügung steht, ein Schöpfungs-Verfahren in die Wege leiten; ein Verfahren, ans dem nichts anderes hervorgeht als eine Kaufkraft, die in jeder Beziehung der alten gleicht und sofort nach ihrer Entstehung mit dieser allen Kaufkraft zu einem uniformen und homogenen Gesamt-Umlauf verschmilzt.

In der Tat kommt es zur Entstehung neuer Kaufkraft immer nur dann, wenn Mitglieder der Verkehrs-Wirtschaft trotz der Äquivalenz des Verkehrswerts aller und neuer Kaufkraft einen besonderen, ziffernmäßig errechenbaren Vorteil davon haben, daß sie statt des zirkulatorischen Verfahrens (Entnahme aller Kaufkraft aus dem Markt-Umlauf) das kreatorische Verfahren (Bildung neuer Kaufkraft) wählen. Dieser ziffernmäßig errechenbare Vorteil stellt sich aber nur unter einer ganz bestimmten Voraussetzung ein, nämlich nur dann, wenn der Verkehrswert der Kaufkraft aus irgend einem Grunde über den Verkehrswert gestiegen ist, den man ihr hei ihrer Entstehung attestiert hat. Wir haben gesehen (vgl. Unterabschnitt 2 S. 14), daß der attestierte Verkehrswert der Kaufkraft sich nach dem Verkehrswert eines besonders wertbeständigen Guts, des „Meß-Guts“, richtet, daß er aber trotzdem nicht immer genau mit diesem Werte übereinstimmt. In der Regel ist der Verkehrswert der Kaufkraft um ein geringes höher als der des Meß-Guts, weil die Kaufkraft dem Meß-Gut funktionell, sowohl als Bezugsrechts-Träger wie auch als Rechnungs-Einheit, überlegen ist. Zuweilen steigt nun aus Gründen, die wir später kennen lernen werden, der Verkehrswert der Kaufkraft so sehr über denjenigen des Meß-Guts und damit über den Normalwert, der der Attestierung der Kaufkraft zugrunde liegt, daß es für die Inhaber des Meß-Guts lohnend wird, die bequeme Verwertung am Markt, wo man ihr Meß-Gut niedriger bewertet, zu unterlassen, und sich statt dessen an die Instanz zu werden, die nach wie vor die Äquivalenz eines bestimmten Quantums Meß-Gut mit einer entsprechenden Kaufkraft attestiert. 

Ein Beispiel soll den Vorgang verdeutlichen. Nehmen wir an, daß die Kaufkraft-Einheit in einem Lande normalerweise dem Verkehrswert von 1000 Einheiten des Meß-Guts Kauri-Muschel gleichgesetzt ist, daß also die zur Beglaubigung der Kaufkraft bestellte Instanz für jeden Bezugs-Verzicht, der einer Leistung im Verkehrswert von 1000 Kauri-Muscheln entspricht, eine Kaufkraft-Einheit attestiert. Steigt nun der Verkehrswert der Kaufkraft am Markte derart über den Verkehrswert der Kaurimuscheln, daß man hier 1002 Muscheln hergeben muß, um eine Kaufkraft-Einheit zu erhalten, so handeln die Inhaber von Kaurimuscheln gegen ihren Vorteil, wenn sie ihre Muscheln als Ware am Markt und im Verhältnis von 1002 : 1 gegen umlaufende Kaufkraft verkaufen. Denn die erwähnte beglaubigende Instanz attestiert ihnen ja, daß schon 1000 Muscheln einer Kaufkraft-Einheit äquivalent sind. Die Klugheit gebietet also den Verkehrs-Mitgliedern, die zufällig im Besitz eines größeren Quantums Kaurimuscheln sind, sich das überlieferte starre Verhältnis von 1000 : 1 zu Nutze zu machen, sich entsprechende Bezugs-Verzichte attestieren zu lassen und dadurch neue, zusätzliche Kaufkraft zur Entstehung zu bringen. 

Kaufkraft entsteht also, wo die Dinge ihren natürlichen Verlauf nehmen, immer dann, wenn der gegenwärtige Verkehrswert (Marktwert) der umlaufenden Kaufkraft über ihren Normalwert, d.h. über den Verkehrswert des Meß-Gutes gestiegen ist, von dem der Wertgehalt ihrer Einheiten bestimmt wird. Sie entsteht somit, ohne jedes Zutun des Staats oder einer vom Staat bevollmächtigten Behörde, aus den natürlichen Verkehrs-Bedürfnissen der Wirtschaft und aus den Nutzen-Erwägungen ihrer Mitglieder heraus; unter lediglich technischer Assistenz der (öffentlichen oder privaten) Stelle, die das Entstehen neuer Kaufkraft-Einheiten beglaubigt, und zwar mechanisch, nach Grundsätzen, die nicht autoritär bestimmt sind, sondern sich im Markt-Verkehr herausgebildet haben. 

4. Die Menge der Kaufkraft -Einheiten 

Daß in einer freien Wirtschaft unter einer bestimmten Voraussetzung der Anreiz entsteht, auf organischem Wege, durch einfachen privaten Willensakt, neue, zusätzliche Kaufkraft entstehen zu lassen (vgl. Unterabschnitt 3b), die sich dann mit dem bereits vorhandenen Kaufkraft-Volumen zu einem uniformen und homogenen Gesamt-Umlauf verbindet, hat zur Folge, daß beim Eintritt jener Voraussetzung die absolute Zahl der Kaufkraft-Einheiten sich vermehrt, dem marktmäßigen Güter-Angebot also ceteris paribus eine vergrößerte Nachfrage gegenübertritt gekehrt hat die Tatsache, daß unter der entgegengesetzten Voraussetzung der Anreiz entsteht, auf organischem Wege, durch einfachen privaten Willensakt, vorhandene Kaufkraft erlöschen zu lassen[1], die Folge, daß die absolute Zahl der Kaufkraft-Einheiten sich vermindert, dem marktmäßigen Güterangebot also ceteris paribus eine verkleinerte Nachfrage gegenübertritt. Die Voraussetzung, unter der zusätzliche Kaufkraft sich organisch bildet, ist, daß die reale Bewertung der Kaufkraft, d.h. ihr Austausch-Verhältnis zu den Gütern, über den Verkehrswert des Meß-Guts steigt, dem sie ursprünglich äquivalent war und nominell noch immer äquivalent ist; daß also die Kaufkraft-Einheit „kaufkräftiger“ geworden ist als die Güter-Quantität (Kaurimuscheln oder Metall, Energie oder Arbeitsstunden), von der sich ihr Verkehrswert ableitet. Dagegen ist die Voraussetzung, unter der vorhandene Kaufkraft organisch untergeht, daß die reale Bewertung der Kaufkraft unter den Verkehrswert des ursprünglich (und nominell auch jetzt noch) äquivalenten Meß-Guts sinkt; daß also der Verkehrswert eines Quantums Kauri-Muscheln oder Metall, bzw. einer Menge Energie oder Arbeitsstunden größer geworden ist als der Verkehrswert der Kaufkraft-Einheit, mit der er ursprünglich gleichwertig war.

Das in der Wirtschaft vorhandene Gesamt-Volumen Kaufkraft nimmt somit immer dann zu, wenn das Austausch-Verhältnis der einzelnen Kaufkraft-Einheit zu den Marktgütern ein günstigeres wird, als das Austausch-Verhältnis des ihr nominell äquivalenten Quantums Meß-Gut zu den Marktgütern; wenn sich also mit einer Kaufkraft-Einheit mehr Güter beziehen lassen als mit dem ihr entsprechenden Quantum Meß-Gut. Und umgekehrt nimmt das in der Wirtschaft vorhandene Gesamt-Volumen Kaufkraft immer dann ab, wenn das Austausch-Verhältnis der einzelnen Kaufkraft-Einheit zu den Marktgütern ein ungünstigeres wird, als das Austausch-Verhältnis des ihr nominell äquivalenten Quantums Meß-Gut zu den Marktgütern; wenn sich also mit einer Kaufkraft-Einheit weniger Güter beziehen lassen als mit dem ihr entsprechenden Quantum Meß-Gut. Das bedeutet zweierlei. Erstens: Es besteht ein gesetzmäßiges Verhältnis zwischen der jeweils vorhandenen Kaufkraft-Menge und der Wert-Relation, in der die Kaulkraft zum Meß-Gut steht. Dann aber zweitens: Da jede Höherbewertung der Kaufkraft zu einer Nachfrage nach dem niedriger bewerteten Meß-Gut führt (weil dieses sich in die höherbewertete Kaufkraft umwandeln läßt), und da jede Höherbewertung des Meß-Guts zur Nachfrage nach Kaufkraft führt (die sich in das höherwertige Meß-Gut rückverwandeln läßt), so kann in der freien, behördlichen Manipulationen nicht unterliegenden Wirtschaft die Bewertung der Kaufkraft immer nur um ein Geringes von derjenigen des Meß-Guts abweichen, nämlich um so viel, wie die Kosten der Umwandlung bzw. der Rückverwandlung zuzüglich eines kleinen Nutzens ausmachen.[2] Das heißt: Die Wert-Relation zwischen Kaufkraft und Meß-Gut, die in einem gesetzmäßigen Verhältnis zur Kaufkraft-Menge steht, kann nur in ganz engen Grenzen schwanken. 

Das ist der Grund, warum in jeder Volkswirtschaft, mit oder ohne Mitwirkung des Staats, dasjenige Gut zum „Meß-Gut“ und als solches bestimmend für den Verkehrswert der Kaufkraft wird, das seinerseits den erfahrungsmäßig konstantesten Verkehrswert hat. Denn wollte man ein Meß-Gut wählen, das in seiner Bewertung erheblich schwankt, so würde der nominell mit ihm äquivalente und faktisch nur wenig von ihm abweichende Verkehrswert der Kaufkraft alle Schwankungen des Meß-Guts mitmachen müssen. Das Haupt-Erfordernis der Kaufkraft, ihr möglichst beständiges Austausch-Verhältnis zu den Gütern, würde also verloren gehen; was zur Folge hätte, daß die Wirtschaft vom Markt-Verkehr, d.h. vom Ring-Tausch, zum primitiven Direkt-Tausch übergehen würde. Denn jedermann wünscht für seine Leistungen früher oder später Gegenleistungen eines festbestimmten Werts zu empfangen, und ist in keiner Weise geneigt, auf diese Gegenleistungen zugunsten einer Kaufkraft zu verzichten, die ihren Inhalt fortgesetzt verändert.

Wäre es aber dennoch denkbar, daß eine Volkswirtschaft aus irgend welchen arationalen (etwa vermeintlich sozialen) Erwägungen ein Meß-Gut schwankenden Verkehrswerts wählte (etwa die territorial wie zeitlich ganz verschieden bewertete „Arbeitsstunde“), so würde die Kaufkraft nicht nur ebenfalls nach Ort und Zeit überaus stark schwanken und einen Markt-Verkehr nur noch im engsten lokalen Rahmen ermöglichen, sondern sie würde dank ihrer Tausch-Beziehung zum Meß-Gut auch quantitativ, nach der Zahl ihrer Einheiten, die größten und jähesten Veränderungen erfahren, da der schwankende Verkehrswert des Meß-Guts bald zu dessen Umwandlung in Kaufkraft, bald umgekehrt zur Rückverwandlung von Kaufkraft in Meß-Gut führen würde. Der Markt würde also bald einer überaus großen, bald einer überaus kleinen Kaufkraft-Menge gegenüberstehen, und das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage würde die heftigsten Veränderungen erfahren, was in entsprechenden Preisschwankungen zum Ausdruck kommen würde. (Von den Folgen, die ein etwaiger Versuch haben würde, die Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut nachträglich aufzuheben, wird später die Rede sein.) 

Je konstanter der Verkehrswert des mit der Kaufkraft grundsätzlich äquivalenten Meß-Guts, desto konstanter auch die Zahl der umlaufenden Kaufkraft-Einheiten, also die absolut vorhandene Kaufkraft-Menge. Der Anreiz, Meß-Gut in neue Kaufkraft umzuwandeln, statt es am Markte gegen bereits umlaufende Kaufkraft hinzugeben, – und umgekehrt der Anreiz zur Rückverwandlung von Kaufkraft in Meß-Gut – ist um so geringer, je weniger das Meß-Gut in seiner Bewertung schwankt und sich damit vom Verkehrswert der Kaufkraft entfernt. Wir werden aber sehen, daß die Kaufkraft der Grundbedingung ihrer Verwendbarkeit im Markt-Verkehr (nämlich der Bedingung, daß sie den Güter-Anspruch, den sie bei ihrer Entstehung verkörperte, möglichst lange unverändert konserviert,) um so besser entspricht, je konstanter ihr absolutes Volumen, d.h. die Menge der von ihr vorhandenen Einheiten, ist. Und da diese Menge in einem gesetzmäßigen Verhältnis zur Wert-Relation von Kaufkraft zu Meß-Gut steht, da ferner die Wert-Relation ihrerseits immer nach voller Kongruenz strebt, diese volle Kongruenz aber nur durch die Umwandlung von Meß-Gut in Kaufkraft und umgekehrt, also durch mengenmäßige Veränderung der Kaufkraft, herbeigeführt wird, so ist es von höchster Wichtigkeit, daß das Meß-Gut eine möglichst große Wertbeständigkeit besitzt. 

Wie wertbeständig oder wertveränderlich aber das Meß-Gut auch sein mag, und so wenig oder viel daher die Kaufkraft-Menge auch schwanken mag – es ändert sich dadurch nichts an der Tatsache, daß in der freien, nicht behördlich manipulierten Wirtschaft Kaufkraft auf keine andere Weise entstehen kann, als durch Leistung unter Verzicht auf unmittelbare Gegenleistung und Umwandlung des sofort erfüllbaren Anspruchs an den Leistungs-Empfänger in einen weder zeitlich noch örtlich gebundenen Anspruch an die Verkehrs-Gemeinschaft. Der so entstehende Anspruch, der irgendwie gemessen werden muß, kann an einem wertbeständigen oder einem wertveränderlichen Gut gemessen werden. Je wertbeständiger dieses Meß-Gut ist, je weniger oder langsamer sich also sein Verkehrswert von dem Verkehrswert der Kaufkraft zu entfernen strebt, der nach ihm selbst bestimmt worden ist, desto geringer ist der Anreiz, den Verzicht auf Gegenleistung in Verbindung mit einem Akt der Neu-Messung und Neu-Dokumentierung auszusprechen, also neue Kaufkraft entstehen zu lassen, weil sie relativ höherwertig geworden ist; oder umgekehrt, einen früheren Verzicht auf Gegenleistung durch Rücknahme des – höherwertig gewordenen – Meß-Guts aufzuheben, also umlaufende Kaufkraft zu vernichten, weil sie relativ geringwertig geworden ist. Vielmehr ist es, je wertbeständiger das Meß-Gut ist, desto mehr die Regel, Kaufkraft weder entstehen noch untergehen zu lassen, sondern den Verzicht auf sofortige Gegenleistung bzw. die Aufhebung dieses Verzichts mittels Rückgriffs auf die bereits umlaufende Kaufkraft zu bewirken; indem man nämlich seine individuelle Leistung im Tausch gegen vorhandene Kaufkraft-Einheiten hingibt, in denen der Verzicht auf Sofort-Bezug bzw. der dadurch entstandene, weder zeitlich noch örtlich gebundene Anspruch an die Verkehrs-Gemeinschaft einem Besitz-Vorgänger bereits attestiert worden ist (d.h. indem man am Markte „verkauft“), oder indem man umgekehrt früher empfangene Kaufkraft-Einheiten im Tausch gegen Leistungen Dritter hingibt, (d.h. indem man am Markte „kauft“). 

Es ist aber volkswirtschaftlich von ganz außerordentlicher Bedeutung, ob der Markt-Verkehr mit seinem permanenten Ring-Tausch sich der Regel nach mit Hilfe des von Hand zu Hand-Wanderns bereits vorhandener Kaufkraft vollzieht, die Kaufkraft sich also fast ausschließlich zirkulatorisch erneuert, oder ob es im Verlauf der kettenartig ineinander greifenden Akte des permanenten Ring-Tauschs in großem Maßstabe zur Entstehung zusätzlicher Kaufkraft kommt, diese sich also auf kreatorischem Wege absolut vermehrt (oder umgekehrt absolut vermindert). Auf dem ersten, zirkulatorischen, Wege erneuert sich die Kaufkraft, indem jede Leistung von einer neuen Leistung gleichen Verkehrswerts abgelöst wird, die ihre Bezahlung bildet; nur in Höhe des Verkehrswerts seiner eigenen Leistung kann das einzelne Verkehrs-Mitglied den Anspruch auf fremde Leistung, also Kaufkraft, an sich bringen. Dagegen ist es das Wesen des zweiten, kreatorischen, Weges, des Weges der Kaufkraft-Vermehrung, daß neue Kaufkraft sich unter Entstehung eines Sondernutzens für den bildet, der sie vermehrt, also durch eine Leistung, die einen geringeren Verkehrswert hat als die aus ihr hervorgehende neue Kaufkraft. Wir werden später sehen, welche wirtschaftlichen Folgen es nach sich nicht im normalen Wege der Zirkulation erneuert, bzw. sich nicht im Wege der Beschleunigung dieser Zirkulation intensiv vermehrt, sondern sich im Wege der Neuschöpfung extensiv vergrößert.

5. Verhältnis zwischen Volumen und Potenz der Kaufkraft („Quantitäts-Theorie“)

Jedes einzelne Mitglied einer freien Verkehrs-Gemeinschaft hat in jedem einzelnen Falle die Wahl, ob es sich für seine Leistung durch eine ihrem Wert entsprechende Menge bereits vorhandener, umlaufender Kaufkraft befriedigen lassen will (zirkulatorisches oder intensitives Verfahren), oder ob es vorzieht, die entsprechende Kaufkraft-Menge zusätzlich entstehen zu lassen, indem es für seine Leistung zunächst ein Quantum Meß-Gut erwirbt und dieses Meß-Gut dann auf dem in seiner Verkehrs-Gemeinschaft üblichen Wege in Kaufkraft umwandeln läßt (kreatorisches oder extensitives Verfahren). Diese Wahl zwischen zwei Arten der Befriedigung, nämlich aus bereits vorhandener oder aus noch zu erzeugender Kaufkraft, eine Wahl, bei der sich das Verkehrs-Mitglied ausschließlich von seinem persönlichen Vorteil leiten läßt“, hat eine überaus wichtige Folge: Im Bezirke der Verkehrs-Gemeinschaft, der die bezeichnete Wahl offensteht, hat die Kaufkraft die größtmögliche Wertbeständigkeit, die sich auf der Erde, wo alles dem Wandel unterliegt, denken läßt. Der in der Kaufkraft verbürgte Anspruch auf eine der Leistung entsprechende Gegenleistung wird durch die ständige Wahl zwischen dem zirkulatorischen und dem kreatorischen Verfahren, d.h. durch die Wahl zwischen Konstant-Erhaltung oder Ausweitung des Kaufkraft-Volumens (bzw. dessen Einengung, vgl. Anmerkung 2 Seite 232), in unübertrefflicher Weise auf Jahre und Jahrzehnte konserviert. 

Die absolute, der mengenmäßigen Korrektur durch den Verkehrs-Willen entzogene Kaufkraft hat nämlich nicht die Fähigkeit, den in ihr verbürgten Güter-Anspruch stabil zu erhalten, sondern hat im Gegenteil die Tendenz, ihren Verkehrswert, ihre Bezugskraft gegenüber den Gütern, fortgesetzt zu verändern. Diese Tendenz hängt damit zusammen, daß ihr Wesen nicht Fortbestand, sondern unablässige Erneuerung ist. Mit jedem marktmäßigen Verkehrsakt geht ein Partikel alte Kaufkraft unter (indem ihr Inhaber, der „Käufer“, das in ihr verbürgte Güter-Bezugsrecht ausübt und das Recht so zum Erlöschen bringt), und entsteht gleichzeitig ein Partikel neue Kaufkraft (indem der Leistende, der „Verkäufer“, auf die Gegenleistung zunächst verzichtet und dadurch ein Güter-Bezugsrecht konstituiert). Der Doppel-Vorgang des Erlöschens und Neuentstehens wird zwar in der Regel nicht sichtbar, weil in der Verkehrs-Praxis die Anullierung eines Kaufkraft-Partikels durch dessen Fortgabe, die Konstituierung durch dessen Annahme ersetzt, der genetische Vorgang also in einen zirkulatorischen verwandelt wird. Aber diese Metamorphose, die das abwechselnde Untergehen und Neuentstehen von Güter-Bezugsrechten durch den vereinfachenden Vorgang eines unablässigen Wanderns durch die Verkehrs-Kette erfährt, ändert nichts daran, daß der materielle Inhalt des Rechtstitels, die Potenz der Kaufkraft, sich mit jedem Besitz-Übergang ändert. Je nachdem der Kaufkraft ein vergrößertes oder verkleinertes Güter-Angebot gegenübertritt, ermäßigt oder erhöht sich die Intensität der Kaufkraft. Obwohl ihr – in Einheiten des Meß-Guts – oder in irgend einer abgeleiteten Bezeichnung ausgedrückter Nennwert derselbe geblieben ist, hat ihr Realwert, ihre Bezugskraft gegenüber den Gütern, eine Veränderung erfahren und damit auch äußerlich erkennen lassen, daß die Kaufkraft von heute nicht identisch mit der Kaufkraft von gestern ist. 

Die Wert-verändernden Einflüsse, denen die absolute, einer mengenmäßigen Korrektur entzogene Kaufkraft unterliegt, sind zweifacher Art. Sie gehen einmal von den Gütern aus, die der Kaufkraft gegenübertreten, also von der Seite des Angebots, und zum anderen von der Kaufkraft selbst, also von der Seite der Nachfrage. Auf lange Sicht gesehen ist der Wert-verändernde Einfluß der Güter, des Angebots, der bedeutsamere, weil sich die hier maßgebenden Bewegungen des Marktes gewöhnlich in langen Wellen vollziehen. Auf kurze Sicht gesehen sind dagegen die Einflüsse wichtiger, die von der Kaufkraft selbst, also von der Nachfrage, ausgehen, weil hier die maßgebenden Veränderungen relativ schnell, oft von einem Tage zum andern, einzutreten pflegen. Verschieden wie der Ursprung ist auch die Wirkung der beiden konträren Einflüsse. Soweit diese von der Nachfrage herstammen, ist ihre Einwirkung auf das Verkehrswert-Verhältnis zwischen Gütern und Kaufkraft eine wechselnde; die Kaufkraft wird von ihnen bald begünstigt, bald benachteiligt. Dagegen haben die Einflüsse, die von der Angebot-Seite, also von der Markt-Versorgung, herstammen, die ausgesprochene Tendenz, die Kaufkraft zu begünstigen, d.h. ihren Realgehalt derart zu steigern, daß auf das einzelne Kaufkraft-Partikel im Verlauf der Zeit eine absolut vergrößerte Gütermenge entfällt. 

Diese Tatsache hängt mit dem menschlichen Fortschritt zusammen; d.h. mit der Erscheinung, daß die Güter und Leistungen, die an den Markt gelangen und hier Kaufkraft bilden, in der Regel weder nach Art noch nach Menge den Gütern und Leistungen gleichgeartet sind, die in einem früheren Stadium Kaufkraft gebildet haben, sondern diesen überlegen zu sein pflegen. Jede Neuerung, Erfindung oder technische Vervollkommnung läßt an die Stelle des aus der vorigen Produktions-Periode hervorgegangenen Sozialprodukts ein vergrößertes oder verbessertes Sozialprodukt treten, setzt also dem alten Kaufkraft -Volumen ein dem Realwerte nach erhöhtes Güter-Volumen entgegen. Dieses kann von der Kaufkraft, also von dem Erlös der vorhergegangenen, weniger ergiebigen Periode, nur dann absorbiert werden, wenn der Schlüssel, nach dem das neue Güter-Volumen sich auf die vorhandene Kaufkraft verteilt, eine Änderung erfährt. mit der Wirkung, daß auf jede Kaufkraft-Einheit eine größere Güter-Einheit entfällt als vorher; mit anderen Worten, wenn die Preise sinken. Der Fortschritt hat also zur Folge, daß die absolute Kaufkraft, d.h. die Kaufkraft, die keiner mengenmäßigen Korrektur unterliegt, im Laufe der Zeit an Potenz. an Güter-Bezugskraft, gewinnt; daß der Anspruch, den die Kaufkraft darstellt, sich ohne Zutun ihres Inhabers vergrößert, und dies meist in einem Maße, das zwar nicht von einer Produktions-Periode zur andern, wohl aber im Verlauf einer längeren Reihe von Perioden deutlich erkennbar wird. 

Schärfer und jäher als diese von der Güterseite her kommenden Einflüsse wirken sich die Einflüsse aus, die von der Kaufkraft-Seite ausgehen, und die ihren Ursprung in der wechselnden Umlaufs-Geschwindigkeit der Kaufkraft haben. Nur ein Teil der jeweils vorhandenen Kaufkraft „zirkuliert“, d.h. macht sein Güter-Bezugsrecht geltend und geht im Moment der Geltendmachung (des „Kaufs“) unter, um sich gleichzeitig in der Hand des Leistenden (des „Verkäufers“) zu regenerieren. Der restliche Teil zirkuliert nicht und regeneriert sich nicht, sondern „ruht“. Eine scharfe Scheidung der beiden Teile ist allerdings nicht angängig, weil auch der zirkulierende Teil in den kurzen Intervallen zwischen einer Geltendmachung des Bezugsrechts und der anderen „ruht“, und weil umgekehrt auch der ruhende Teil gelegentlich seine Ruhe unterbricht und – langsam und stockend – zirkuliert. Viele Kaufkraft-Einheiten gehören überdies bald der einen, bald der anderen Gruppe an, indem sie abwechselnd ruhen und zirkulieren. Man darf hier also nicht scharf zwischen den Kategorien unterscheiden, sondern wird zweckmäßig nur von einer schnellen oder langsamen Zirkulation sprechen, von einem Durchschnittstempo, das sich auf die totale Kaufkraft bezieht. Dieses Durchschnitts-Tempo, d.h. die Zahl der Fälle, in denen die Kaufkraft-Einheiten am Markt erscheinen und hier ein Bezugsrecht geltend machen, wechselt aber außerordentlich oft und schnell, bisweilen von einem Tage zum andern, und mit dieser wechselnden Zahl verändert sich die Größe der Nachfrage, die am Markte dem Güter-Angebot entgegentritt. Verstärkt sich die Nachfrage infolge beschleunigter Zirkulation, so entfällt auf jede der nachfragenden Kaufkraft-Einheiten eine verkleinerte Gütermenge, d.h. die Preise steigen. Nimmt die Nachfrage ab, weil das Intervall der „Ruhe“ zwischen den einzelnen Phasen der Aktivität sich durchschnittlich verlängert, so entfällt auf jede aktive Kaufkraft-Einheit eine vergrößerte Gütermenge, d.h. die Preise sinken. Die Potenz der Kaufkraft (scil. der absoluten, des mengenmäßigen Korrektivs entbehrenden) schwankt also ganz außerordentlich, namentlich in wirtschaftlich oder politisch unruhigen Zeiten, in denen viel Kaufkraft thesauriert wird, und in Zeiten der wirtschaftlichen Überhitzung, in denen jede Kaufkraft-Einheit aktiv zu werden und das Intervall der Ruhe abzukürzen strebt.

Alle diese Veränderungen, welche die Potenz der Kaufkraft erfährt, mögen sie von der Güter-Seite aus und in langen Wellen, oder von der Kaufkraft-Seite her und in kurzen Wellen auftreten, stehen in Widerspruch zur Bestimmung der Kaufkraft. Was die Wirtschaft von ihr verlangt, ist höchstmögliche Konstanz des in ihr ausgedrückten Güter-Anspruchs. Erhöht sich die Potenz der Kaufkraft, was daraus zu entnehmen ist, daß die Preise der Güter und Leistungen sinken, so klagt die Wirtschaft über „allgemein fehlende Kaufkraft“. Verringert sich ihre Potenz, d.h. steigen die Preise, so klagen alle Bezieher fester Einkommen, also Arbeiter, Beamte, Privat- und Sozial-Rentner usw. über „individuell fehlende Kaufkraft“. Jede Veränderung, welche die Güterbezugsfähigkeit der Kaufkraft-Einheit erfährt, wird als Kaufkraft-Mangel empfunden, selbst dann, ja ganz besonders dann, wenn die Bezugs-Fähigkeit, also der reale Gehalt der Kaufkraft, gestiegen ist. Deshalb, und weil das Prinzip des „Ring-Tauschs“ (Markt-Verkehr) zur Voraussetzung hat, daß die ihm entspringende Kaufkraft im praktisch erreichbaren Höchstmaß stabil bleibt, daß sie den in ihr ausgedrückten Güter-Anspruch intakt erhält, deshalb bedarf die Kaufkraft eines Korrektivs, das ihr Verhältnis zu den Gütern automatisch berichtigt, sobald es sich zu verändern droht. Dieses Korrektiv ist die Freiheit der Wahl, die dem einzelnen Verkehrs-Mitglied bei der Art der Kaufkraft-Beschaffung gelassen ist, und die es gestattet, nach freiem Ermessen auf bereits vorhandene, umlaufende Kaufkraft zurückzugreifen (zirkulatorisches oder intensitives Verfahren), oder mit Hilfe des Meß-Guts Kaufkraft zusätzlich entstehen zu lassen (kreatorisches oder extensitives Verfahren). 

Die Kraft, die hierbei wirksam wird, indem sie den freien menschlichen Willen so lenkt, wie es die Stabil-Erhaltung der Kaufkraft jeweils bedingt, ist der Egoismus, das Streben nach Nutzen. Sobald die Relation zwischen Kaufkraft und Marktgütern sich nämlich zu verschieben beginnt, wird es für das einzelne Verkehrs-Mitglied profitabel, dieser Verschiebung bereits in ihren Anfängen dadurch entgegenzuwirken, daß es sich bei der Kaufkraft-Beschaffung je nachdem für das zirkulatorische oder das kreatorische (bzw. abolitionistische) Verfahren entscheidet. Handelt es sich um eine Verschiebung zugunsten der Kaufkraft, so wird von der einsetzenden Preissenkung, die sie zum Ausdruck bringt, auch das Meß-Gut erfaßt. Es wird also vorteilhaft, den kreatorischen Weg zu beschreiten, d.h. Meß-Gut in höherwertige Kaufkraft umzuwandeln. Dadurch vergrößert sich das Kaufkraft-Volumen und mit ihm die Markt-Nachfrage, so daß der sinkenden Preis-Tendenz eine ihr konträre Tendenz ausgleichend entgegentritt, und zwar so lange, bis die alte Niveau-Gleichheit annähernd wieder hergestellt und es nicht mehr nutzbringend ist, weiterhin Meß-Gut in Kaufkraft zu verwandeln. Dagegen ist es bei steigenden Preisen, also bei sinkender Potenz der Kaufkraft, von vornherein unvorteilhaft, das kreatorische Verfahren anzuwenden; bei fortgesetzter Preissteigerung wird es sogar nutzbringend, abolitionistisch vorzugehen, d.h. Kaufkraft in nunmehr höherwertig gewordenes Meß-Gut zurückzuverwandeln, dadurch das Kaufkraft-Volumen und die Nachfrage zu verkleinern und so das alte Verhältnis zwischen Kaufkraft und Marktgütern mindestens annähernd wieder herzustellen. 

Die Frage mag naheliegen, ob denn das Meß-Gut alle Schwankungen des Verkehrswerts der Güter wirklich mitmacht, also bei niedrigen Preisen billig und daher Umwandlungs-fähig, bei hohen Preisen dagegen teuer und daher Rückverwandlungs-fähig ist. Diese Frage findet ihre Antwort aber ohne weiteres in der Tatsache, daß das betreffende Gut eben Meß-Gut ist, und daß man ihm diese Eigenschaft nur deshalb zuspricht, weil es in dem Lande seiner Geltung von allen Gütern die festeste Wertbeziehung zum Markte hat, bzw. diesem gegenüber erfahrungsmäßig die größte Wert-Konstanz aufweist, was nicht der Fall wäre, wenn es sich von der Durchschnitts-Marktbewegung emanzipieren würde. 

Es ergibt sich also folgendes: Die Kaufkraft erneuert sich der Regel nach auf zirkulatorischem Wege, indem sie mit jedem Kaufe, der am Markte erfolgt, zugleich erlischt und wieder aufersteht. Sie erneuert sich aus dem Verkehr heraus und ausschließlich durch diesen. Ihre Potenz, d.h. ihr Wertverhältnis zu den Gütern, unterliegt aber Einflüssen sowohl vom Markte wie von der Art ihrer eigenen Verwendung her, Einflüssen, welche die Konstanz dieses Wertverhältnisses und damit das Haupterfordernis der Kaufkraft bedrohen. Die Kaufkraft bedarf daher einer Korrektur ihrer Potenz, und zwar einer Korrektur, die selbsttätig immer dann einsetzt, wenn ihre Wert-Konstanz gefährdet ist. Diese selbsttätige Korrektur ist überall da vorhanden, wo die Verkehrs-Gemeinschaft aus Nutzen-Erwägungen heraus in der Lage ist, jede Veränderung in der Potenz der Kaufkraft durch eine entsprechende Veränderung ihres Volumens aufzuheben. Die Möglichkeit hierzu bietet das Meß -Gut mit seinem jeweiligen Mehr- oder Minder-Wert gegenüber der Kaufkraft und – wo es nicht daran gehindert wird – seiner Eignung zur Umwandlung aus Gut in Kaufkraft und aus Kaufkraft in Gut. Die größtmögliche Konstanz der Kaufkraft ist also da gewährleistet, wo zur automatischen Erneuerung auf zirkulatorischem Wege die Möglichkeit der gleichfalls automatischen Volumens-Änderung auf kreatorischem (bzw. abolitionistischem) Wege hinzutritt. Das Vorgesagte ist die Quintessenz der richtig verstandenen Quantitäts-Theorie. 

6. Die Schwankungen der Kaufkraft und ihre Korrektive

Obwohl dem Verkehrswert der Kaufkraft eine weitgehende Beharrung dadurch gesichert ist, daß es dem einzelnen Mitglied der Verkehrs-Gemeinschaft freisteht, von Fall zu Fall das zirkulatorische oder das kreatorische Verfahren anzuwenden, d.h. auf schon umlaufende Kaufkraft zurückzugreifen oder aus Meß-Gut zusätzliche Kaufkraft entstehen zu lassen, so kann es doch vorkommen, daß die Beharrung in Frage gestellt wird, und zwar infolge einer stärkeren Veränderung des Verkehrswert-Verhältnisses zwischen Meß-Gut und Markt-Gütern. Der Regel nach ist das Verhältnis allerdings ziemlich konstant, denn gerade dieser Konstanz, dieser besonders festen Wertbeziehung zum Markte, dankt das Meß-Gut ja seine Qualifikation als solches. Aber jedes einzelne Gut, also auch das Meß-Gut, ist Schwankungen im Verhältnis von Angebot zu Nachfrage unterworfen, insbesondere Zufälligkeiten, die sein Produktions-Volumen beeinflussen. Und wenn die Einwirkung dieser Schwankungen und Zufälligkeiten auf den Verkehrswert des Meß-Guts auch dadurch erheblich abgeschwächt wird, daß ein Überangebot an Meß-Gut zur Umwandlung in Kaufkraft, ein Unterangebot dagegen zur Rückverwandlung aus Kaufkraft führt, so wird eine etwaige jähe Veränderung im Verkehrswert des Meß-Guts dadurch doch nur gemildert, nicht beseitigt. Diese gemilderte Veränderung überträgt sich aber, dank der Austauschbarkeit und der dadurch herbeigeführten annähernden Wert-Äquivalenz von Meß-Gut und Kaufkraft, unbedingt auch auf die letztere, so daß das einzelne Kaufkraft-Partikel mit jeder Preissteigerung des Meß-Guts an Verkehrswert gewinnt und mit jeder Preissenkung des Meß-Guts an Verkehrswert verliert. 

Freilich treten auch hier wieder gewisse Gegengewichte automatisch in Tätigkeit. Sinkt infolge relativen Überangebots der Verkehrswert des Meß-Guts, und sinkt daher auch der eng an ihn gebundene Verkehrswert der Kaufkraft, so kommt das in einer Preissteigerung am Markte der Güter und Leistungen zum Ausdruck, somit auch in einer Verteuerung der Produktions-Kosten des Meß-Guts; die Erzeugung des Meß-Guts wird damit weniger lohnend, sein Angebot läßt nach, und sein Verkehrswert nähert sich wieder dem Normalen. Steigt umgekehrt infolge relativen Unterangebots der Verkehrswert des Meß-Guts und ihm parallel derjenige der Kaufkraft, so führt der Preisrückgang am Markt der Güter und Leistungen, in dem dieses Steigen zum Ausdruck kommt, zu einer Ermäßigung der Produktions-Kosten des Meß-Guts; die Erzeugung des letzteren wird also lohnender, sein Angebot nimmt zu, und sein Verkehrswert senkt sich wieder. Aber diese Gegengewichte, die das Meß-Gut vor allzu starken WertSchwankungen bewahren und damit der Kaufkraft, wenigstens der Tendenz nach, eine gewisse Konstanz sichern, sind nicht unter allen Umständen zuverlässig; ja, in gewissen Fällen büßen sie ihre regulierende Fähigkeit fast vollständig ein. So beispielsweise, wenn das Meß-Gut „Vieh“ – allerdings ein sehr ungeeignetes Meß-Gut – infolge einer gewaltigen Seuche an Menge stark abnimmt und dementsprechend im Verkehrswerte steigt; oder wenn das Meß-Gut „Gold“ infolge der Auffindung neuer Lagerstätten oder der Anwendung eines verbilligten Extraktions-Verfahrens mengenmäßig stark zunimmt und dementsprechend im Verkehrswerte sinkt. In diesen Fällen ist sowohl die Markt-Erweiterung bzw. -Verengung des Meß-Guts durch seine Austauschbarkeit mit der Kaufkraft, wie auch die Rückwirkung des Markt-Preises auf die Gestehungs-Kosten des Meß-Guts bestenfalls imstande, die Verkehrswert-Schwankungen von Meß-Gut und Kaufkraft über einen etwas längeren Zeitraum zu verteilen, nicht aber, sie zu beseitigen und so das wichtigste Attribut der Kaufkraft, ihre Konstanz, zu sichern. 

Indes stellen sich, sobald die Wert-Konstanz des Meß-Guts und damit der Kaufkraft besonders starken Veränderungen zu unterliegen droht, zwei neue Korrektive ein, die wiederum im Sinne einer Milderung der Wertschwankungen wirken. 

Das eine Korrektiv ist der territoriale Ausgleich über das Ausland, in das bei relativem Überangebot von Meß-Gut die überschüssigen Mengen so lange abfließen (oder aus dem bei relativem Unterangebot ergänzende Mengen so lange einfließen), bis die Binnen-Versorgung mit Meß-Gut sich wieder dem Normalen nähert. Dieses erste, territoriale Korrektiv wird allerdings nur unter der Voraussetzung unbedingt wirksam, daß das Meß-Gut die besondere Wertschätzung, die es zum Maßstabe der Kaufkraft gemacht hat, nicht lediglich im Lande selbst, sondern international genießt; am wirksamsten dann, wenn es die Eigenschaft als Meß-Gut und damit die Fähigkeit, sich durch wechselseitige Austauschbarkeit mit der Kaufkraft zu verbinden, auf dem ganzen Erdball oder dem maßgebenden Teil desselben besitzt. Denn dann werden die beiden uns bereits bekannten Gegengewichte, die sich jeder Störung in der Beharrung des Verkehrswerts von Meß-Gut und Kaufkraft entgegenstellen – das nivellierende Ineinanderfließen von Meß-Gut und Kaufkraft und das Angebot-korrigierende Element der Produktions-Kosten – in potenzierter Stärke, weil in zahlreichen Ländern zu gleicher Zeit und in gleicher Richtung, wirksam.

Das andere Korrektiv ist die gewerbliche Verwendung des Meß-Guts in Verbindung mit der direkten und indirekten Schatzbildung, dem abwechselnden Anwachsen und Abnehmen der „hoards“. Jedes Überangebot von Meß-Gut hat zur Folge, daß es überall, wo es marktmäßig gehandelt wird, zu niedrigerem Preise erhältlich ist als demjenigen, der seiner Äquivalenz mit der Kaufkraft entspricht. Die Preisdifferenz wird zwar binnen kürzester Zeit durch die Umwandlung von Meß-Gut in Kaufkraft (kreatorisches Verfahren bei der Kaufkraft-Bildung) bis auf einen minimalen Bruchteil wieder zum Verschwinden gebracht. Aber in der kurzen Zwischenzeit macht sich der Markt den niedrigeren Preis zu Nutze, und dies in um so stärkerem Maße, je schneller der Preis sich infolge jener Umwandlung erfahrungsgemäß zu normalisieren pflegt. Denn das Meß-Gut ist ja nicht nur Maßstab der Kaufkraft, sondern hat auch bestimmte Verwendungs-Zwecke, denen es als einfaches Markt-Gut bereits gedient hat, bevor es Meß-Gut wurde, und denen es den starken Grad der Nachfrage und die große Beliebtheit mit verdankt, die es zum Meß-Gut haben werden lassen. Für diese, meist gewerblichen, Verwendungs-Zwecke stellt sich bei sinkendem Meß-Gut-Preise eine steigende Nachfrage ein, die das Überangebot zu einem Teil absorbiert und so auch ihrerseits dazu beiträgt, den Verkehrswert des Meß-Guts wieder nach oben zu drücken. Die Nachfrage ist erheblich größer, als sie es bei verstärktem Angebot irgend welcher anderen Marktwaren sein würde, von denen sich das Meß-Gut ja durch die zweifache Art seiner Verwendung, als gewerbliches Gut und als Maßstab bzw. Stellvertreter der Kaufkraft, unterscheidet. Denn dank dieser doppelten Verwendbarkeit ist das Meß-Gut nicht nur der Gegenstand kaufmännischer Nutzen-Erwägungen, die zur Folge haben, daß es in Erwartung kommender Nachfrage für den einen oder den anderen Zweck in beträchtlichen Mengen auf „Lager“ genommen wird, sondern zugleich auch Thesaurierungs-Objekt für alle diejenigen, die Kaufkraft auf längere Zeit und in einer Form zu konservieren wünschen, die ihnen die Wahl zwischen mehreren Verwendungs-Möglichkeiten läßt. So wird Vieh, wo es etwa Meß-Gut ist, „gehortet“ weil es sich nach Belieben als Kaufkraft benutzen oder als besonders gängige Ware konsumtiv verwerten läßt, Kauri-Muscheln, weil sie je nach Wunsch als Kaufkraft oder als Schmuck dienen können, Gold, weil es sich nicht nur ebenfalls in Kaufkraft umwandeln oder als Schmuck verwenden läßt, sondern weil es außerdem für zahlreiche gewerbliche und künstlerische Zwecke den Rohstoff abgibt. 

In die Vorrats-Bildung oder Hortung fließt somit aus allen diesen Gründen, den Markt entlastend, ein erheblicher Teil des Meß-Guts ab, sobald ein Überangebot daran erfolgt. Umgekehrt fließen Strome ehemals gehorteten Meß-Guts an den Markt zurück, sobald hier ein Unterangebot an solchem fühlbar wird und infolgedessen eine Steigerung seines Verkehrswerts eintritt. Zur gewerblichen Verarbeitung bestimmtes oder als Schmuck verwendetes Meß-Gut ändert dann seine Bestimmung und dringt an den Markt, um von hier aus den Weg der Umwandlung in Kaufkraft zu gehen, und Vorrate, die vormals, zu einer Zeit des Überangebots, mit zunächst offen gelassenem Verwendungszweck thesauriert worden sind, stellen sich jetzt zur Verfügung und dienen im In- oder Auslande Mitgliedern der Verkehrs-Gemeinschaft zur Kaufkraft-Beschaffung auf kreatorischem Wege.[3] Das Meß-Gut ist eben der in seinem Namen ausgedrückten Eigenschaft wegen ein Gut, von dem besonders große Reserven sich abwechselnd bilden und wieder auflösen, die Markt-Versorgung bald verkleinernd, bald wieder vergrößernd und dadurch die Schwankungen im Verkehrswert von Meß-Gut und Kaufkraft immer wieder korrigierend. Auch unter diesem Gesichtswinkel ist von den an sich geeigneten Meß-Gütern dasjenige das beste, das den größten Geltungs-Radius hat, und von dem infolgedessen international die größten Reserven existieren bzw. sich fortlaufend bilden. 

Es kann vorkommen, daß das Über- oder Unterangebot an Meß-Gut so groß ist, daß die verschiedenen natürlichen Gegengewichte und Korrektive nicht imstande sind, seinen Einfluß auf den Marktwert des Meß-Guts genügend zu mildern und dadurch die Wert-Konstanz der Kaufkraft hinreichend zu sichern. So kann auf Inseln, die das Meß-Gut „Muschel“ haben, eine Sturmflut die Muschel-Bänke zerstören, so daß plötzlich ein starkes Unterangebot, ja überhaupt kein Angebot mehr erfolgt und der Verkehrswert des Meß-Guts und damit die Potenz der Kaufkraft sich gewaltig erhöhen, d.h. die Preise sturzartig zurückgehen. Oder es kann in Länder-Komplexen, in denen „Gold“ das Meß-Gut ist, infolge der Auffindung neuer, sehr reicher Gold-Lager ein so starkes Überangebot an Meß-Gut eintreten, daß die Potenz der Kaufkraft schnell sinkt, d.h. die Preise sich ebenso schnell erhöhen. Nur sehr selten wird eine dieser beiden konträren Möglichkeiten in solchem Umfange Wirklichkeit werden, daß die natürlichen Korrektive nicht mehr ausreichen, um der Kaufkraft das praktisch erforderliche Mindestmaß an Konstanz zu sichern, oder um die Wert-Veränderung der Kaufkraft über einen so langen Zeitraum zu verteilen, daß sie im Verkehrsleben nicht sonderlich stört. Immerhin kann dieser Fall eintreten, und er hat sich in der Wirtschafts-Geschichte tatsächlich, wenn auch selten, ereignet. 

In solchem Falle bleibt den betroffenen Verkehrs-Gemeinschaften nur die Wahl, fortan ohne Kaufkraft zu wirtschaften, also von dem Prinzip des Markt- oder Ring-Tauschs zum primitiven Verfahren des Direkt-Tauschs überzugehen, oder aber die unstabil gewordene Kaufkraft in einem neuen Meß-Gut zu verankern. Praktisch haben die Verkehrs-Gemeinschaften immer das letztere Verfahren vorgezogen. Sie sind vom Vieh und vom Leder zum Metall übergegangen, und hier wieder vom Kupfer zum Silber, vom Silber zum Gold. Der Übergang vollzieht sich, wo der Wirtschaft freie Hand gelassen wird, ganz automatisch und ohne besondere Erschütterung. Denn in jedem Lande gibt es neben dem Meß-Gut, das seine Qualifikation als solches seiner früheren, unübertroffenen Wertbeständigkeit verdankt, andere, relativ wertbeständige Güter, die ohne weiteres in die Funktionen des Meß-Gutes eintreten können, wenn dieses seine Qualifikation verliert. Zur Zeit gelten in den maßgebenden Ländern das Platin und das – im vorigen Jahrhundert wegen der größeren Wertbeständigkeit des Goldes – entthronte Silber als die nächsten Anwärter für den unwahrscheinlichen Fall, daß das Gold sich infolge allzu starker elementarer (d.h. nicht auf Wirtschafts-Fehlern beruhender) Veränderungen seiner Marktlage als minder wertbeständig erweisen sollte, als man es von jenen Metallen unter gleichen Voraussetzungen, d.h. nach hergestellter Verknüpfung mit der Kaufkraft, erwarten zu dürfen glaubt.

In Fällen ganz besonders starker Wert-Veränderung des Meß-Guts liegt die Versuchung nahe, die Kaufkraft vor gleich starken Schwankungen dadurch zu bewahren, daß man das Band zwischen ihr und dem Meß-Gut zerschneidet. Ist die Austauschbarkeit zwischen Meß-Gut und Kaufkraft aufgehoben, so ist die letztere in der Tat autonom und vom Verkehrswert des Meß-Guts unabhängig. Eine solche Trennung der Kaufkraft vom Meß-Gut hebt aber auch die ganze Automatik auf, welche die Bildung von Kaufkraft aus der Wirtschaft heraus und gemäß deren natürlichem Bedürfnis bewirkt (vgl. Abschnitt 3b S. 128 ff.). Das einzelne Verkehrs-Mitglied kann sich dann Kaufkraft nur noch auf zirkulatorischem, nicht mehr auf kreatorischem Wege sichern und daher auch nicht mehr zur Beseitigung der Schwankungen beitragen, welche die Kaufkraft durch die Veränderungen am Gütermarkt, also von der Warenseite her, erfährt. Diese strukturellen Veränderungen sind aber ungleich größer und jäher als die Veränderungen quantitativen Ursprungs von der Meß-Gut-Seite her, die in der Hauptsache eine Reaktion auf die Veränderungen am Gütermarkt darstellen und diese, soweit sie die reale Potenz der Kaufkraft berühren, zugleich korrigieren. Das Haupterfordernis der Kaufkraft, ihre Konstanz, ist somit bei einer Loslösung der Kaufkraft vom Meß-Gut ungleich stärker bedroht, als es im Falle ihrer organischen Verknüpfung mit dem Meß-Gut selbst bei starken Verkehrs-Schwankungen des letzteren der Fall ist. Und wir werden später sehen, daß und warum ein Versuch, die organische, selbsttätige Sicherung der Konstanz durch eine mechanische, manipulierte, zu ersetzen, mißlingen und zu schweren wirtschaftlichen Störungen führen muß. 

7. Die Kaufkraft, das Meß-Gut und der Weltmarkt 

Das Prinzip des Tauschs, dessen sich die Verkehrs-Gemeinschaften bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bedienen, macht an den geographischen oder politischen Grenzen des einzelnen Landes nicht Halt. Es flicht vielmehr die verschiedenen nationalen Gemeinschaften zu einer großen internationalen Wirtschafts-Gemeinschaft oder zu mehreren Gruppen-Gemeinschaften zusammen. Selbst strengste Absperr-Maßnahmen, die ein einzelnes Land gegenüber Gütern und Dienstleistungen anderer Länder etwa ergreift, können nicht verhindern, daß zum mindesten zwischen benachbarten Staaten ein Tauschverkehr größeren oder geringeren Umfanges stattfindet. Dieser internationale Tauschverkehr strebt genau wie der einzelstaatliche danach, die unbequeme Form des Direkt-Tauschs abzustreifen und die bequemere des Ring-Tauschs anzunehmen; also bei jeder Leistung auf den unmittelbaren Bezug der Gegenleistung zu verzichten und durch diesen Verzicht einen Anspruch (Kaufkraft) entstehen zu lassen, der zu beliebiger Zeit und gegen eine beliebige Person, d.h. marktmäßig, geltend gemacht werden kann. 

Hierbei ergibt sich aber der Übelstand, daß die Instanz, welche die Messung der Gegenleistung vornimmt und das Entstehen einer Kaufkraft gleichen Verkehrswerts attestiert (vgl. Abschnitt 2, Heft 1 Seite 13), nur in einem gewissen territorialen Umkreis als maßgeblich anerkannt wird. In der Regel fällt dieser Umkreis mit dem Machtbereich des Staats zusammen, der jene Instanz bestellt oder anerkannt hat. Außerhalb des Umkreises haben die Kaufkraft-Beglaubigungen der Instanz keine Geltung vielmehr ermöglichen hier Kaufkraft-Beglaubigungen anderer Instanzen, anderer Stückelung, ja vielfach sogar anderer Gattung den nämlich in Einheiten eines anderen Meß-Guts ausgedrückt – Markt-Verkehr. Eine „Welt-Kaufkraft“ existiert nicht. Wer den Anspruch auf Gegenleistung, der verkörpert ist in der von der inländischen Messungs-Instanz beglaubigten Kaufkraft, nicht im Inlande, sondern im Auslande geltend machen will, muß seine Kaufkraft zunächst in die anders beglaubigte Kaufkraft desjenigen Landes oder Machtbereichs umtauschen, an dessen Markt er die Gegenleistung zu beziehen gedenkt. Da sich somit der Welt-Verkehr nicht mit Hilfe einer allgemein-gültigen Normal-Kaufkraft, eines Well-Zahlungsmittels, abspielt, sondern mit Hilfe einer großen Anzahl einzelstaatlicher Zahlungsmittel – von denen viele nichts anderes miteinander gemein haben als die Eigenschaft, ein beglaubigter Anspruch auf Gegenleistung zu sein –, so ist der Welt-Zahlungsverkehr eine Zusammensetzung aus direktem Tausch und Ring-Tausch: Es muß ein Direkt-Tausch von Kaufkraft gegen Kaufkraft („Währung“ gegen „Währung“) vorangegangen sein, damit Waren oder Leistungen des einen Landes oder Machtbereichs in den Markt-Verkehr eines anderen Landes oder Machtbereichs eindringen können, wodurch dann der Eindruck – nicht mehr – eines internationalen Ring-Tauschs entsteht. 

Die Kaufkraft-Einheiten der einzelnen Länder werden börsenmäßig gehandelt, und zwar, entsprechend dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, zu ständig schwankenden Preisen. Das heißt, die verschiedenen Kaufkraft-Einheiten des Auslands werden in jedem Lande in Einheiten seiner eigenen Kaufkraft je nach der Marktlage höher oder niedriger bewertet und bezahlt. Zu den Schwankungen marktmäßigen Ursprungs treten aber, sobald die fremden Kaufkraft-Einheiten von einem anderen Meß-Gut abgeleitet werden als diejenigen des Markts, an dem sie gefragt oder angeboten werden, noch die Schwankungen hinzu, denen das betreffende Meß-Gut hier unterliegt. Deshalb verändert in einem Lande, dessen Meß-Gut das Kupfer ist, eine Kaufkraft, die an ein anderes Meß-Gut, etwa „Kauri-Muschel“, gebunden ist, ihren Marktpreis weit häufiger und stärker als die Kaufkraft eines Landes, in dem ebenfalls Kupfer das Meß-Gut ist. In Ländern, deren Kaufkraft mit Gold gemessen wird, kann der Marktpreis der Kaufkraft anderer Länder mit gleicher Messungsart nicht entfernt so schwanken, wie derjenige der Kaufkraft von Ländern, die etwa mit dem Meß-Gut Silber rechnen und messen. Infolgedessen ist der Verkehr zwischen zwei Ländern mit identischem Meß-Gut erheblich weniger Erschwernissen unterworfen als der Verkehr zwischen zwei Ländern mit verschiedenem Meß-Gut. Bei letzterem läßt die Ungewißheit, zu welchem Preise die Kaufkraft des anderen Landes jeweils erhältlich oder die Kaufkraft des eigenen Landes jeweils verwertbar sein wird, die Käufe und Verkäufe zwischen den beiden Ländern aus Akten kaufmännischer Kalkulation zu einer Mischung von Berechnung und Spekulation werden.

Zwischen Ländern, deren Kaufkraft sich auf ein identisches Meß-Gut gründet, vollzieht sich der Waren-Austausch, soweit nicht Handels- und Verkehrs-Politik ihn absichtlich behindern, ohne Schwierigkeiten und beinahe so reibungslos, als ob es sich um einen Ring-Tausch im Geltungs-Bereich einer und derselben Kaufkraft handelte. Es fehlen hier nicht nur die Wert-Schwankungen des einen Meß-Guts bzw. der darin verankerten Kaufkraft im Verhältnis zum anderen Meß-Gut und damit zur anderen Kaufkraft, sondern es fallen auch die rein marktmäßigen Schwankungen fast ganz fort, die aus den Zufälligkeiten des Angebots und der Nachfrage entstehen. Auch hier wieder ist es die Austauschbarkeit bzw. Ersetzbarkeit von Kaufkraft durch Meß-Gut und umgekehrt, die schon im Binnen-Verkehr nivellierend und Konstanz-erhaltend wirkt (vgl. Abschnitt 5 in Heft 11), was eine annähernde Niveau-Gleichheit zwischen den verschiedenen nationalen Kaufkraft-Einheiten, sofern sie von demselben Meß-Gut abgeleitet sind, auch dann herbeiführt, wenn die eine oder andere von ihnen einseitig begehrt oder angeboten ist. Denn es steht im Verkehr zwischen den Ländern, in denen das Meß-Gut identisch ist, jedem Verkehrs-Mitglied frei, bei Bezügen aus dem Ausland eine marktmäßige Beschaffung ausländischer Kaufkraft zu unterlassen und statt dessen mit Meß-Gut zu bezahlen, oder bei Lieferungen nach dem Auslande ein Entgelt in inländischer Kaufkraft abzulehnen und statt dessen auf Hergabe desjenigen Quantums Meß-Gut zu bestehen, das wertgleich ist mit dem in ausländischer Kaufkraft vereinbarten Preise. 

Sobald die Kaufkraft eines fremden Landes gleichen Meß-Guts infolge besonders starker Nachfrage über den inländischen Marktpreis steigt, der ihrer Äquivalenz mit einem bestimmten Quantum des gemeinsamen Meß-Guts und daher auch mit einer bestimmten Menge inländischer Kaufkraft entspricht, d.h. über die „Parität“, wird es vorteilhaft, aus jenem fremden Lande bezogene Güter nicht im Wege marktmäßiger Beschaffung der entsprechenden Landes-Kaufkraft, sondern mit Meß-Gut zu bezahlen Ja, es wird sogar vorteilhaft, in jenes Land weitere Mengen Meß-Gut als Ware zu senden und die dafür empfangenen Mengen derzeit hochwertiger fremder Kaufkraft am eigenen Markt „über Parität“ zu verkaufen. Und umgekehrt: Sobald die fremde Kaufkraft infolge starken Angebots erheblich unter den Marktpreis sinkt, der ihrer Äquivalenz mit Meß-Gut und Inlands-Kaufkraft entspricht, also unter ihre Parität mit der letzteren, wird es nicht nur vorteilhaft, Bezüge aus dem betreffenden Lande im Wege des marktmäßigen Ankaufs seiner verbilligten Kaufkraft zu bezahlen, sondern es wird sogar lohnend, Meß-Gut als Ware aus jenem Lande zu beziehen, ihren Preis ebenfalls mit der unter Parität erhältlichen Kaufkraft des fremden Landes zu begleichen, das Meß-Gut selbst aber zur Bildung relativ hochwertiger Inlands Kaufkraft zu verwenden (Kaufkraft-Beschaffung auf kreatorischem Wege). Auf solche Weise wird die gestörte Niveau-Gleichheit zwischen den verschiedenen Kaufkraft-Einheiten mehrerer Länder identischen Meß-Guts zum mindesten annähernd wieder hergestellt, und zwar von zwei Seiten her: von der Seite des handelnden, also Meß-Gut statt Kaufkraft annehmenden oder hingebenden Landes dadurch, daß hier die Nachfrage nach der über den Normalstand verteuerten fremden Kaufkraft sinkt, nach der unter den Normalstand verbilligten fremden Kaufkraft steigt. Von der Seite des duldenden Landes, dem Meß-Gut zugeleitet oder entzogen wird, dadurch, daß hier das einfließende Meß-Gut zusätzliche Kaufkraft bildet (Kreation), das ausfließende Meß-Gut dagegen einen Rücktausch von Kaufkraft bedingt (Abolition), wodurch die umlaufende Kaufkraft-Menge sich vergrößert oder verkleinert, der Marktwert der Kaufkraft – und konträr zu ihm das Preis-Niveau – sich senkt oder hebt (vgl. Abschnitt 5), und schließlich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage von Waren und Leistungen des Landes sich im Auslande so verändert, daß seine Kaufkraft sich hier wieder der Parität nähert und dieser schließlich so nahe kommt, daß es im Ausland unlohnend wird, sich in ein- oder ausgehender Richtung des Meß-Guts statt der Kaufkraft des Landes zu bedienen. 

Genau gesehen wird die Niveau -Gleichheit zwischen den Kaufkraft-Einheiten mehrerer Länder mit identischem Meß-Gut nicht nur von zwei, sondern von mindestens vier Seiten her retabliert. Denn in jedem der handelnd oder duldend beteiligten Länder wirkt die Austauschbarkeit bzw. Ersetzbarkeit von Kaufkraft und Meß-Gut in doppelter Weise auf den Marktwert der verschiedenen Kaufkraft-Einheiten ein. Sie wirkt einmal dadurch, daß sie das Angebot einer bestimmten Kaufkraft bzw. die Nachfrage nach ihr in dem Maße vermindert oder vermehrt, wie sie auf den Auslands-Märkten Nachfrage und Angebot von Kaufkraft durch Nachfrage und Angebot von Meß-Gut zu ersetzen erlaubt, und umgekehrt. Und sie wirkt zweitens dadurch, daß sie den ein- bzw. ausfließenden Mengen Meß-Guts gestattet, sich mit dem vorhandenen Kaufkraft-Volumen zu verbinden bzw. sich von ihm zu trennen, dieses also zu vergrößern oder zu verkleinern. Diese zweifache Wirkung vervielfacht sich zu einer mindestens vierfachen dadurch, daß sie sich in jedem der Länder gleichen Meß-Guts geltend macht, und zwar mit komplementärem Effekt: Im Lande der über Parität bewerteten Kaufkraft ist sie auf Hebung des Marktwerts der fremden und Senkung des Marktwerts der eigenen Kaufkraft gerichtet, im Lande der unter Parität bewerteten Kaufkraft umgekehrt auf Wert-Verbesserung der eigenen und Wert-Senkung der fremden. Je mehr Länder das gleiche Meß-Gut haben, also bei der Nivellierung von Schwankungen der ihnen gleichgearteten fremden Kaufkraft-Einheiten kooperieren, um so prompter wirkt das Prinzip der Austauschbarkeit von Kaufkraft und Meß-Gut, und um so seltener wird die einzelne zur gleichen Familie gehörende Kaufkraft sich um mehr als einen ganz geringen Bruchteil ihres Verkehrswerts von der Parität entfernen. 

Wir haben den Vorteil, den der Anschluß möglichst vieler Länder oder Machtbereiche an ein bestimmtes Meß-Gut bietet, bereits kennengelernt, als wir uns mit den Korrektiven beschäftigten, welche die Schwankungen des Real- oder Binnenwerts der Kaufkraft mildern (vgl. Abschnitt 6, Heft 15). Hier erkennen wir den Vorteil, den ein möglichst umfassender Geltungs-Bereich eines Meß-Guts bietet, noch von einer anderen Seite, nämlich von derjenigen des Markt- oder Außenwerts. Je mehr Länder und je größere Gebiete einem und demselben Kaufkraft-System angehören, d.h. eine in demselben Meß-Gut verankerte Kaufkraft-Einheit haben, um so vielseitiger und daher wirksamer ist die Kooperation bei der Beseitigung sowohl der Realwert-Schwankungen, die vom Meß-Gut ausgehen, als auch der Markt wert-Schwankungen, die in den Zufälligkeiten des Angebots und der Nachfrage von Kaufkraft wurzeln. Je größer der internationale Geltungs-Bereich eines Meß-Guts, um so stabiler ist sowohl der Real- wie der Marktwert (Binnen- und Außenwert) der Kaufkraft-Einheiten in den zu demselben System gehörenden Ländern. Da es innerhalb des Geltungs-Bereichs dieses Systems zu größeren Veränderungen im Wert-Verhältnis der einzelnen nationalen Kaufkraft-Einheiten zueinander nicht kommen kann, vielmehr jede Abweichung von der Parität, die eine Versendung von Meß-Gut lohnend werden läßt, durch eben diese Versendung korrigiert wird, so verhält es sich praktisch so, als wenn alle zu dem betreffenden Geltungs-Bereich gehörenden Länder, ungeachtet ihrer Währungs-Autonomie, sich einer und derselben Kaufkraft bedienten. 

Die Kooperation aller demselben Kaufkraft-System angehörenden, d.h. dasselbe Meß-Gut anerkennenden, Länder bei der Beseitigung der relativen Wert-Schwankungen jeder zum System gehörenden Kaufkraft hat die weitere Folge, daß schon die Ein- bzw. Ausfuhr ganz geringer Mengen Meß-Gut genügt, um den normalen Marktwert oder die Parität der einzelnen Kaufkraft wieder herzustellen. Voraussetzung ist lediglich, daß das Meß-Gut, obwohl es als Ware zur Versendung kommt, sich in dem ausführenden Lande von dessen Kaufkraft-Volumen loslöst und sich mit demjenigen des einführenden Landes verbindet; daß es also die Güter-Nachfrage dort zum Einschrumpfen, hier zur Ausdehnung bringt, dadurch die Potenz der Kaufkraft dort erhöht, hier schmälert und so – übrigens marktmäßig kaum wahrnehmbare – Veränderungen im Realwert der Kaufkraft die auf Nivellierung deren Marktwerts gerichteten Maßnahmen der kooperierenden Länder unterstützt. Die Gefahr, daß ein Land etwa seinen gesamten Vorrat an Meß-Gut oder auch nur einen beachtlichen Teil desselben einbüßt, besteht also so lange nicht, wie eine Austauschbarkeit zwischen Kaufkraft und Meß-Gut besteht, der Übertritt von Meß-Gut aus einem Lande in das andere also eine entsprechende Verkleinerung des Kaufkraft-Volumens im ausführenden und eine entsprechende Vergrößerung im einführenden Lande herbeiführt. Denn dadurch wird der Realwert der Kaufkraft im ausführenden Lande gesteigert, im einführenden Lande dagegen gesenkt, was hier wie dort als Gegengewicht auf die Handels- und Kredit-Beziehungen zwischen den beiden Ländern und auf den Marktwert ihrer Kaufkraft-Einheiten wirkt, mit dem Effekt, daß die Strömung des Meß-Guts ihre Richtung ändert: Im ausführenden Lande zieht die höherwertig gewordene Kaufkraft das Meß-Gut nunmehr wieder an, im einführenden Lande stößt die in ihrem Realwert gesunkene Kaufkraft das Real-Gut wieder ab. 

8. Konkurrierende Meß-Güter („Doppelwährung“) 

Da es in jedem Lande neben dem Meß-Gut, das die Qualifikation als solches seiner besonderen Wertbeständigkeit verdankt, andere, relativ wertbeständige Güter gibt, die notfalls in die Funktionen des Meß-Guts eintreten können, wenn dieses seine Qualifikation verliert (vgl. S. 530), so machen sich seit jeher, periodisch wiederkehrend, Bestrebungen geltend, die darauf hinauslaufen, solch ein relativ wertbeständiges Gut nicht erst in diesem Notfall und als Ersatz, sondern von vornherein und neben dem jeweiligen Meß-Gut zu einem zweiten, konkurrierenden Meß-Gut zu machen. So ist in frühen Zeiten neben das Vieh oder das Leder ein mehr oder weniger edles Metall, dann neben das Kupfer das Silber, endlich neben das Silber das Gold (und umgekehrt) als zweites, ebenbürtiges Meß-Gut getreten.

In der Regel sind es die Wert-Schwankungen des ursprünglichen Meß-Guts gewesen bzw. die diesen Schwankungen entsprechenden Veränderungen im Marktpreise der Güter, was den Wunsch nach einem zweiten Meß-Gut wachgerufen hat, insbesondere dann, wenn der Verkehrswert des ursprünglichen Meß-Guts und damit die Potenz der Kaufkraft stieg, die Preise also fielen. Man vergaß dann fast immer, daß der relative „Mangel an Kaufkraft“, der sich auf solche Weise äußert, seinen Ursprung in der Regel darin hat, daß die Mitglieder der betreffenden Verkehrs-Gemeinschaft es unterlassen haben, im gewohnten Verhältnis Kaufkraft zu bilden und zu absorbieren, d.h. im normalen Turnus Bezugs-Verzichte vorzunehmen und wieder aufzuheben; daß sie vielmehr in einem der Verkehrs-Tradition nicht entsprechenden Umfange Bezugs-Verzichte aufrecht erhalten und die aus den Verzichten entstandene Kaufkraft „thesauriert“ haben, statt sie an den Markt zu entsenden, auf dem sich infolgedessen ein Seltenheits-Wert der Kaufkraft und ein entsprechender Minderwert der Güter herausbilden mußte. Statt dessen machte man für die Knappheit an Kaufkraft fast stets Momente verantwortlich, die ausschließlich auf der Seite des Meß-Guts lagen, sei es das Moment der Minder-Produktion von Meß-Gut, sei es dasjenige der Abwanderung von Meß-Gut ins Ausland, so als Ursache ansehend, was in den meisten Fällen nur Wirkung und zugleich Korrektur war (vgl. Abschnitt 7). Dem so begründeten „Mangel“ an Meß-Gut und dem diesem Mangel angeblich entspringenden Seltenheits-Wert der Kaufkraft vermeinte man dadurch ein Ende machen zu können, daß man dem quantitativ anscheinend unzureichenden primären Meß-Gut ein anderes, sekundäres Meß-Gut nebenordnete, wodurch man die Gelegenheit zur Kaufkraft-Bildung (auf kreatorischem Wege) und zur zusätzlichen Nachfrage am Markte vermehrt zu haben glaubte, mit der Wirkung, daß das Verhältnis zwischen der Kaufkraft und den Gütern sich zu Gunsten der Güter verschob, die Marktpreise also stiegen. 

In der Tat trat der letztere Effekt regelmäßig ein. Indes war er niemals, wie man glaubte, der Ausdruck einer absolut vermehrten Kaufkraft, sondern lediglich derjenige einer Neuverteilung der vorhandenen Kaufkraft. Bis dahin hatte es für das einzelne Verkehrs-Mitglied keine andere Möglichkeit gegeben, sich in den Besitz von Kaufkraft zu setzen, als die beiden normalen Wege: entweder mittels Verzichts auf den unmittelbaren Bezug der einer eigenen Leistung entsprechenden Gegenleistung (Verzicht auf Direkt-Tausch) und Annahme eines äquivalenten Rechtsanspruchs auf späteren marktmäßigen Bezug (Ring-Tausch), d.h. Annahme bereits vorhandener, lediglich die besitzende Hand wechselnder Kaufkraft, womit sich das Verkehrs-Mitglied Kaufkraft auf zirkulatorischem Wege verschaffte; oder aber mittels Direkt-Tauschs der eigenen Leistung (bzw. der marktmäßig dagegen erworbenen, bereits vorhandenen Kaufkraft) gegen ein entsprechendes Quantum Meß-Guts, das dann in neue, bisher nicht existente Kaufkraft umgewandelt werden konnte, womit das Verkehrs-Mitglied sich Kaufkraft auf kreatorischem Wege verschaffte oder sich zu verschaffen jederzeit imstande war. In beiden Fällen war die Voraussetzung für die Beschaffung von Kaufkraft die Hingabe einer Eigen-Leistung, die vom Verkehr einer Kaufkraft-Menge von ganz bestimmter Potenz, nämlich von der Bezugskraft einer äquivalenten Menge Meß-Guts, gleichbewertet von den wurde, was bedeutete, daß die neue Eigen-Leistung – nach genau demselben Schwankungen der Marktlage abgesehen – Schlüssel bewertet wurde wie frühere Leistungen gleicher Art, oder daß, von der anderen Seite her betrachtet, die Kaufkraft den in ihr verkörperten Güter-Anspruch, von jenen Schwankungen abgesehen, unverändert bewahrte. Jetzt dagegen, bei Einführung eines zweiten, koordinierten Meß-Guts, hatte jedes Verkehrs-Mitglied, das gerade im Besitze dieses bisher nur als Ware, d.h. marktmäßig, verwertbaren Meß-Guts war, die weitere Möglichkeit, sich ohne eigene Leistung, lediglich durch Hingabe des neuen Meß-Guts, das Vorhandensein von Kaufkraft attestieren zu lassen. Es entstand so ein neuer Anspruch, ohne daß dessen Voraussetzung, ein vorheriger Verzicht, erfüllt gewesen wäre, eine zusätzliche Markt-Nachfrage, ohne daß der Markt zuvor mit dem Produkt einer äquivalenten Leistung angereichert worden wäre: mithin eine Preissteigerung, die zum Ausdruck brachte, daß jedes einzelne Partikel der vorhandenen Kaufkraft einen Teil des in ihm verkörperten Güter-Anspruchs, einen Teil seiner realen Bezugskraft am Markte eingebüßt hatte. Die mit dem zweiten Meß-Gut vermeintlich geschaffene Kaufkraft war mithin in Wirklichkeit gar keine neue sondern eine den Inhabern echter, d.h. aus Leistung entstandener Kaufkraft entzogene und auf andere. nicht leistende Inhaber übertragene Kaufkraft. 

Abgesehen davon, daß eine solche mechanisch geschaffene, die Bezugskraft der vorhandenen wirtschafts-organisch entstandenen Kaufkraft-Einheiten diminuierende Schein-Kaufkraft (die an sich keinen Anspruch verkörpert, sondern einen solchen usurpiert) der Hauptforderung des Verkehrs, nämlich der Wert-Konstanz) des einzelnen Kaufkraft-Partikels, widerspricht, hat die Einführung eines zweiten Meß-Guts neben dem von der Wirtschaft selbst gewählten originalen auch beträchtliche Störungen im inneren und äußeren Verkehr des betreffenden Landes zur Folge. Wie wir gesehen haben (vgl. S. 669), spielt der Verkehr zwischen den einzelnen Ländern sich mittels eines Direkt-Tauschs von Kaufkraft gegen Kaufkraft ab, wobei die absolute und relative Wert-Konstanz der Kaufkraft in jedem der beteiligten Länder durch den Ab- und Zufluß von Meß-Gut und die so bewirkte Ab- und Zunahme der umlaufenden Kaufkraft-Einheiten weitgehend gesichert wird. Die durch die Einführung eines zweiten Meß-Guts herbeigeführte, rein mechanische Ausweitung des Kaufkraft-Volumens (bei entsprechend sinkender Bezugskraft der einzelnen Kaufkraft-Einheit) macht diese Sicherung zwar an sich nicht unwirksam. Die Preissteigerung im Lande des Doppel-Meß-Guts übt vielmehr, ganz wie sie es im Lande des Einheits-Meß-Guts tun würde, eine Anziehungskraft auf die ausländischen Güter und Dienstleistungen aus; sie verursacht also eine steigende Nachfrage nach ausländischer Kaufkraft und somit, aus kalkulatorischen Gründen, eine Ausfuhr von Meß-Gut, die jene Ausweitung des Kaufkraft-Volumens und die ihr entspringende Preissteigerung zu korrigieren strebt. Aber es fließen nicht etwa die beiden konkurrierenden Meß-Güter zu gleichen Teilen aus, sondern zunächst nur Teile desjenigen Meß-Guts, das in der Mehrzahl der handelspolitisch verbundenen fremden Länder die Grundlage der Kaufkraft-Bemessung und -Beglaubigung bildet und daher imstande ist, hier neue Kaufkraft zu kreieren. Praktisch bedeutet dies, daß das Land des zweifachen Meß-Guts nach und nach einen großen Teil, wenn nicht die Totalität, des primären, auch anderwärts geltenden Meß-Guts einbüßt und nur das sekundäre, konkurrierende Meß-Gut im Lande behält. Erst wenn der Ausfuhr bereite Teil (oder die Totalität) des primären Meß-Guts erschöpft ist, beginnt auch das sekundäre Meß-Gut auszufließen; aber nicht in seiner Eigenschaft als Meß-Gut – die es ja im maßgebenden Ausland nicht besitzt –, sondern als Ware und unter entsprechender, stark schwankender Bewertung. Und da in dem Maße, in dem das Inland vom primären Meß-Gut entblößt ist, das sekundäre Meß-Gut hier zur vorwiegenden und schließlich alleinigen Grundlage der Kaufkraft wird, deren internationaler Marktwert sich alsdann nach ihm bestimmt, so schwanken mit dem sekundären Meß-Gut und im gleichen Rhythmus mit ihm schließlich die Kaufkraft und das Preisniveau im Inlande. Solange aber noch Ausfuhr-bereite Bestände an primärem Meß-Gut vorhanden sind, bildet sich zwischen diesem, verhältnismäßig konstanten, und dem sekundären, verhältnismäßig schwankenden Meß-Gut eine Bewertungs-Differenz („Agio bzw. „Disagio“) heraus, die zum Ausdruck bringt, daß trotz der offiziellen Geltung zweier Meß-Güter faktisch nur das eine, primäre und „internationalere“, vom Verkehr als Meß-Gut angesehen wird, das zweite, sekundäre und „nationalere“ dagegen als Ware mit schwankendem Marktwert. 

Die wirtschaftlichen Störungen, die sich hieraus ergeben, ferner der Verlust an Autorität, den der Staat dadurch erleidet, daß seiner Anordnung zuwider nur das eine, konstantere Meß-Gut als solches anerkannt, das andere dagegen als Ware angesehen wird, endlich der Druck auf die Landes-Kaufkraft, der sich daraus ergibt, daß weite Kreise sich den Vorteil zunutze machen, jene schwankende Ware in – wenn auch nicht absolut, so doch relativ konstante – Kaufkraft umwandeln zu können: alles das hat regelmäßig zur Folge, daß der Staat den Versuch macht, die Relation zwischen den beiden konkurrierenden Meß-Gütern zu fixieren, also Agio und Disagio zu beseitigen und damit den kalkulatorischen Anreiz zur Ausnutzung der Wertdifferenz in Fortfall zu bringen. Statt die beiden Meß-Güter frei neben einander bestehen und im Wertverhältnis zu einander pendeln zu lassen, was notwendig zu zwei Gattungen von Kaufkraft mit unterschiedlicher Bezugskraft führt („Parallel-Währung“), sucht der Staat die Meß-Güter dadurch in ein festes Wertverhältnis zu einander zu bringen, daß er sie gesetzlich austauschbar macht und einen Annahme-Zwang verhängt, der jedermann verpflichtet, das ihm jeweils angebotene Meß-Gut bzw. die darauf basierende Kaufkraft zu der fixierten Relation – z. B. Silber : Gold wie 1 : 15½ – anzunehmen („Doppel-Währung“). Eine von dieser gesetzlichen Relation abweichende Bewertung kann alsdann im Inlande nicht mehr aufkommen, da der Staat oder die von ihm bestimmte Instanz die beiden Meß-Güter und die ihnen entsprechenden Kaufkraft-Gattungen zu dem festgesetzten Schlüssel nimmt, gibt und austauscht. Auch im Auslande hat das Wert-Verhältnis zwischen den beiden verschieden fundierten Kaufkraft-Gattungen die Tendenz, sich zu stabilisieren, weil dauernd die Möglichkeit besteht, die etwa billiger angebotene Kaufkraft-Art im Lande ihrer Geltung in die andere, höher bewertete, umzutauschen. Da sich aber an der Tatsache, daß der Ausgleich unsaldierter Forderungen und Verpflichtungen und damit die Nivellierung der Kaufkraft-Potenz in den einzelnen Ländern sich vorzugsweise mit Hilfe desjenigen Meß-Guts vollzieht, das international den breitesten Geltungs-Radius besitzt, nichts ändert, so ist es auch bei fester Verkoppelung und Austauschbarkeit der beiden Meß-Güter („Doppelwährung“) unvermeidlich, daß bei jedem Überwiegen der Verpflichtungen des Landes mit doppeltem Meß-Gut das primäre, verbreitetere und wertfestere ausfließt, und daß umgekehrt bei jedem Überwiegen der Forderungen dieses Landes das sekundäre, weniger verbreitete und im Werte schwankende einfließt. Oder, was dasselbe ist, daß im ersteren Falle der Umtausch von Kaufkraft in das primäre Meß-Gut gefordert, im zweiten Falle dagegen sekundäres Meß-Gut zur Umwandlung in Kaufkraft präsentiert wird. Diese Tendenz hat aber unvermeidlich zur Folge, daß das Land mit doppeltem Meß-Gut sich eines Tages der Unmöglichkeit gegenübersieht, den gewährleisteten Austausch der beiden Meß-Güter aufrecht zu erhalten. Es bleibt ihm dann nur die Wahl, ob es den Austausch suspendieren (von der „Doppel-Währung zur „Parallel-Währung“ zurückkehren) und sich mit den Schwankungen seiner Kaufkraft, mit Agio und Disagio, abfinden will; oder ob es die Relation zwischen den beiden Meß-Gütern fortwährend, analog den Wert-Schwankungen des sekundären Guts, ändern will (z. B. Silber : Gold nicht mehr 1 : 15½, sondern 1 : 30 oder 1 : 40); oder ob es endlich die Ausfuhr des primären und die Einfuhr des sekundären Meß-Guts dadurch erschweren will, daß es bei deren Austausch, trotz grundsätzlich fester Relation, ein Aufgeld („Gold-Prämie“) auf das primäre Meß-Gut erhebt, hinreichend, um die internationale Unterbewertung des sekundären Meß-Guts auszugleichen. 

Das Bedürfnis der Wirtschaft nach einer Kaufkraft konstanten Werts hat in einem Lande zweier konkurrierender Meß-Güter immer die Wirkung, daß das eine Meß-Gut aus dem Verkehr verschwindet, die nationale Kaufkraft sich also faktisch auf das andere und somit auf ein einziges Meß-Gut gründet. Versucht der Staat, dieser natürlichen Tendenz zuwider ein zweites Meß-Gut in Geltung zu erhalten, so ist ihm dies auf die Dauer nur dann möglich, wenn er eine Prämien-Politik betreibt und sich mit Schwankungen der Kaufkraft abfindet; und auch unter dieser Voraussetzung nur dann, wenn er dem Verkehr bei der Kreation und Abolition von Kaufkraft freie Hand läßt, es also duldet, daß der Verkehr jeden Versuch, die Kaufkraft auf Kosten ihrer Potenz zahlenmäßig auszuweiten, durch Rückverwandlung von Kaufkraft in Meß-Gut und Wiederherstellung der ursprünglichen Kaufkraft-Menge vereitelt. Da eine künstliche Ausweitung der Kaufkraft aber gerade der Zweck ist, dem die Einführung eines zweiten Meß-Guts dienen soll, so ergibt sich, daß das Prinzip eines doppelten Meß-Guts sich mit dem Anspruch der Wirtschaft auf eine wertkonstante Kaufkraft nicht verträgt. 

9. Güter-Volumen und Kaufkraft-Volumen 

Volkswirtschaftlich von großer Bedeutung ist nicht nur, ob die in einem Lande vorhandene Kaufkraft mit zunehmendem Umfang der Güter-Produktion ebenfalls automatisch zunimmt, sondern auch, auf welchem Wege die automatische Zunahme vor sich geht. Erfolgt sie zirkulatorisch, im Wege einer Umlaufs-Beschleunigung der vorhandenen Kaufkraft-Einheiten, d.h. im Wege einer schnelleren Aufeinanderfolge der einzelnen Verkehrs-Akte, so bedeutet dies, daß jede Leistung von einer neuen Leistung gleichen Verkehrswerts abgelöst wird. Erfolgt die Zunahme der Kaufkraft dagegen auf dem zweiten der beiden möglichen Wege, nämlich kreatorisch, durch Vermehrung der umlaufenden Kaufkraft-Einheiten, so ist dies ein Zeichen, daß die neue Kaufkraft aus einer Leistung geringeren Verkehrswerts hervorgegangen ist. Das letztere ist immer dann der Fall, wenn das Meß-Gut (Kauri-Muschel, Vieh, Silber, Gold oder dergl.), zu dem die Kaufkraft in einem festbestimmten Wert- und Tausch-Verhältnis steht, gegenüber diesem festen Verhältnis an Verkehrswert verliert, so daß es vorteilhaft wird, es in höherwertige Kaufkraft umzuwandeln. Durch die mengenmäßigen Veränderungen, die diese Umwandlung (gegebenenfalls auch Rückverwandlung) sowohl auf der Seite des Meß-Guts wie auf derjenigen der Kaufkraft zur Folge hat, wird zwischen jenem und dieser immer wieder eine annähernde Wert-Gleichheit herbeigeführt und der Kaufkraft zugleich das höchste Maß von Wert-Konstanz gesichert, das praktisch erreichbar ist. 

Die Entstehung von Kaufkraft als solcher ist überall da, wo deren Bildung aus der Wirtschaft heraus erfolgt und der Staat Eingriffe in den Prozeß unterläßt, abhängig von den Entschließungen des einzelnen Verkehrs-Mitgliedes. Jedermann ist in der Lage, durch einen einfachen Verzicht, nämlich durch den Verzicht auf den sofortigen Empfang einer Gegenleistung von Seiten des Empfängers seiner eigenen Leistung, den Anspruch an diesen einzelnen Empfänger in einen Anspruch an die Gesamtheit umzuwandeln und so Kaufkraft zu bilden. Erst wenn der diesbezügliche Entschluß grundsätzlich gefaßt worden ist, entsteht die Frage, ob die Bildung der Kaufkraft im Einzelfalle auf zirkulatorischem oder auf kreatorischem Wege vor sich gehen soll. Offenbar müssen aber bei der Kaufkraft-Bildung als solcher, also unbeschadet der Form, in der sie sich vollzieht, noch andere Momente wirksam sein als das Belieben des einzelnen Verkehrs-Mitglieds, einen Verzicht auszusprechen oder nicht. Volkswirtschaftliche Vorgänge können die Entstehung neuer Kaufkraft unabhängig vom Belieben des einzelnen erforderlich machen. Es müssen also Gesetze wirksam sein, die dieses Belieben maßgeblich beeinflussen: die es in die Richtung der Kaufkraft-Bildung drängen, wenn die Umstände das Entstehen neuer Kaufkraft fordern, und es von dieser Richtung abdrängen, wenn das Gegenteil der Fall ist. Und tatsächlich ist die Entschließung der Verkehrs-Mitglieder nur innerhalb ganz enger Grenzen frei. Der Gesamt-Richtung nach steht sie, dem einzelnen unbewußt, unter dem zwingenden Diktat des jeweiligen Entwicklungs-Ganges der Wirtschaft. 

Um dies zu erkennen, ist es nötig, sich den Hergang des Wirtschaftens zu vergegenwärtigen, das, insoweit es sich nicht in der primitiven Form des Tauschs vollzieht, ein Produzieren für den Markt ist. Dieses Produzieren ist seinem Wesen nach nichts anderes als das Bemühen, aus einer Reihe von Urgütern und Urkräften, den sog. Produktions-Elementen, durch zweckmäßige Synthese ein Erzeugnis zu gewinnen, dem der Markt einen höheren Wert beilegt, als ihn die in dem Erzeugnis aufgehenden Elemente, einschließlich des Elements Arbeitskraft, zusammengenommen haben. Somit bedingt das Produzieren, vom Markte aus gesehen, zwei getrennte Vorgänge: eine Nachfrage nach den einzelnen dem Umwandlungs-Prozeß zu unterziehenden Elementen (Rohstoffe, Hilfsmaterialien, Arbeitskraft etc.), und ein Angebot des aus dem Prozeß hervorgehenden Erzeugnisses. Das Angebot erfolgt stets zu einem den Gesamt-Aufwand für die Elemente (die „Kosten“) übersteigenden Preise und wird auch der Regel nach zu diesem Mehrpreise akzeptiert. Wo das nicht geschieht, hat der Produktions-Prozeß seinen Zweck verfehlt. Er wird dann eingestellt, denn der Zweck jeglichen Produzierens für den Markt ist die Gewinnung eines Mehrwerts. Allgemeinwirtschaftlich bedeutet dieser Mehrwert eine Anreicherung des Sozialprodukts, privatwirtschaftlich die Erzielung eines Nutzens, der das Entgelt für die Anreicherung darstellt.

Diese Eigentümlichkeit des Produzierens für den Markt, daß es nämlich an die Voraussetzung geknüpft ist, einen Mehrwert erzeugen und für den Mehrwert einen Mehrpreis erlangen zu können, hat für den Markt selbst die bedeutsame Folge, daß an ihn fortlaufend eine Nachfrage zu niedrigen und ein Angebot zu hohen Preisen herantreten. Die Produzenten bieten, und zwar ohne Ausnahme, dem Markt für die Elemente des Produktions-Prozesses weniger, als sie später, nach Beendigung dieses Prozesses, für das aus ihm hervorgegangene Produkt vom Markte fordern und auch erhalten. Sie führen dem Markte also fortgesetzt weniger Kaufkraft zu (in Gestalt der Produktions-Kosten), als sic ihm entnehmen (in Gestalt des Fabrikat-Preises einschließlich ihres Nutzens). Das würde schon binnen ganz kurzer Zeit zu einer starken Verminderung der am Markte umlaufenden Kaufkraft, zu einem Mißverhältnis zwischen dieser und den Marktgütern und somit zu einem Überwert der Kaufkraft bzw. Unterwert (Preis-Rückgang) der Güter führen, wenn die Produzenten das ihnen zuwachsende Mehr an Kaufkraft, das ihren Nutzen darstellt, dem Markte entziehen würden; wozu sie an sich jederzeit in der Lage sind, indem sie vom üblichen „Ring-Tausch“ wie ihn der Markt-Verkehr darstellt, zum „Direkt-Tausch“ übergehen (durch Umwandlung des Kaufkraft-Mehr in Meß-Gut). 

Dem stellt sich aber eine ganze Reihe von Erschwernissen in den Weg: So die Verteuerung, die das Meß-Gut im Verhältnis zur knapper werdenden Kaufkraft erfährt; eine Verteuerung, die es für jeden Inhaber von Meß-Gut lohnend macht, einen Rücktausch desselben in Kaufkraft vorzunehmen und dadurch die Wirkung eines gegenteiligen Verhaltens der Produzenten aufzuheben. So die mit zunehmender Knappheit steigende Potenz der Kaufkraft, wahrnehmbar an den sinkenden Preisen der Güter, einschließlich der Kapital-Güter, die sehr bald die Kaufkraft an den Markt zurücklockt. So die Prämie, die bei beginnendem Einschrumpfen des am Markt vorhandenen Kaufkraft-Volumens für die Zuführung ergänzender Kaufkraft geboten wird („Zins“). Alle diese Faktoren bewirken, daß jeder Produzent – den Begriff im weitesten Sinne genomnen, also einschließlich jedes Verkehrs-Mitglieds, das dazu beiträgt, die marktmäßige Bewertung eines das Mehr an Kaufkraft, das er über Erzeugnisses zu erhöhen, – seine Kosten hinaus sub titulo „Nutzen“ aus. dem Markte nimmt, diesem der Regel nach unverzüglich wieder zuführt.

Wir stehen somit folgendem Sachverhalt gegenüber: Die Werte-schaffenden Verkehrs-Mitglieder fordern dem Markte fortgesetzt mehr Kaufkraft ab, als sie ihm zuführen, indem sie Anspruch auf eine „Nutzen“ genannte zusätzliche Menge Kaufkraft erheben. Der Markt kann dieser Forderung unter der Voraussetzung nachkommen, daß die Verkehrs-Mitglieder, die jenen Anspruch erheben, die erforderliche zusätzliche Kaufkraft selbst zur Verfügung stellen. Die Verkehrs-Mitglieder tun dies in der – Weise, daß sie in Höhe des „Nutzen“-Zuschlags, den sie als Verkäufer ihrer Erzeugnisse beanspruchen, gleichzeitig oder bald darauf als Käufer für beliebige Marktgüter auftreten, das heißt, daß sie in Höhe ihres eigenen Angebots auch eine Nachfrage auf dem Markt ausüben. Diese zusätzliche Nachfrage können sie aber ihrerseits wieder nur unter der Voraussetzung ausüben, daß der Markt bereit ist (oder vorher schon bereit gewesen ist), ihnen für ihre Erzeugnisse einen höheren Preis zu bewilligen, als dem Gesamt-Preise der Elemente (Rohstoff, Hilfsmaterial, Arbeitskraft etc.) entspricht, aus denen sich die Erzeugnisse zusammensetzen; mit anderen Worten nur dann, wenn der Markt anerkennt, daß durch die Synthese der Elemente (durch den Produktions-Prozeß) ein Mehrwert entstanden ist, den er zu bezahlen bereit ist, wenn die Empfänger in Höhe des Mehrwerts eine zusätzliche Nachfrage an den Markt entsenden. Diese zusätzliche Nachfrage ist der Markt zu befriedigen imstande, weil sich aus dem ununterbrochenen Produktions-Prozeß, den die Markt-Wirtschaft darstellt, immer wieder neue Mehrwerte bilden, entstehend aus der erfolgreichen Synthese der Produktions-Elemente: neue Mehrwerte, die jeder einzelne Empfänger eines alten, in vorhergehenden Produktions-Phasen gebildeten Mehrwerts (oder „Nutzens“) ebenso anzuerkennen bereit ist, wie der Markt seinen eigenen Nutzen-Anspruch anerkannt hat. Woraus sich der Lehrsatz ergibt: Die Kaufkraft, die erforderlich ist, um ein vergrößertes Güter-Volumen umzusetzen, ist identisch mit dem Mehrwert (volkswirtschaftlich) bzw. dem Nutzen (privatwirtschaftlich), der sich aus der Anreicherung des Sozial– Produkts durch die Werte-schaffenden Verkehrs-Mitglieder ergibt.

Hierzu eine Zwischen-Bemerkung: Lassen die Verkehrs-Mitglieder die zusätzliche Menge Kaufkraft, die ihnen unter dem Titel „Mehrwert“ oder „Nutzen zufließt, dem Markte gewohnheitsmäßig nicht sofort, sondern erst nach einem gewissen Zeitraum im Wege der Nachfrage wieder zugehen, so müssen sie, als Ganzes genommen, auch ihrerseits eine Zeitlang warten, ehe sie in den Genuß der ihnen bewilligten zusätzlichen Kaufkraft gelangen. Das heißt, sie müssen in diesem Falle dem Markte einen „Kredit“ einräumen, der die Spanne zwischen Abfluß und Rückfluß der Kaufkraft überbrückt. 

Das Verhältnis zwischen Güter-Volumen und Kaufkraft-Volumen wird nach dem Vorhergesagten von der Wirtschaft selbst dadurch im Gleichgewicht erhalten, daß jedes Plus, um das die erfolgreiche Erzeugung das Güter-Volumen vergrößert, zugleich ein entsprechendes Plus an Kaufkraft ist und als solches den Konsum der Mehr-Erzeugung ermöglicht. (Und umgekehrt dadurch, daß jedes Minus an Gütern, entstehend aus erfolgloser Erzeugung „Fehl-Produktion“ – zugleich ein entsprechendes Minus an Kaufkraft darstellt.) Ob das jeweilige Plus (oder Minus) sich äußerlich in die zirkulatorische Form, also in die Form einer Umlaufs-Beschleunigung (bzw. -Verlangsamung) kleidet, oder in die kreatorische Form einer numerischen Zunahme (bzw. Abnahme) der Kaufkraft-Einheiten, hängt hier wie bei jeder Veränderung des Kaufkraft-Volumens ganz von dem jeweiligen Bewertungs-Verhältnis zwischen Kaufkraft und Meß-Gut ab. Ist eine Umwandlung des letzteren in die erstere lohnend, so greift das kreatorische Verfahren Platz, anderenfalls das zirkulatorische. 

Wir kommen nunmehr zu dem Widerspruch, der scheinbar darin liegt, daß nach dem oben angeführten Lehrsatz die Kaufkraft sich laufend aus dem Mehrwert ergänzt, den der erfolgreiche Produktions-Vorgang dadurch entstehen läßt, daß er Elemente niederen Marktwerts zu Erzeugnissen höheren Marktwerts umwandelt; während wir früher gesehen haben, daß es im freien Belieben jedes einzelnen Verkehrs-Mitglieds steht, ob es einen Anspruch, den es an ein bestimmtes anderes Verkehrs-Mitglied hat, in einen Anspruch an die Gesamtheit umwandeln will oder nicht, d.h. ob es jeweils vorzieht, zu „tauschen“ oder „Kaufkraft zu bilden“. Dieser Widerspruch ist ein nur scheinbarer deshalb, weil das „freie Belieben“ des einzelnen Verkehrs-Mitglieds in Wirklichkeit gar nicht frei ist, sondern, wie wir gesehen haben, dem Einfluß einer Reihe volkswirtschaftlicher Gegebenheiten unterliegt; sodann aber, weil es von dem Gesetz der Kaufkraft-Bildung aus dem Güter-Mehrwert in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Ohne sich im Einzelfall Rechenschaft über die Motive abzugeben, sieht das Verkehrs-Mitglied immer dann vom Tausch ab, um neue Kaufkraft zu bilden, wenn es mit Hilfe dieser Kaufkraft dem Markte alle jene Elemente des Produktions-Prozesses entnehmen kann, aus denen sich ein Erzeugnis bilden läßt, für das der Markt ihm einen Mehrwert zu bewilligen bereit ist. Dasselbe Moment also (Mehrwert-Bildung), das automatisch Kaufkraft entstehen läßt, veranlaßt das einzelne Verkehrs-Mitglied, zu seinem Teil an diesem Prozesse mitzuwirken und ihn nicht etwa durch Abkehr vom Markt und Bevorzugung des Tauschs zu stören. Zu der entgegengesetzten, der Kaufkraft-Bildung abträglichen Handlungsweise wird sich das Verkehrs-Mitglied nur dann entschließen, wenn die Mehrwert-Bildung ungewöhnlich schwierig ist, d.h. die Umwandlung marktmäßig erworbener Produktions-Elemente in Fertig-Erzeugnisse sich häufig als Fehl-Produktion erweist. In diesem Falle fehlt aber auch jener Mehrwert, der volkswirtschaftlich einen Kaufkraft-Zuwachs bedingt, und die „freiwillige“ Abkehr des einzelnen Verkehrs-Mitglieds vom Markt, seine Weigerung, Kaufkraft zu bilden, ist in Wirklichkeit nur das Medium, mittels dessen das Wirtschafts-Gesetz sich durchsetzt, daß bei gleichbleibendem oder abnehmendem Sozial-Produkt auch das Kaufkraft-Volumen gleichbleibt oder abnimmt.

10. Aufhebung der Tausch -Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut

In den früheren Abschnitten unserer Untersuchung sind wir von der Voraussetzung ausgegangen, daß der aus bestimmten Verkehrs-Vorgängen automatisch entspringende Güter-Anspruch, die „Kaufkraft“, und das Verkehrs-Gut, an dem diese Kaufkraft herkömmlicherweise gemessen wird, das „Meß-Gut“, in unmittelbarer Tausch-Beziehung zu einander ständen; daß es also jedermann möglich wäre, nach freiem Belieben Meß-Gut in Kaufkraft umzuwandeln und so das Quantum vorhandener Kaufkraft auf kreatorischem Wege zu vergrößern, oder umgekehrt Kaufkraft in Meß-Gut rückzuverwandeln und so das Quantum vorhandener Kaufkraft auf abolitionistischem Wege zu verkleinern. 

Diese Tausch-Möglichkeit zwischen Kaufkraft und Meß-Gut kann durch autoritären Akt jederzeit unterbunden werden. Geschieht das, so werden Kaufkraft und Meß-Gut unabhängig von einander; sie gehen in Ansehung ihrer Bewertung, ihrer Relation zu den Marktgütern, dann jedes seinen eigenen Weg. Eine wesentliche Veränderung aber tritt bei keinem von ihnen ein. Das Meß-Gut behält, wenn außer der Aufhebung seiner Tausch-Beziehung zur Kaufkraft kein weiterer Eingriff erfolgt, nach wie vor seine Eigenschaft als wertbeständigstes aller Marktgüter, der es s. Zt. die Bestellung zum Meß-Gut zu verdanken gehabt hat; wenn es auch mit dem Wechsel von Angebot und Nachfrage jetzt in seiner Bewertung stärker schwankt, als es vordem der Fall war, als Tausch- und Rücktausch-Möglichkeit seinen Wert eng an denjenigen der Kaufkraft banden. Und die Kaufkraft leidet noch weniger darunter, daß diese Tausch- und Rücktausch-Möglichkeit jetzt fehlt. Ja, sie hat als solche, als absolute Kaufkraft, sogar den Vorteil, daß sie von den Schwankungen des Meß-Guts, die sie bis dahin aufgefangen, abgeschwächt und in diesem abgeschwächten Grade in sich aufgenommen hat, nunmehr befreit ist, ihre nominelle Relation zu den Gütern also unverändert bewahrt, auch wenn die Relation zwischen dem Meß-Gut und den Markt-Gütern sich ändert. 

Die Unterbrechung der Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut (konkreter: die Aufhebung der Ersetzungs-Möglichkeit einer Kaufkraft-Einheit durch eine bestimmte Menge Vieh, Leder, Arbeitsstunden, Gold, oder woraus immer das Meß-Gut bestehen mag,) würde somit keinen Nachteil, sondern eher einen Vorteil involvieren, wenn das Meß-Gut keine andere Aufgabe hätte als die, der Kaufkraft einmalig als Mittel der Wert-Bestimmung zu dienen; um es der Kaufkraft dann zu überlassen, den einmal fixierten Wert durch alle späteren Verkehrsakte hindurch aufrecht zu erhalten. Aber die Funktion des Meß-Guts in seiner Beziehung zur Kaufkraft erschöpft sich in dieser einmaligen Wertbestimmung nicht. Vielmehr übt das Meß-Gut gleichzeitig auch die Funktion eines Korrektivs aus, das die Kaufkraft daran hindert, den Gütern gegenüber in ein Wert-Verhältnis zu treten, das von demjenigen zwischen Gütern und Meß-Gut abweicht. Und diese zweite Funktion, die in dem Moment unterbunden wird, in dem die Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut zu existieren aufhört, ist von der allergrößten Bedeutung. 

Wir haben nämlich in einem früheren Abschnitt (dem fünften) gesehen, daß die absolute Kaufkraft, d.h. die Kaufkraft, die jeder mengenmäßigen Korrektur durch den Verkehrs-Willen entzogen ist, die Tendenz hat, ihren Verkehrswert, ihre Bezugskraft gegenüber den Gütern, fortgesetzt zu verändern. Ihr Verkehrswert steigt, sobald ihr ein verkleinertes, und fällt, sobald ihr ein vergrößertes Güter-Angebot entgegentritt; er steigl auch, sobald sie, die Kaufkraft, in mehr als gewöhnlichem Maße vom Markte ferngehalten, „thesauriert“ wird, und fällt, sobald umgekehrt mehr als die gewöhnliche Menge Kaufkraft an den Markt drängt (wechselnde Umlaufs-Geschwindigkeit der Kaufkraft), Diese Schwankungen im Verkehrswert der Kaufkraft, die der Forderung ihrer größtmöglichen Wertbeständigkeit widersprechen, werden durch das Meß-Gut automatisch korrigiert, solange man dem Verkehr gestattet, Kaufkraft durch Meß-Gut und Meß-Gut  durch Kaufkraft zu ersetzen; d.h. solange man dem einzelnen Verkehrs-Mitglied die Wahl läßt, bei einem beliebigen Akt der Kaufkraft-Beschaffung auf bereits umlaufende Kaufkraft zurückzugreifen (zirkulatorisches Verfahren), oder durch Umtausch von Meß-Gut in Kaufkraft solche neu entstehen zu lassen (kreatorisches Verfahren), oder endlich durch Rücktausch von Kaufkraft in Meß-Gut sich das letztere als das z. Zt. höherwertige zu verschaffen (abolitionistisches Verfahren). In diesem Falle der beliebigen Austauschbarkeit von Kaufkraft und Meß-Gut zu festem Tausch-Schlüssel wird jede Veränderung in der Potenz der Kaufkraft durch eine entsprechende Veränderung ihres Volumens korrigiert. „Die größtmögliche Konstanz der Kaufkraft ist also da gewährleistet, wo zur automatischen Erneuerung auf zirkulatorischem Wege die Möglichkeit der gleichfalls automatischen Volumens-Änderung auf kreatorischem (bzw. abolitionistischem) Wege hinzutritt. 

Dieses höchst wertvolle Korrektiv gegen Kaufkraft-Schwankungen, die sich aus Veränderungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage (veränderte Marktlage) ergeben, oder die die Folge eines ungewöhnlichen Fernbleibens der Kaufkraft vom Markte bzw. ihres ungewöhnlichen Andrangs zum Markte sind (veränderte Umlaufs-Geschwindigkeit), kommt in Fortfall, sobald das Austausch-Verhältnis zwischen Kaufkraft und Meß-Gut aufgehoben wird, auch wenn sonst kein autoritärer Akt etwas an den beiden Größen ändert. Die Haupt-Bedingung, die der Verkehr an die Kaufkraft stellt, nämlich die, das in ihr fortlebende Güter-Bezugsrecht so intakt zu erhalten wie nur irgend möglich, kann von der Kaufkraft nicht mehr erfüllt werden, wenn die Tausch-Beziehung zwischen ihr und dem Meß-Gut fehlt und damit die Gewißheit, daß Änderungen in ihrer Bezugskraft sich durch Änderungen ihres Volumens automatisch korrigieren. Nehmen infolge des Fehlens dieses Korrektivs die Wert-Schwankungen der Kaufkraft den Gütern gegenüber größere Dimensionen an, so kann es leicht dahin kommen, daß ein Teil der Verkehrs-Teilnehmer die Kaufkraft flieht, d.h. vom Markt-Verkehr mit seinem „Ring-Tausch“ zum „Direkt-Tausch“ übergeht. Die Kaufkraft wird dann auf einzelnen Verkehrs-Gebieten außer Funktion gesetzt, was in hohem Grade geeignet ist, ihre Wert-Konstanz weiter zu beeinträchtigen. 

Diese Wert-Schwankungen der Kaufkraft gegenüber den Gütern sind aber noch keineswegs die wichtigste Folge, die sich aus der Aufhebung der Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut ergibt. Neben diesen Schwankungen, die sich in relativ kurzen (wenn auch zuweilen recht stürmischen) Wellen vollziehen und sich selbst immer wieder korrigieren, kommt es, sobald jene Tausch-Beziehung gelöst ist, in Ländern mit aufstrebender Wirtschaft notwendig noch zu einer anders gearteten, in ihrer Endwirkung meist verhängnisvollen Änderung der Kaufkraft-Potenz, und zwar einer Änderung, die sich in langen Wellen und ohne Selbstkorrektur vollzieht. Bei steigendem Verkehrs-Volumen kann die Kaufkraft sich jetzt nämlich nicht mehr wie vorher bei bestehender Tausch-Beziehung – sowohl zirkulatorisch wie kreatorisch, also zweifach, ausdehnen, sondern nur noch zirkulatorisch, also einfach. Das heißt, sie kann zwar nach wie vor ihre Umlaufs-Geschwindigkeit automatisch erhöhen, nicht mehr jedoch ihr Volumen. Der Steigerung ihrer Umlaufs-Geschwindigkeit sind aber Grenzen gesetzt, und zwar sowohl absolute wie praktische, d.h. ohne Gefahr nicht überschreitbare. Infolgedessen muß es allmählich zu einem Mißverhältnis kommen zwischen dem Verkehrs-Volumen, das sich normalerweise zu vergrößern, ja mit der Zeit zu potenzieren strebt, und dem Kaufkraft-Volumen, das sich nur noch in einer Dimension, und auch in dieser nur beschränkt, ausdehnen kann. Die durch technische, merkantile und organisatorische Fortschritte und nicht zuletzt durch das natürliche Wachstum der Bevölkerung ausgeweitete und angereicherte Wirtschaft – von der wir im 9. Abschnitt gesehen haben, daß sie bei aufrecht erhaltener Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut die für ihre Finanzierung erforderliche Kaufkraft auf bestimmte Weise selbst zur Entstehung bringt, – büßt diese ihre Fähigkeit, automatisch neue Kaufkraft zu erzeugen, zu einem großen Teil ein, sobald die Tausch-Beziehung und damit die Möglichkeit der Kaufkraft-Bildung auf kreatorischem Wege in Fortfall kommen. Einem steigenden Umsatz-Volumen steht dann ein nicht mehr in gleicher Proportion ansteigendes Kaufkraft-Volumen gegenüber. 

Dieses Mißverhältnis zwischen einem absolut zunehmenden Verkehr und einem relativ konstanten Gesamt-Quantum an Kaufkraft führt notwendig dazu, daß bei der Aufeinanderfolge der Verkehrs-Akte am Gütermarkt nicht mehr jede Leistung von einer neuen Leistung gleichen oder höheren Verkehrswerts abgelöst wird, sondern, daß die verstärkt an den Markt drängenden neuen Leistungen, die hier auf ein relativ konstantes Kaufkraft-Volumen treffen, sich diesem Volumen anpassen, d.h. sich zu einem niedrigeren Verkehrswert (sinkenden Preisen) anbieten müssen. Hochwertige Leistungen, in denen sich die neuesten Errungenschaften der Wirtschaft und Technik verkörpern, und die daher von Rechts wegen Anspruch auf ein höheres Maß von Kaufkraft haben als die verhältnismäßig minderwertigen Leistungen vorangegangener Wirtschafts-Perioden. müssen, in ihrer Totalität gesehen, diesen Anspruch aufgeben und sich mit einem geringeren Quantum Kaufkraft, d.h. mit dem Bezugsrecht auf mindere Gegenleistungen, begnügen. Für die jeweiligen Inhaber von Kaufkraft oder von auf solche lautenden Forderungen ist dieser Zustand sehr vorteilhaft, weil sich in ihrer Kaufkraft bzw. ihren Forderungen ein zunehmender, im Laufe der Zeit sogar ganz beträchtlich zunehmender, Güter-Mehranspruch verkörpert. Für das Wirtschafts-Ganze aber, für das die Verschiebung in der Relation zwischen Leistung und Kaufkraft in einer ständig sinkenden Preis-Tendenz zum Ausdruck kommt, und für das es infolgedessen immer schwieriger wird, den Mehrwert oder Nutzen entstehen zu lassen, der identisch mit neuer Kaufkraft ist, bedeutet die durch die Aufhebung der Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut entstandene Lage einen außerordentlichen und dauernden Nachteil. Die permanente – absolute oder relative – Notlage, die sich so aus dem Mißverhältnis zwischen zunehmendem Verkehrs-Volumen und nicht entsprechend zunehmendem Kaufkraft-Volumen ergibt, hat in der Praxis fast stets die unheilvolle Folge, daß der Staat das Mißverhältnis gewaltsam zu beseitigen strebt, indem er die Kaufkraft, die sich infolge der Aufhebung der Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut nicht mehr in zureichendem Maße bilden kann, unter Umgehung des Verkehrs auf autoritärem, staatspolitischem Wege, also künstlich, zu bilden versucht. Ein Versuch, der ihm, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, niemals glückt.

11. Unmöglichkeit autoritativer Kaufkraft-Schöpfung 

Ist in einem Lande die Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut unterbunden, so daß der Verkehr nicht mehr in der Lage ist, Kaufkraft im kreatorischen Verfahren entstehen oder im abolitionistischen Verfahren untergehen zu lassen, und fällt damit die Möglichkeit einer mengenmäßigen Vergrößerung und die allein Verkleinerung des Kaufkraft-Volumens fort – die Wert-Konstanz der Kaufkraft zu sichern vermag –, so daß es zu jenen kurz- und langwelligen Schwankungen der Kaufkraft-Potenz kommt, von denen im vorigen Abschnitt die Rede gewesen ist: so unterliegt die Regierung des Landes leicht der Versuchung, den starken Preis-Veränderungen, in denen jene Schwankungen sich sinnfällig äußern, dadurch zu begegnen, daß sie die Korrektur des Kaufkraft-Volumens, die sich organisch, aus der Verkehrs-Automatik heraus, nicht mehr vollziehen kann, auf autoritärem, staatspolitischem Wege zu erzwingen unternimmt. Besonders stark ist diese Versuchung immer dann, wenn die Potenz bzw. die Preise in der Kaufkraft in einem Maße zunimmt – einem Maße sinken –, daß bei allen denen, die den Zusammenhang nicht erkennen, der Eindruck entsteht, es habe sich zwischen der vorhandenen Kaufkraft-Menge und dem Kaufkraft-„Bedarf“ der Wirtschaft ein krasses Mißverhältnis herausgebildet. In diesem Falle denkt die Staatsregierung nur sehr selten daran, die Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut und damit die automatische Mengen-Regelung der Kaufkraft wieder herzustellen. In der Regel unternimmt sie vielmehr den Versuch, der vermeintlichen „Knappheit“ der Kaufkraft dadurch abzuhelfen, daß sie die Entstehung zusätzlicher Kaufkraft attestiert und die Atteste in den Verkehr bringt, obwohl die Voraussetzung der Entstehung nicht erfüllt ist. Denn ein Verzicht von Verkehrs-Mitgliedern auf die einer eigenen Leistung entsprechende Gegenleistung, der einen „Kaufkraft“ genannten Anspruch an den Markt konstituiert und der Behörde Anlaß gegeben hätte, das rechtmäßige Entstehen dieses Anspruchs zu attestieren, ein solcher Verzicht hat hier nicht stattgefunden. 

Die Kaufkraft, welche der Staat auf diese Weise autoritativ bildet bzw. bilden will, und zwar unter Anwendung des kreatorischen Verfahrens, unterscheidet sich also von vornherein wesentlich von der verkehrsorganisch entstandenen Kaufkraft. Weder stellt sie, wie letztere, einen legitimen Güter-Anspruch dar, der dadurch existent geworden ist, daß irgendwann in der Vergangenheit das aus einer Leistung entstandene Recht zum unmittelbaren Bezuge einer Gegenleistung nicht (im Wege des „Direkt-Tauschs“) ausgeübt, sondern konserviert und in einen (im „Ring-Tausch“ geltend zu machenden) Anspruch an die Allgemeinheit umgewandelt wurde. Noch ist hier, obwohl technisch das kreatorische Verfahren angewendet worden bzw. anzuwenden versucht worden ist, die unerläßliche Voraussetzung dieses Verfahrens beobachtet worden, da man es unterlassen hat, bei der Kreation der neuen Kaufkraft ein ihr entsprechendes Quantum Meß -Gut ordnungsmäßig in Tausch zu nehmen. Da aber nur unter den genannten beiden Bedingungen vollgültige Kaufkraft entstehen kann, so ist die Kaufkraft, die der Staat, unter Außerachtlassung der beiden Bedingungen, durch einen Machtspruch zu erzeugen versucht, keine echte, originale Kaufkraft, sondern die Nachahmung einer solchen, und zwar eine sehr unvollkommene Nachahmung.

Unvollkommen ist die Nachahmung der originalen, verkehrsorganisch entstandenen Kaufkraft durch eine auf Staatsbefehl entstandene Kaufkraft deshalb, weil der auf diesem Wege, also autoritativ, entstandenen die wichtigste Eigenschaft der Kaufkraft fehlt: die Intaktheit, die Wert-Stabilität des durch die Kaufkraft gewährleisteten Güter-Bezugsrechts. Diese Stabilität fehlt der autoritativ entstandenen Kaufkraft nicht nur in dem Grade, in dem sie auch der organischen Kaufkraft immer dann abgeht, wenn die Tausch-Beziehung zwischen ihr und dem Meß-Gut unterbrochen ist, also im Sinne eines dauernden Oszillierens um den ursprünglichen, normalen, dem gesetzlichen oder traditionellen Verhältnis zum Meß-Gut entsprechenden Wert (um die „Parität). Vielmehr fehlt die Stabilität hier außerdem noch in einem zweiten, bedenklicheren Sinne, nämlich im Sinne einer dauernden Unterwertigkeit der Kaufkraft gegenüber ihrem gesetzlichen oder traditionellen Wert; eine Unterwertigkeit, in die nicht nur der autoritativ entstandene Teil der im Verkehr umlaufenden Kaufkraft gerät, sondern in die auch der wirtschaftsorganisch entstandene Teil unvermeidlich hineingezogen wird, so daß das Totale der vorhandenen Kaufkraft einen Teil seiner Potenz einbüßt.

Diese Einbuße ist absolut gesetzmäßig, im Wesen der Kaufkraft selbst begründet und daher auf keine Weise abzuwenden. Um die Gesetzmäßigkeit zu erkennen, muß man sich auch hier wieder erinnern, was die Kaufkraft ist, und wie sie im Rahmen des Verkehrs wirkt. Es muß also nochmals (und immer von neuem) wiederholt werden: Die Kaufkraft ist ein Güter-Anspruch, dadurch entstanden, daß ein Verkehrs-Mitglied etwas geleistet, auf das unmittelbare Entgelt, die individuelle Gegenleistung, aber verzichtet hat, um sein Anrecht auf eine Gegenleistung auszuüben wann, wo und in welcher Form es ihm beliebt. Das Anrecht wird dadurch objektiviert, in einen Güter-Anspruch an den Markt umgewandelt, und stellt nunmehr Kaufkraft dar. Die Voraussetzung der Umwandlung ist, daß der so entstehende Güter-Anspruch das denkbar höchste Maß an Wertbeständigkeit besitzt, so daß das Verkehrs-Mitglied durch seinen Verzicht auf eine Gegenleistung per sofort zugunsten einer Gegenleistung in unbestimmter Zukunft nicht zu Schaden kommt. Diese Wertbeständigkeit wird gewährleistet durch zwei Momente, ein technisches und ein wirtschaftsorganisches. Das technische Moment besteht in einem Akt der Messung: Die Kaufkraft-Partikel werden – kraft Überlieferung oder kraft Gesetz – einem bestimmten Quantum desjenigen Gutes gleichgesetzt, das auf Grund langer Erfahrung als das wertbeständigste aller Markt-Güter ermittelt worden ist; die Gleichwertigkeit wird aufrecht erhalten durch ein Tausch-Verhältnis zwischen diesem Gute, dem „Meß-Gut“, und dem entsprechenden Kaufkraft-Partikel, so daß dieses beliebig in jenes umgewandelt werden kann und umgekehrt. Das wirtschaftsorganische Moment hängt mit der besonderen Genetik der Kaufkraft aus dem marktmäßigen Güter-Verkehr zusammen, wie sie hier im 9. Abschnitt dargestellt worden ist), eine Genetik, die zur Folge hat, daß jedem Wachstum des Güter-Volumens ein entsprechendes Plus an Kaufkraft gegenübersteht, so daß die einmal gegebene Relation zwischen Gütern und Kaufkraft (die Potenz der Kaufkraft) durch kein Überwiegen auf der einen und Zurückbleiben auf der anderen Seite erschüttert wird. 

Diese Konstanz des Verhältnisses zwischen den Gütern und den Bezugsrechten auf die Güler erleidet notwendig in dem Moment eine Störung, in dem auf Staatsbefehl eine Kaufkraft auf dem Markt erscheint, die nicht der Automatik des Verkehrs entsprungen ist. Während bei der wirtschaftsgenetisch entstandenen Kaufkraft – dank deren doppeltem Ursprung aus einem Güler-Plus und einem Bezugs-Verzicht, der bewirkt, daß das Plus nicht absorbiert, sondern dem Markte zugeleitet wird, – Güter-Versorgung und Kaufkraft-Umlauf einander parallel zu- oder abnehmen, so daß die Relation zwischen Kaufkraft (Nachfrage) und Gütern (Angebot) die alte bleibt, erfolgt bei der autoritativen Kaufkraft-Schöpfung eine einseitige Zunahme der Kaufkraft, also der Nachfrage, ohne gleichzeitige Zunahme der Güter, d.h. des Angebots. Im ersten Falle entspricht jedem vorhandenen Kaufkraft-Partikel, gleichviel ob das in ihm verkörperte Bezugsrecht sofort oder erst in der Zukunft ausgeübt wird, eine bestimmte Gütermenge, ein konkreter Anteil am marktmäßig zu verwertenden Sozial-Produkt; es ist für jedes dieser Partikel ein Güterquantum sozusagen in Reserve gestellt, das genau dem einstweiligen Verzicht auf Gegenleistung entspricht, dem jenes Kaufkraft-Partikel seine Entstehung verdankt. Dagegen steht im zweiten Falle, dem der Kaufkraft-Schöpfung auf Staatsbefehl, der neu entstandenen Kaufkraft kein konkreter Anteil am Sozial-Produkt gegenüber; es ist kein entsprechendes Güter-Quantum für sie in Reserve gestellt. Die Folge ist, daß sie, die autoritativ entstandene Kaufkraft, den ihr staatlich verliehenen Güter-Anspruch im Wettbewerb mit der organisch entstandenen Kaufkraft geltend machen, sich mit ihr in das relativ unzureichende Sozial-Produkt teilen muß. 

Würde der Wirtschafts-Verkehr zwischen der organischen, vom Staat lediglich dokumentierten, und der autoritativen, vom Staate geschaffenen Kaufkraft unterscheiden können und dürfen, so würde sich im Wettbewerb zwischen den beiden Kaufkraft-Arten sehr bald eine Überlegenheit der ersteren über die zweite ergeben; die organische Kaufkraft würde dank ihres Güter -gedeckten Anspruchs bevorzugt, die autoritative, nicht gedeckte Kaufkraft mit Mißtrauen betrachtet oder gar zurückgewiesen werden. Da der Staat aber regelmäßig Sorge dafür trägt, daß der sachliche Unterschied zwischen den beiden Kaufkraft-Arten äußerlich nicht erkennbar wird, sondern daß diese als homogene Teile eines Gesamt-Umlaufs mit völlig gleichem Güter-Anspruch erscheinen, so hat die Ausgabe autoritativer Kaufkraft bzw. deren (unerkanntes) Eindringen in das vorhandene Kaufkraft-Volumen die Folge, daß sich auf dem Markte eine größere Gesamt-Nachfrage geltend macht, als es dem Verhältnis zwischen der wirtschaftsorganisch entstandenen Kaufkraft und dem Gesamt-Volumen an Gütern entspricht; daß die Güter als Ganzes daher marktmäßig einen Mehrwert gegenüber der Kaufkraft als Ganzem erlangen, was sich äußerlich in einem Steigen der Preise kundgibt; daß mithin nicht nur der autoritative Teil der Kaufkraft seine gesetzliche oder traditionelle Gleichwertigkeit mit dem Meß-Gut verliert dessen Marktwert jetzt über die „Parität“ steigt –, sondern daß dasselbe auch für den anderen, organischen, „echten“ Teil der Kaufkraft gilt, die einen Teil ihrer Potenz verliert, obwohl diese ihr durch das für sie „reservierte“ Güter-Volumen garantiert sein sollte. 

Wir stehen also vor folgendem Tatbestand: Der Staat hat, als er kraft seiner Machtbefugnis Güter-Bezugsrechte in Umlauf setzte, dies in der Absicht getan, das absolute Kaufkraft-Volumen im Lande zu erhöhen. Es stellt sich aber heraus, daß in dem Maße, wie diese autoritativ entstandenen Güter-Bezugsrechte in den Verkehr eindringen, die Potenz der gesamten, auch der organisch entstandenen, Bezugsrechte sich vermindert; so daß zwar die Anzahl der Kaufkraft-Partikel sich vergrößert, der Effektiv-Umfang der Kaufkraft aber nicht zugenommen hat. Das bedeutet, daß dem Staate etwas ganz anderes gelungen ist, als er beabsichtigt hat: Statt, wie er wolle, neue Kaufkraft entstehen zu lassen und die Wirtschaft „kaufkräftiger“ zu machen, ist es ihm lediglich geglückt, das vorhandene Kaufkraft-Volumen neu aufzuteilen, indem er die alte, organisch entstandene Kaufkraft zwang, einen Teil ihres Güter -Bezugsrechts an die neue, autoritativ entstandene Kaufkraft abzutreten. Was diese letztere an Kauf-Potenz besitzt, ist ihr nicht etwa durch einen kreatorischen Akt des Staats verliehen, sondern durch Teil-Enteignung der alten Kaufkraft zugewendet worden. In Form eines Lehrsatzes: Der Staat ist ohne Mitwirkung der Wirtschaft nicht imstande, neue Kaufkraft zu erzeugen; er ist lediglich imstande, bereits vorhandene Kaufkraft auf eine größere Zahl von Einheiten zu verteilen. 

12. Relative und absolute (Index-mäßig gesicherte) Wertbeständigkeit der Kaufkraft 

Die wichtigste Bestimmung der Kaufkraft ist, den in ihr ausgedrückten Güter-Anspruch über lange Zeiträume hinweg intakt zu erhalten, also wertbeständig zu sein. Diese ihre ideelle Bestimmung vermag die Kaufkraft aber praktisch nur bis zu einem gewissen Grade zu erfüllen, weil sie im Abhängigkeits-Verhältnis zu drei Momenten steht, denen die Eigenschaft der Beständigkeit abgeht. Einmal entstanden ist nämlich die Kaufkraft, wie wir früher gesehen haben, erstens abhängig vom Willen der Verkehrs-Teilnehmer, sie auszuüben und in Umlauf zu setzen, oder sie nicht auszuüben, sondern ruhen zu lassen. Sie ist, wie wir gesehen haben, ferner abhängig vom mengenmäßigen Verhältnis zwischen ihr und dem Güter-Angebot, das in zweifacher Weise wechselt: einmal in kurzen Wellen, mit jedem einzelnen Verkehrs-Vorgang, eine Folge des Umstandes, daß die Kaufkraft nichts Perennierendes ist, sondern mit jedem Akt der Ausübung zugleich untergeht und neu entsteht; sodann in langen Wellen, über Jahre und Jahrzehnte gesehen, weil der menschliche Fortschritt (bzw. Rückschritt) der Kaufkraft ein nach Größe und Zusammensetzung verändertes Güter-Volumen gegenübertreten läßt. Und sie ist, wie wir gesehen haben, drittens abhängig von dem wechselnden Verkehrswert des Meß-Guts, zu dem sie in einem Äquivalenz- und Tausch-Verhältnis steht. Infolge dieser ihrer dreifachen Abhängigkeit kann die Kaufkraft dem idealen Anspruch der absoluten Wertbeständigkeit niemals voll genügen. 

Wir haben aber ferner gesehen, daß die Wert-Schwankungen, denen die Kaufkraft, weil dreifach abhängig, nun einmal notwendig unterliegt, durch automalische Sicherungen so weitgehend korrigiert werden, daß sich praktisch eine relative Wertbeständigkeit ergibt, die den Anforderungen des Verkehrs vollkommen genügt. Und zwar werden die Wert-Schwankungen korrigiert: Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Kaufkraft und der Willkür der Verkehrs-Teilnehmer, die sie beliebig ausüben oder ruhen lassen können, durch den Zins. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Kaufkraft und Güter-Angebot durch den Nutzen. Endlich hinsichtlich der Abhängigkeit der Kaufkraft vom schwankenden Verkehrswert des Meß-Guts durch die wechselseitige Austauschbarkeit von Meß-Gut und Kaufkraft. Diese letztere Korrektur ist die wichtigste und zugleich prompteste, weil bei ihr drei korrigierende Momente zusammenwirken: die Milderung der Wert-Schwankungen des Meß-Guts durch dessen Umwandlung in Kaufkraft (kreatorisches Verfahren) bzw. durch Rückverwandlung von Kaufkraft in Meß-Gut (abolitionistisches Verfahren); die fernere Milderung dieser Schwankungen durch die automatische territoriale Verteilung des Meß-Guts über die Länder; endlich die weitgehende Neutralisierung etwaiger stoßweise erfolgender Quantitäts-Änderungen des Meß-Guts durch die Bildung und Auflösung von Reserven (hoards) und durch die Zu- und Abnahme der gewerblichen Verwendung. Keiner Korrektur, zum mindesten keiner automatischen, unterliegen lediglich diejenigen Wert-Veränderungen der Kaufkraft, die sich langfristig aus dem Wirken des menschlichen Fortschritts (bzw. Rückschritts) ergeben. Aber das Zusammenwirken der übrigen Korrektive reicht erfahrungsgemäß vollständig aus, um der Kaufkraft eine relative Wertbeständigkeit zu sichern, die dem praktischen Verkehrs-Bedürfnis vollkommen genügt. 

Auch der Staats-Pragmatik pflegt diese relative Wertbeständigkeit zu genügen, denn zu größeren Wert-Schwankungen der Kaufkraft kann es, solange die automatische Wirksamkeit der Korrektive nicht gewaltsam unterbunden wird, nur in einem einzigen Falle kommen: nämlich im Falle einer derartigen Erschöpfung oder einer derart starken und plötzlichen Zunahme der Vorräte an Meß-Gut, daß die hier in Aktion tretenden drei korrigierenden Momente (Kaufkraft-Kreation bzw. -Abolition, territoriale Verteilung, Reserven-Bildung bzw. -Auflösung) nicht ausreichen, um die Kaufkraft hinreichend immun zu machen. In diesem einzigen Falle, der nur im Verlauf vieler Jahrhunderte einmal einzutreten pflegt, hilft sich der Verkehr, indem er von dem ungeeignet gewordenen Meß-Gut zu einem geeigneteren übergeht; z.B. vom Getreide oder Vieh zum Kupfer, vom Kupfer zum Silber, vom Silber zum Gold, vom Golde vielleicht zum Platin. In jedem anderen Falle einer stärkeren Wert-Schwankung der Kaufkraft ist diese Schwankung nur die Folge davon und der Beweis dafür, daß das eine oder andere der die Wertbeständigkeit sichernden Korrektive willkürlich außer Funktion gesetzt worden ist; daß man also beispielsweise die Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut gelöst oder einen Versuch autoritärer Kaufkraft-Schöpfung unternommen hat. In solchen Fällen pflegt aber die Staats-Pragmatik die Ursache der Kaufkraft-Schwankung nicht in den willkürlichen Eingriffen in die Automatik der Kaufkraft-Bildung, sondern in Mängeln der Kaufkraft selbst zu erblicken und experimentell den Versuch zu unternehmen, die vermeintlich unzureichende relative Wertbeständigkeit der Kaufkraft durch eine absolute zu ersetzen. 

Den Leitfaden bei diesen Versuchen liefert in der Regel die naheliegende Erwägung, der Wert (Gehalt, Potenz) der Kaufkraft müsse sich auf andere, zweckmäßigere Weise ermitteln und befestigen lassen als durch Messung an einer bestimmten Marktware, die durch eben diese Messung die Qualifikation als „Meß-Gut“ erhält, und durch Herstellung einer Tausch-Beziehung zwischen der Kaufkraft und dieser Marktware. Denn trotz aller vorhandenen automatischen Sicherungen müsse die Kaufkraft die – großen oder geringen – Wert-Schwankungen der Marktware mitmachen, also periodisch Veränderungen ihres Eigenwerts erleiden. Diese Veränderungen ließen sich ohne weiteres ausschalten, wenn man die Kaufkraft nicht mehr an einem Marktgute messe, dessen Wert-Beziehung zu den übrigen Gütern notwendig schwanke, sondern an einem tertium comparationis konstanten Eigenwerts. Die häufig vorgeschlagene Bindung der Kaufkraft an ein immaterielles Gut, etwa an eine bestimmte Normal-Leistung oder an das rein zeitliche Moment „Arbeitsstunde“ sei zu diesem Zwecke ungeeignet, denn auch die physische Leistung und die abstrakte Arbeitszeit seien Wert-Veränderungen unterworfen, die sich der an ihnen gemessenen Kaufkraft mitteilen würden. Man müsse daher versuchen, in der Welt der Wert-veränderlichen Güter den „archimedischen Punkt“ zu finden, d.h. den Wert-konstanten Faktor, den man nur zum Range eines Meß-Guts für die Kaufkraft zu erheben brauche, um diese ebenfalls Wert-konstant zu machen. 

Diesen archimedischen Punkt glaubt eine bestimmte ökonomische Theorie heute gefunden zu haben. Sie ist dabei von der Überlegung ausgegangen, daß die Wert-Schwankungen der Kaufkraft sich in einer Veränderung ihres Austausch-Verhältnisses zu der Vielzahl der Güter (mit alleiniger Ausnahme des Meß-Guts) äußerten, und daß sich das Ausmaß dieser Veränderung exakt bestimmen lasse, wenn man für das Tausch-Verhältnis zwischen Kaufkraft und Gütern, das sich in den Preisen der letzteren ausdrückt, einen „gewogenen Durchschnitt“ errechne. Es ergebe sich dann, daß die Kaufkraft zu den Gütern bald im Wert-Verhältnis von 110 oder 120, bald in einem solchen von 90 oder 80 stehe, sich also bald über, bald unter das Normal-Verhältnis von 100 stelle, in dem Kaufkraft und Meß-Gut nach dem Willen des Verkehrs zu den Marktgütern stehen sollten. Und man folgerte hieraus: Das Problem der Wertbeständigkeit der Kaufkraft ist gelöst, sobald man diese nicht mehr an ein Meß-Gut mit schwankendem Eigenwert, sondern an den gewogenen Preis-Durchschnitt der Güter-Totalität (und damit sozusagen an sich selbst) bindet; d.h. praktisch, indem man ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Kaufkraft und den Gütern, also einen bestimmten Preis-Durchschnitt, mit der Kennziffer „100“ benennt und die Kaufkraft daran hindert, sich von dieser Kennziffer und dem in ihr ausgedrückten Normal-Verhältnis zu entfernen. Die etwaige Tendenz der Kaufkraft, sich von dem fixierten Verhältnis nach oben oder unten loszulösen, läßt sich an der fortlaufend statistisch zu ermittelnden Relation zwischen ihr und dem Güter-Durchschnitt leicht erkennen. Steigt diese Relation – der Durchschnitts-Preis – über 100, so hat die Kaufkraft eine Entwertung erfahren, fällt sie unter 100, so hat sie einen Überwert erhalten. Man braucht alsdann die Kaufkraft nur auf ihren Normalstand von 100 zurückzuzwingen – was technisch im Wege der Vermehrung oder Verminderung der umlaufenden Kaufkraft-Menge durchaus möglich ist –, und die ideale Forderung einer absolut wertbeständigen Kaufkraft ist erfüllt. 

Scheinbar ist das in der Tat der Fall. Der Marktwert der Güter kann, nachdem das Gewicht (Wert, Potenz) der Kaufkraft an eine bestimmte Relation zwischen ihr und dem Güter-Durchschnitt gebunden ist, nur noch im Verhältnis von Gut zu Gut schwanken, nicht mehr gegenüber der fixierten Kaufkraft. Die Totalität der Preise, die Preis-Ebene, die das reale Gewicht der Kaufkraft zahlenmäßig ausdrückt, kann sich bei Anwendung des soeben bezeichneten technischen Verfahrens nicht mehr verändern, so sehr auch die Einzel-Preise innerhalb dieser Ebene schwanken mögen, denn diese Einzel-Schwankungen nach oben und nach unten gleichen sich, zusammengefaßt und auf einen Durchschnitt (Index-Ziffer) gebracht, notwendig aus. Und so scheint es, als ob das Verlangen nach einer absolut stabilen Kaufkraft und damit nach einem festen, auf Jahre und Jahrzehnte gleich bleibenden Gewicht aller auf Kaufkraft lautenden Kontrakte, Verpflichtungen und Schuld-Abkommen, erfüllt sei, sobald man die Kaufkraft nicht mehr mit einem bestimmten Gut, dem Meß-Gut, sondern mit dem Durchschnitts-Wert aller Marktgüter äquivalent erhält (sei es ohne Tausch-Beziehung zwischen Kaufkraft und Meß-Gut, sei es mit Tausch-Beziehung, in welchem Falle einer festbestimmten Kaufkraft-Menge eine variable Menge Meß-Gut entspricht). 

In Wirklichkeit ist der Glaube an eine so beschaffene wertbeständige „Index -Kaufkraft“ – wie überhaupt an die Möglichkeit einer absolut wertbeständigen Kaufkraft – eine Illusion. Nicht so sehr deshalb, weil jeder Versuch, die Kaufkraft mit dem technischen Hilfsmittel der abwechselnden Vergrößerung und Verkleinerung des Umlauf-Volumens auf einem bestimmten Güter-Durchschnittswert zu verankern, faktisch zu einem unablässigen Oszillieren der Kaufkraft um diese ihre „Parität“ führen muß. (Denn die unvermeidlichen, weil vom autonomen Verkehrs-Willen abhängigen Schwankungen in der Umlaufs-Geschwindigkeit der Kaufkraft mit ihrer abwechselnden Verstärkung und Abschwächung der Nachfrage und entsprechenden Hebung bzw. Senkung des Preis-Durchschnitts würden bei solchem Versuch fortgesetzt durch quantitative Änderungen im Kaufkraft-Umlauf korrigiert werden müssen, wobei jede neue Schwankung der Umlaufs-Geschwindigkeit die Korrektur als verfehlt und ihrerseits korrekturbedürftig erscheinen lassen würde.) Eine Illusion ist der Glaube an die Möglichkeit einer absoluten Wertbeständigkeit der Kaufkraft auch nicht deshalb, weil diese Wertbeständigkeit, einmal technisch herbeigeführt, den natürlichen und notwendigen Preisrückgang verhindern würde, den der menschliche Verkehr vom kulturellen Fortschritt erwartet (und ebenso die natürliche und notwendige Preis-Steigerung, die im entgegengesetzten Fall den kulturellen Rückschritt als solchen erkennbar macht). Eine Illusion ist der Glaube an die absolut wertbeständige Kaufkraft vielmehr deshalb, weil die Forderung der „Wertbeständigkeit“ schon rein begrifflich auf einem groben Mißverständnis beruht. Insofern nämlich eine – als geglückt vorausgesetzte – feste Verankerung der Kaufkraft auf einem bestimmten durchschnittlichen Preisstande der Güter ganz und gar nicht besagen würde, daß das Gewicht der Kaufkraft nunmehr fixiert, die Kaufkraft also wertbeständig ist; sondern lediglich, daß die Veränderungen, die das Verhältnis der einzelnen Güter und Güter-Gruppen zur Kaufkraft unablässig durchmacht, nunmehr bei einem Teil dieser Güter und Güter-Gruppen autoritativ in konträrer Richtung beeinflußt worden sind, und daß infolgedessen ein (an sich unerlaubter, weil mißverstandener und zum Mißbrauch einladender) Querschnitt durch die Mannigfaltigkeit dieser Schwankungen den trügerischen Anschein erweckt, als habe sich im Verhältnis zwischen den Gütern in ihrer Gesamtheit und der Kaufkraft nichts geändert. In welchem Masse dieser Anschein trügt, und wie wenig das Gewicht der Kaufkraft hier in Wirklichkeit fixiert worden ist, das ist mit Leichtigkeit zu erkennen, sobald man sich einige typische Markt-Konstellationen konkret vergegenwärtigt. 

Erster Fall: Eine überreiche Ernte, herbeigeführt durch besonders günstige Witterung oder durch umwälzende agrartechnische Neuerungen, hat die Preise der Boden-Produkte und der im Komplementär- oder Ersatz-Verhältnis zu ihnen stehenden Lebensmittel um ein Drittel sinken lassen. Infolgedessen sinkt der gewogene Durchschnitts-Preis aller von der Statistik erfaßten – Güter je nach dem relativen Gewicht, das die Statistik den Lebensmitteln innerhalb der Totalität der Güter zuspricht – um 8 bis 15 Prozent; das heißt, die Kaufkraft ist entsprechend von ihrem Normal-Stande 100 um ein Siebentel oder Zwölftel abgewichen und muß, um auf diesen Stand zurückzugelangen, einer Korrektur unterzogen werden.[4] Die umlaufende Kaufkraft-Menge wird also so lange vermehrt – bei gelöster Tausch-Beziehung zum Meß-Gut ohne weitere Maßnahme, bei bestehender Tausch-Beziehung unter entsprechender Abänderung des Tausch-Schlüssels –, bis die von der Kaufkraft ausgehende Nachfrage sich hinreichend verstärkt hat, um den Durchschnitt aller Marktpreise auf 100 steigen zu lassen. Damit, so glaubt die Theorie, ist der alte Stand der Dinge wieder hergestellt und ein konstantes Verhältnis zwischen der Kaufkraft und den Gütern erzwungen. In Wirklichkeit ist das Gegenteil eingetreten: Eine durch wirtschaftsorganische Vorgänge ausgelöste Störung des Normal-Gewichts der Kaufkraft ist durch eine zweite, künstliche Störung nur noch verschärft worden. Allerdings hat das angewandte Mittel, die Verstärkung der Nachfrage bzw. Hebung der Preise, gewirkt. Aber es hat in einer anderen als der vorausgesetzten Richtung gewirkt. Die Nachfrage und die Preis-Steigerung haben nicht, zum mindesten nicht in erster Linie, auf dem Markt-Gebiet eingesetzt, von dem die Störung ausgegangen ist, d.h. bei den Lebensmitteln; denn diese stehen, wie der hier herrschende Preisdruck beweist, auf der Skala der menschlichen Bedarfs-Befriedigung derzeit besonders tief. Nachfrage und Preis -Steigerung haben vielmehr in erster Linie diejenigen Markt-Gebiete erfaßt, die auf jener Skala derzeit höher stehen. Die relativ, im Verhältnis zu den Bodenprodukten, ohnehin verteuerten Gebrauchs-Gegenstände und Reproduktions-Mittel sind also weiter verteuert worden. Das Wiederansteigen des Preis-Durchschnitts auf 100 bringt zum Ausdruck, daß zwar der Minderpreis der Bodenprodukte durch einen Mehrpreis der Fabrikate „statistisch“ ausgeglichen worden ist, daß dadurch aber die Spanne zwischen dem Gewicht der Kaufkraft auf dem Markt der Bodenprodukte und ihrem Gewicht auf dem Markt der Gebrauchs-Gegenstände und Reproduktions-Mittel sich vergrößert hat. Die alte Potenz der Kaufkraft ist nicht etwa restituiert worden, so daß man von ihrer Wertbeständigkeit reden könnte, sondern sie ist gespalten worden mit der Wirkung, daß mehrere Wert-Verwerfungen eingetreten sind, die sich zwar, wenn man einen Durchschnitt zieht, kompensieren, die aber für die einzelnen Märkte ganz verschiedene, und gerade für das hilfsbedürftige Marktgebiet der Bodenprodukte höchst nachteilige Folgen haben. 

Der zweite Fall ist in jeder Beziehung die Umkehrung des ersten: Mißernte, Steigerung der Lebensmittel-Preise um 50, des Durchschnitts aller Preise um 12 bis 20 Prozent, Korrektur durch Verkleinerung der Kaufkraft-Menge, infolgedessen Abnahme der Kaufkraft bzw. der Nachfrage auf den Markt-Gebieten, die auf der Skala der Bedürfnisse am tiefsten stehen. Das sind aber nicht die Märkte der überteuerten Bodenprodukte, deren isolierte Preissteigerung der Ausdruck eines relativen Mehr-Begehrs ist, sondern die Märkte der Gebrauchs-Gegenstände und Reproduktions-Mittel. Hier sinken die Preise mit der Wirkung, daß die Herstellung unlohnend wird und eine Arbeitslosigkeit entsteht, die zwar in weiterer Folge einen gewissen Preisdruck auch auf dem Gebiet der Bodenprodukte hervorruft, die aber nichtsdestoweniger die Spanne zwischen den hohen Preisen hier und den niedrigen Preisen dort vergrößert. So daß wiederum nicht von einer Restitution des alten Gewichts der Kaufkraft zu reden ist, sondern nur von einer Spaltung, die zwar für den Durchschnitte ziehenden Statistiker unsichtbar bleibt, für die Wirtschaft aber die schwersten Störungen mit sich bringt. 

Die „absolut wertbeständige Kaufkraft“ ist eine theoretische Konstruktion, die dem Wesen und der organischen Entstehung der Kaufkraft nicht Rechnung trägt. In der Praxis des Verkehrslebens ist eine Kaufkraft, die an ein relativ wertbeständiges Meß-Gut gebunden und diesem dauernd äquivalent ist, unendlich überlegen einer Kaufkraft, die man an einen Preis-Index bindet, dessen absolute statistische Stabilität nur der Ausdruck entgegengesetzter Bewegungen veränderlicher Preis-Komponenten ist. Diese Kaufkraft ist eine illusionäre, jene eine organisch dem Verkehr entstammende, daher den Verkehrs-Zwecken entsprechende und praktisch allein brauchbare Kaufkraft. Hiermit ist der erste, von der Kaufkraft handelnde Teil der Arbeit beendet. 

Der zweite Teil, der vom Gelde handeln wird, soll in etwa zwei Monaten beginnen.

Diese Artikelserie begann am 04.01.1933. Dieser letzte Teil wurde am 07.03.1934 veröffentlicht. Danach wurden nur noch vereinzelt Aufsätze von Lansburgh gedruckt, am 01.07.1934 wurde sein Verlag „arisiert“ und 1935 erhielt Lansburgh Publikationsverbot. Der zweite Teil wurde nie veröffentlicht.


[1] Der Vorgang der Abolition von Kaufkraft, des Rückgängig-machens des Akts, der s. Zt. zur Entstehung der Kaufkraft geführt hat, ist im Unter allen Punkten Abschnitt 3b nicht ausdrücklich behandelt worden, weil er in das genaue Gegenstück zur Kreation bildet, das Gesetzmäßige und Technische des Vorgangs sich also e contrario von selbst ergibt.

[2] Wenn ich von „umwandeln“ und „umtauschen“ spreche, so bedeutet das nicht etwa, daß die das Entstehen oder den Untergang von Kaufkraft beurkundende Stelle das äquivalente Meß-Gut faktisch in Tausch nimmt oder gibt; damit würde ich später zu Sagendem vorgreifen. Es bedeutet in diesem Zusammenhang nur, daß die beiden Größen Kaufkraft und Meß-Gut durch die offizielle Beurkundung ihrer Gleichwertigkeit grundsätzlich austauschbar werden.

[3] Das bekannteste Beispiel aus neuester Zeit ist die Auflösung eines großen Teils der indischen Gold-Horte anläßlich des großen Kampfes um das Gold (Herbst 1931 bis Sommer 1932).

[4] Der besseren Anschaulichkeit wegen ist es gut, sich diesen Prozeß als einen einmaligen vorzustellen, obwohl die Theorie ihn in Etappen vorgenommen wissen will, bruchstücksweise immer aufs neue einzuleiten, sobald die Kaufkraft uni 1 oder 2% von dem Normalstande abgewichen ist.