I. Der Sturmlauf gegen den Metallismus.
In einem Briefe, den ein Mitglied der bekannten russischfranzösischen Finanzierfamilie Raffalovich kürzlich an den Herausgeber des Londoner „Economist“ gerichtet hat, bezeichnet der Briefschreiber es als eine der größten Gefahren lange anhaltender Krisen, daß in solchen Zeiten die bedenklichen Geldtheorien eines John Law, der französischen Revolution und des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges regelmäßig ihre Wiedergeburt feierten. So ist es in der Tat. Tiefgehende Krisen, mögen sie ihren Ursprung in wirtschaftlichen Umwälzungen oder in kriegerischen Verwickelungen haben, erzeugen in jedem Lande, das von ihnen betroffen wird, einen Kapitalbedarf, der sich nur zum kleinsten Teil im Steuerwege decken läßt, den man aber auch nur schweren Herzens im Anleihewege befriedigt, weil man sich scheut, die kommenden Zeiten und nächsten Generationen allzu sehr zu belasten. Auch entsprechen Zeitpunkt und Umfang der Nachfrage nach Anleihen nicht immer dem Kapitalbedarf. Da liegt der Anreiz, einen Teil des Kapitals durch Ausgabe größerer Mengen neuer Geldzeichen zu decken, für die Regierungen außerordentlich nahe. Die Vermehrung des Geldumlaufs läßt sich ohne Mühe und fast ohne Kosten bewerkstelligen, erspart dem Staate Zinsen und läßt eine sichtbare Belastung weder für den Einzelnen noch für die Gesamtheit erkennen. Sie scheint sogar einem dringenden Gebot der Stunde zu entsprechen. Denn da jede Krisis mit einem „Geldmangel“ an irgendeiner Stelle des Wirtschaftskörpers verbunden ist, so sieht die Beseitigung dieses Mangels durch Ausgabe neuer Geldzeichen wie eine ganz selbstverständliche Pflicht jeder gewissenhaften Staatsleitung aus. Ein einziger Übelstand springt in die Augen: Sobald die Geldvermehrung ein bestimmtes bescheidenes Maß überschreitet, gerät sie in Widerspruch mit den anerkannten, gesetzlich festgelegten Grundlagen der Landeswährung. Sie zwingt also die Regierungen, die Währungsgesetze zu suspendieren. Und das tut keine Regierung gern; einmal, weil das kodifizierte Geldwesen jedes Landes das wohlerwogene Endergebnis einer langen, oft schmerzlichen Erfahrung ist, und zum andern, weil die plötzliche Änderung der geldlichen Grundlage des Verkehrs meist einer Notmaßregel ähnlich sieht und als solche einen schlechten Eindruck macht.
An diesem Punkt setzt nun die Gefahr ein, von der Raffalovich spricht: Die Wissenschaft springt dem Staate in seinem Dilemma hilfreich bei. Sie fordert ihn auf, alle Bedenken fallen zu lassen und die Währungsgesetze, die der Geldvermehrung im Wege stehen, ruhig umzustoßen. Denn diese Gesetze wurzelten in einer ganz veralteten, von der jeweils neuesten Stufe der nationalökonomischen Erkenntnis überwundenen Theorie. In ihrer Beseitigung könne die Öffentlichkeit daher nicht das Eingeständnis einer Notlage, sondern nur den Übergang vom Irrtum zur Wahrheit erblicken. Den Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung versucht die Wissenschaft den Regierungen zu erbringen, indem sie eine neue Lehre vom Gelde entwickelt und begründet, die den Staat als den Vertreter der Gesamtheit oder als den Ordner des Verkehrslebens zum absoluten Herrn über Art und Menge des Geldes macht. Die Gedankengänge, aus denen heraus diese Lehre sich systematisch entwickelt, weichen stark von einander ab. Jeder Autor hat seine besondere Auffassung vom Gelde, seinem Wesen und seinen Funktionen. Aber das Endergebnis für die Staatspragmatik ist immer dasselbe. Es läuft auf die Feststellung hinaus, daß allen nationalen Währungssystemen zum Trotz nichts den Staat hindere, dem gesteigerten „Bedarf“ an Geld einen entsprechend erhöhten Umlauf gegenüberzustellen.
Raffalovich ist so respektlos, die große Gedankenarbeit, die auch in der jetzigen Kriegskrisis wieder geleistet worden ist und zu einer angeblich besseren Erkenntnis geführt hat, einfach als ein „Wiederaufleben verkehrter Geldtheorien“ abzutun. Er kennt, vermutlich nicht alle Schriften über das Geldwesen, die während des Krieges verfaßt worden sind, sondern nur diejenigen, die in den führenden Ländern der antideutschen Koalition, also in englischer und französischer Sprache, erschienen sind. Aber diese Arbeiten decken sich in ihrem Endergebnis durchaus mit der deutschen Geldliteratur der Kriegszeit Sie richten sich wie diese gegen die metallische Grundlage der in den maßgebenden Ländern adoptierten Währungen und erklären den Glauben an die ausschließliche Eignung der Edelmetalle, insbesondere des Goldes, zum Träger der Geldfunktionen für einen Aberglauben. Sie predigen wie diese eine nominalistische Theorie des Geldes, welche die Zahlkraft der Umlaufsmittel von ihrem inneren Gehalt fort in den ihnen durch Staatsbefehl beigelegten Nennwert verlegt. Und sie haben damit eine solche Resonanz in der wissenschaftlichen Welt gefunden, daß man sich auch (in Ländern, die dem Nominalismus während des Krieges keine Konzession gemacht, sondern ihr Geldwesen „metallecht“ erhalten haben) ernstlich mit der Frage beschäftigt, ob nicht etwa die Zeiten der Weltherrschaft des Goldes endgültig vorbei seien, und bald in allen maßgebenden Ländern neue Geldsysteme zur Einführung kommen würden. In den Vereinigten Staaten ist im letzten Herbst sogar eine Rundfrage hierüber veranstaltet worden. Man forderte die Volkswirte auf, zu erklären, ob ihrer Ansicht nach die Goldwährung den Krieg überleben werde. Die Frage ist allerdings nur von 7 Sachverständigen verneint, von 85 dagegen bejaht worden. Aber eine ganze Reihe Von denen, die einen Fortbestand der Goldwährung in den großen Welthandelsländern für wahrscheinlich halten, sind dieser Überzeugung nicht etwa deshalb, weil sie in der Goldwährung das einzig mögliche oder auch nur das beste Geldsystem erblicken, sondern lediglich aus Gründen der politischen Taktik, oder weil sie an ein monetäres „Trägheitsgesetz“ glauben. Auch in ihren Reihen ist gar mancher von der theoretischen Überlegenheit eines rein nominalistischen, ametallischen Geldwesens überzeugt. Und das in einem Lande, dessen Wahrung gerade durch den Krieg auf’s aller engste mit dem Golde verbunden worden ist!
In Deutschland hat der Krieg den Boden für eine vom Metall abgewandte Geldtheorie besonders gut vorbereitet gefunden. Hier hatte G. Fr. Knapp etwa zehn Jahre vorher den Versuch gemacht, die „Seele des Geldes zu entdecken.“ Seine Lehre vom staatlichen Gelde war in ein so bestechendes wissenschaftliches Gewand gekleidet und mit einer so eisernen Logik durchgeführt, daß sie sofort das schlimmste für die Erkenntnis vom „Wesen des Geldes“ befürchten ließ. Denn daß die Knappsche Theorie nur die eine Seite des Geldproblems, die staatsrechtliche, folgerichtig entwickelte, die wichtigere Seite aber, die wirtschaftlich-soziale, völlig außer Betracht ließ, das mußte, wie von vornherein klar war, nur wenigen Kennern des Geldes in seiner ganzen verhängnisvollen Bedeutung zum Bewußtsein kommen. Die Gefahr lag außerordentlich nahe, daß Jünger der Knapp’schen Lehre die halbe Lösung für die ganze nehmen und die praktische Währungspolitik in die Richtung einer rein staatswissenschaftlichen, also einseitigen und daher falschen Auffassung vom Gelde drängen würden. Und das ist denn auch geschehen, vereinzelt schon vor dem Kriege, ganz allgemein aber und mit besonderem Nachdruck im Laufe der vergangenen drei Kriegsjahre. Wie die Knappsche Geldtheorie selbst ein Kind der Krisis von 1899/1900 ist – Knapp hat mit ihrem Aufbau im September 1901 begonnen –, so hat es nur einer neuen, schärferen Krisis bedurft, um ihren Samen voll aufgehen zu lassen.
Aus dem Versuch einer Loslösung des Geldbegriffs von der Geldsubstanz, den Knapp selbst nur akademisch und unter ausdrücklichem Verzicht auf die Formulierung bestimmter Forderungen unternommen hat, ist bei seinen Jüngern, wie in diesen Heften frühzeitig vorausgesehen worden ist,[1] im Laufe der Zeit ein festumrissenes währungspolitisches Programm mit der Devise „Los von der Goldwährung!“ geworden. Mit dem bescheidenen Verlangen einer Konzentrierung des ganzen nationalen Goldbestandes bei der Reichsbank fing es an. Dieses Verlangen konnte zur Not auch noch von den Anhängern der metallistischen Geldtheorie unterstützt werden. Aber allmählich mischte sich ihm unverkennbar der fatale Hintergedanke bei, das Gold durch die Konzentration aus dem nationalen Währungssystem herauszuheben und eines Tages ausschließlich für den Ausgleich der Zahlungsbilanz mit dem Auslande zu reservieren. Mit der Zeit sind die Forderungen dann immer weitergehend geworden. Heute tritt man bereits mit allem Nachdruck für eine völlige Entgoldung des deutschen Währungssystems ein, mit der Motivierung, das Gold habe seineRolle als Zahlungsmittel im Innern wie im Weltverkehr ausgespielt und bedeute nur noch eine kostspielige Belastung des nationalen Haushalts. Durch nichts könne man Deutschland einen größeren Dienst erweisen und England, dem klassischen Lande der Goldwährung, einen härteren Schlag versetzen, als durch schnelle und restlose Fortgabe unseres Goldbestandes. Die Propaganda für diese radikale Abkehr vom Goldwährungsprinzip ist längst über das Gebiet der wissenschaftlichen Erörterung hinausgewachsen. Sie ist neuerdings in solchem Grade zu einer programmatischen Forderung geworden, daß die Reichsbank bei gelegentlichen Goldexporten sich geradezu gegen den Verdacht wehren muß, die Exporte hätten etwas mit dem Verlangen nach einer „Entgoldung“ des deutschen Geldwesens zu tun. Auch die Privatbanken sehen sich bereits genötigt, zu den Forderungen der Nominalisten Stellung zu nehmen. Im letzten Jahresbericht einer Berliner Großbank wird eindringlich betont, daß die Goldwährung sich keineswegs überlebt habe, daß es vielmehr nach dem Kriege unbedingt erforderlich sein werde, die Verpflichtung zur Einlösung der deutschen Banknoten in Gold so schnell als möglich wieder herzustellen.[2] Man kann den Druck, den die praktischen Konsequenzen der nominalistischen Theorie auf die öffentliche Meinung auszuüben beginnen, an nichts besser erkennen, als an der Abwehrstellung, zu der sie die Anhänger der Goldwährung zwingen.
Am konsequentesten ist die praktische Nutzanwendung aus dem theoretischen Gedankenaufbau Knapps von Fr. Bendixen gezogen und zum Programm ausgestaltet worden. In zahlreichen kleinen Abhandlungen, von denen eine Anzahl in, dem Buche „Währungspolitik und Geldtheorie im Lichte des Weltkrieges“[3]zusammengefaßt worden ist, sowie in seiner Schrift „Das Inflationsproblem“[4] hat dieser Bankfachmann versucht, auf der einseitig staatsrechtlichen Gelddefinition Knapps eine Geldwirtschaftstheorie aufzubauen. Er knüpft an das „was?“ seines Lehrers eine Untersuchung über das wichtige „wie viel?“ an und stellt fest, daß der Staat von seinem Hoheitsrecht der Geldschöpfung keinen unbegrenzten Gebrauch machen dürfe. Vielmehr habe das Geld sich der Menge nach parallel der Güterentstehung zu bewegen, d.h. mit der Produktion der Güter zu kommen und mit ihrer Konsumtion wieder zu verschwinden. Der Regulator ist für Bendixen also der „Bedarf“, und den Maßstab dieses Bedarfs sieht er im Warenwechsel. Es bleibe zunächst dahingestellt, was an dieser besonders gearteten „Quantitätstheorie“ richtig, und was falsch ist. Es kommt an dieser Stelle nur auf das Endergebnis für die praktische Geldpolitik an. Und dieses Ergebnis ist: Da das Geld nur ein staatlich beglaubigter Repräsentant des Güterverkehrs und eine Legitimation ist, da es überdies je nach Bedarf und ohne Rücksicht auf das Vorhandensein oder Fehlen eines bestimmten Metalls vermehrt und vermindert werden muß, so ist seine Verbindung mit dem Golde zu lösen. Brauchbar wäre das Gold allenfalls als Weltware, zur Ausgleichung eines Passivsaldos der Zahlungsbilanz; aber ein Vorrat an fremden Wechseln oder ausländischen Effekten versieht diese Funktion genau so gut, wobei er gegenüber dem Golde den Vorteil hat, daß er Zinsen trägt. Der Deutsche kann das Gold also vollkommen entbehren und braucht nicht den südafrikanisch-australischen, d.h. britischen Goldbergbau durch seine Bezüge zu fördern. Der Krieg darf für den Deutschen nicht damit endigen, „daß er in blindem Goldglauben sich die Goldschätze aufpacken läßt, mit denen einst England die amerikanischen Granaten bezahlt hat“. Deutschland tut im Gegenteil gut, sein Gold so schnell als möglich zu exportieren, bevor auch die anderen Länder sich zur nominalistischen Geldtheorie bekehren und der ganze Goldvorrat der Welt sich auf England wirft, dem es dann so ergeht, wie dem sagenhaften König Midas der Vorzeit.
Genau denselben extremen Standpunkt nimmt R. Dalberg in seiner Schrift „Die Entthronung des Goldes“[5]ein. Auch für ihn entscheidet der „Bedarf“ über die Menge des im Umlauf zu erhaltenden Geldes. Diesen Bedarf habe die Staatsbank durch Ausgabe von so viel Geldzeichen zu decken, wie nötig sind, um die Umsätze der Wirtschaft auszugleichen, – ganz wie die Eisenbahnverwaltung auf Verlangen verpflichtet sei, so viel Fahrkarten auszugeben, wie erforderlich sind, um die Züge zu füllen (!). Der Goldvorrat der Welt sei bei weitem zu klein, um die vielen tausend Milliarden jährlicher Umsätze der Weltwirtschaft zu bewältigen. Da das Geld aber weiter nichts sei als eine Anweisung auf Güter und Leistungen, so brauche es keinen metallischen Eigenwert, sondern könne bestehen, woraus es wolle. Man könne auch die Zehnpfennig-Postmarke der Währung zugrunde legen. Deutschland solle seinen heute vorhandenen Goldschatz zur Bezahlung seiner Einfuhr benutzen und sich dann endgültig von der Goldwährung lossagen. Dadurch werde Englands finanzielle Vorherrschaft erschüttert werden, die lediglich darauf beruhe, daß andere Länder das englische Geldsystem adoptiert haben. Wir müßten uns aber mit der Verwertung unserer Goldbestände beeilen, sonst könne es leicht zu spät sein, da die Amerikaner kaum noch lange willige Abnehmer für das europäische Gold sein würden.
Ziemlich gemäßigt nimmt sich neben diesen extremen Theorien das monetäre Glaubensbekenntnis Otto Heyn’s aus, wie er es während des Krieges in zwei Schriften niedergelegt hat, nämlich in der Abhandlung „Zur Verteidigung der Chartaltheorie des Geldes“,[6] in der er sich mit meine Aufsätzen über die Kriegskostendeckung und ihre Quellen auseinandersetzt, und in einer anderen, betitelt „Unser Geldwesen nach dem Kriege“.[7] Heyn ist von den modernen Nominalisten der älteste. Seine Anschauungen gehen deutlich aus dem programmatisch wirkenden Titel eines schon vor mehr als 20 Jahren erschienenen Buches „Papierwährung mit Goldreserven für den Auslandsverkehr“ hervor, a.us dem Knapp, wie er selbst sagt, manche Anregung geschöpft hat. Von einer radikalen Abkehr vom Golde will Heyn heute so wenig etwas wissen, wie vor zwei Jahrzehnten. Er steht vielmehr noch immer auf dem Boden des Prinzips der Goldzentralisation, für das Plenge neuerdings die Bezeichnung „Goldkernwährung“ geprägt hat. Aber Heyn will das Gold nur als Schutzmittel nach außen, nicht als Währungsgrundlage im Innern verwendet wissen. Pur den Inlandsverkehr hält er jedes vom Staate gewählte Zahlungsmittel für brauchbar, sofern es sich nur das „Vertrauen“ der Bevölkerung zu erwerben vermag. Und das Vertrauen hält er für gesichert, so lange eine gewisse Goldreserve für Notfälle und zur Erhaltung der Geldparität mit dem Auslande vorhanden ist, und so lange die Geldschöpfung des Staates sieh in „vernünftigen Grenzen“, d.h. innerhalb des „Bedarfs“ der Volkswirtschaft, hält. Das Kriterium des Bedarfs erblickt er nicht, wie Bendixen, lediglich im Diskontbedürfnis für Wechsel, sondern auch im Bedürfnis nach Lombardkredit für gewerbliche Zwecke. So lange diese Grenze nicht überschritten werde, – und nur unreife Völker neigten zu ihrer Überschreitung – könne man weder von Inflation noch von einem Sinken des Geldwertes reden. Denn das ausgegebene Geld (Papiergeld) bedeute dann keine künstliche Erzeugung zusätzlicher Kaufkraft, sondern es konstatiere nur eine Kaufkraft, die schon vor seiner Ausgabe vorhanden war; es erhalte sich die so konstatierte Kaufkraft, d.h. seinen Eigenwert, dadurch, daß der Staat es nur zu einem bestimmten Preise abgebe, und jeder Empfänger bei der Weitergabe ebenso verfahre. Was Heyn verficht ist sonach ein aus taktischen Gründen lose mit dem Golde verbundener Nominalismus.
Auf eine völlig neue Grundlage glaubt Robert Liefmann die Geldtheorie gestellt zu haben, indem er sie – in seinem Buche „Geld und Gold“[8] – in den Kähmen einer „psychischen Wirtschaftsauffassung“ spannt. Diese Auffassung, die Liefmann der herrschenden Wirtschaftstheorie, von ihm die materialistisch-quantitative genannt, entgegenstellt, wurzelt in der Lehre vom Grenznutzen, die er in seinen „Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre“[9] zu einer Lehre vom Ausgleich der Grenzerträge erweitert. Nach seiner Theorie ist es gar nicht das materielle Geld, das die Umsätze vermittelt, sondern eine abstrakte Rechnungseinheit, Mark, Franc, Shilling usw. genannt, in der Umsätze nur zum kleineren Teil bezahlt, zum größeren Teil vielmehr verrechnet werden. Dieses Verrechnungsgeld wird aber nicht etwa vom Staate geschaffen – hier wendet sich Liefmann gegen Knapp –, sondern vom Verkehr, der sich von dem staatlichen Gelde zu befreien trachtet. Einen objektiven Wert des Geldes, eine allgemeine Kaufkraft, gebe es nicht; jeder bewerte das Geld verschieden, und zwar nach der Größe seines Einkommens. Das Geld brauche also auch keinen inneren, metallischen Gehalt. Auf einem weiten Umwege, der den Nachweis erbringen soll, daß gar nicht das „Geld“, sondern das „Einkommen“ die Güter kaufe, gelangt Liefmann schließlich genau dahin, wo Bendixen und Dalberg stehen. Auch er sieht in dem Golde eine schwere Last, von der wir uns so schnell wie möglich befreien sollten.
Auch er fordert eine mit dem. Güterverkehr zu- und abnehmende, dem Wechselumlauf anzupassende Papierwährung, und zwar als Unterbau eines darauf sich erhebenden geldlosen Verkehrs. Der Metallismus ist für ihn „einfach erledigt“.
Der arme Metallismus! Bisher hat es ihm zwar noch niemals ernstlich geschadet, daß er häufiger als irgendeine andere volkswirtschaftliche Doktrin mausetot geschlagen worden ist. Er ist noch immer fröhlich wieder auferstanden. Aber diesmal hat ihm, wenn man den Vertretern der nominalistischen Geldtheorie glauben darf, der Krieg mit seinen Folgeerscheinungen auf dem Gebiet des Geldes einen Schlag versetzt, von dem er sich niemals wieder erholen wird. In allen kriegführenden Ländern Europas sind die Beziehungen zwischen der Landeswährung und dem Golde gelockert worden. Überall, selbst im goldorthodoxen England, hat man den Umlauf an Hartgeld durch Papiergeld ersetzt. In einzelnen Ländern beläuft sich die Menge des chartalen Geldes ohne stofflichen Wert, die man neu in Verkehr gesetzt hat, auf das Vielfache der vor dem Kriege vorhandenen Menge. Und dennoch sind, so sagen die Nominalisten, keinerlei sichtbare Störungen zu Tage getreten. Nirgends hat der Verkehr sich geweigert, das neu ausgegebene Papiergeld ohne Eigenwert an Zahlungsstatt anzunehmen. Nach wie vor ist der Shilling gleich 12 Pence, der Franc gleich 100 Centimes, die Mark gleich 100 Pfennig. Die gewaltigen Preissteigerungen, unter denen alle Länder leiden, haben ihre Ursache in den Veränderungen, die der Krieg auf der Warenseite hervorgerufen hat, nicht in den Manipulationen auf der Geldseite. Die nominalistische Geldtheorie hat also den Nachweis der Richtigkeit ihrer wichtigsten Leitsätze erbracht, und die Anhänger der metallistischen Geldlehre sind zum Schweigen verurteilt.
Ich bin anderer Meinung. Meiner Ansicht nach hat der gegenwärtige Krieg, wie es so viele Krisen vor ihm getan haben und wohl noch viele Krisen nach ihm tun werden, wieder einmal die absolute Unhaltbarkeit der ametallischen Geldtheorie in allen ihren Spielarten erwiesen. Wenn mich die Kriegszeit in geldlicher Beziehung etwas gelehrt hat, so ist es lediglich die interessante Tatsache, daß Krisen, die zu einem Herumexperimentieren mit dem Gelde führen, nicht nur, nach dem bekannten Gresham’schen Gesetz, das Gold aus den experimentierenden Ländern herausziehen, sondern daß sie auch eine wissenschaftliche Athmosphäre erzeugen, in der Theorien gedeihen, die diese Goldflucht noch fördern, indem sie die bewußte Abkehr vom Golde predigen. Im übrigen aber ist es heute noch nicht an der Zeit, die Ratio dessen, was um uns herum vergeht, bloßzulegen, sozusagen eine Sektion am lebenden Körper vorzunehmen. Erst wenn wir eine gewisse Distanz zu den Ereignissen gewonnen haben werden, zeitlich wie dem Temperament nach, wird sich aus den wirtschaftlichen Erscheinungen des Krieges der erkenntnistheoretische Gehalt herausziehen lassen. Wenn ich es heute unternehme, der nominalistischen Geldtheorie, die während des Krieges innerhalb wie außerhalb Deutschlands so mächtig in die Halme geschossen ist, eine metallistische Theorie gegenüberzustellen, so tue ich das, ohne auf die im Kriege gemachten praktischen Erfahrungen irgendwie Bezug zu nehmen, obwohl die Versuchung wahrlich keine kleine ist.
II. Dargestellte Kaufkraft.
Wir kommen der Erkenntnis vom Wesen und von der Funktion des Geldes nicht sonderlich nahe, wenn wir dem Gelde historisch auf den Leib rücken und uns vergegenwärtigen, wie es sich durch den Wechsel der Zeiten und Wirtschaftsverfassungen hindurch allmählich zu seinen heutigen Erscheinungsformen entwickelt hat. Auch ethnologische Untersuchungen über das, was in den verschiedenen Ländern und Erdteilen, insbesondere bei den primitiven Völkern, als Zahlungsmittel gilt, verwirren mehr, als sie aufklären. Wir kommen weiter, wenn wir rein begrifflich zu Werke gehen und die Logik der Verkehrs Vorgänge aufspüren, die uns sinnfällig als Geldverwendung vor Augen treten, dabei aber nach Möglichkeit von Zeit, Ort, Verkehrsart und Kulturstufe abstrahieren. Es ist zu diesem Zwecke durchaus nicht nötig, wie es oft geschieht, den wirtschaftenden Menschen aus seinem natürlichen Zusammenhang mit der Umwelt herauszuschälen, um auf diese Weise die wirtschaftlichen Urtriebe eines „homo oeconomicus“ bloszulegen. Es genügt vielmehr vollkommen, wenn wir Vorgänge des Alltagsverkehrs, die jeder Zeit und jeder Wirtschaftsweise gemein sind, auf ihren inneren Sinn und Zusammenhang prüfen.
Wer ein Gut hingibt oder einen Dienst leistet, tut dies in der Regel nicht unentgeltlich, sondern in der Absicht, dagegen andere Güter oder andere Dienste gleichen Verkehrswertes zu empfangen. Dabei richtet sich das Verlangen des gebenden Teils aber nicht etwa auf ein bestimmtes Gut oder einen bestimmten Dienst. Wo dies ausnahmsweise einmal der Fall ist, da kommt es zu dem wirtschaftlich neutralen Vorgang des Tausches. Brot wird gegen Fleisch, ein Stück Ackerland gegen ein Zinshaus hingegeben. Die Verkehrsregel ist aber nicht, daß Gut gegen Gut und. Leistung gegen Leistung ausgewechselt wird. Der gewöhnliche Gang der Dinge ist vielmehr, daß für eine Leistung keine sofortige Gegenleistung, sondern ein Recht erworben wird, nämlich das Recht, zu jeder beliebigen Zeit von jedem beliebigen am Markte befindlichen Gute so viel in Besitz zu nehmen, wie – nach den Preisen des Tages, an dem das Beeilt ausgeübt wird – dem für die Leistung vereinbarten Preise entspricht. Die „Zahlung“, die der empfangende Teil (der Käufer) dem liefernden Teil (dem Verkäufer) leistet, ist nichts anderes als die Übertragung des genannten Rechts des Güterbezuges von jenem auf diesen. Wer einen Rock hingibt und dafür einen bestimmten Betrag erhält, der wird durch diesen Verkeilrsakt Inhaber des Rechts, zu jedem beliebigen Zeitpunkt und nach freiem Ermessen über soviel Brot, Fleisch, Fahrgelegenheit, Kunstgenuß usw. zu verfügen, wie an dem Tage, an dem er sein Recht ausübt, d.h. den erhaltenen Betrag „ausgibt“, um diesen Betrag erhältlich sind.
Das Ausmaß, in dem jemand zu einem so gearteten Bezüge von Gütern und Diensten berechtigt ist, macht seine „Kaufkraft “aus. An diesen Begriff knüpfen sich leicht Mißverständnisse, die der Erkenntnis vom Wesen des Geldes gefährlich werden können. Wir müssen deshalb ein wenig bei ihm verweilen. Kaufkraft ist nicht etwa gleichbedeutend mit dem konkreten Güterbesitz, über den der Einzelne oder die Gesamtheit verfügt. Sie ist auch nicht gleichbedeutend mit bestimmten Teilen dieses Besitzes, etwa mit Gütern einer besonders marktfähigen Art. Ein Daus, ein Quantum Getreide, ein ideeller Anteil an einem Unternehmen (Aktie) stellen privatwirtschaftlich ein Eigentum dar, aber keine Kaufkraft. Sie lassen sich nur mehr oder minder leicht in Kaufkraft verwandeln. Und zwar sind zwei Bedingungen erforderlich, damit die Umwandlung vor sich gehen kann. Erstens muß der Eigentümer jemand ausfindig machen, der bereit ist, ihm für sein Haus, sein Getreide oder seine Aktie das Recht zum Bezuge beliebiger Güter in einem zu vereinbarenden Verkehrswert einzuräumen. Und zweitens muß er auf die Ausübung dieses ihm eingeräumten Rechts – verzichten. Nur so lange er von seinem Recht, innerhalb des vereinbarten Verkehrswertes eine Auswahl unter allen am Markte befindlichen Gütern zu treffen, keinen Gebrauch macht, verfügt er über eine Kaufkraft; denn da diese identisch mit dem Beeilte der Auswahl ist, so erlischt sie zusammen mit dem Beeilte in demselben Moment, wo das letztere ausgeübt wird. Der Wortsinn bringt das übrigens ganz klar zum Ausdruck. Eine Kaufkraft kann naturgemäß nur so lange vorhanden sein, wie der Kauf, zu dem sie befähigt, nicht vorgenommen worden ist. Wenn eine Kraft sich erschöpft hat, so ist sie keine Kraft mehr. Hat also der frühere Inhaber des Hauses, des Getreides oder der Aktie sein Recht zum Güterbezuge erst einmal ausgeübt, so ist er dadurch zwar Besitzer aller möglichen Güter geworden, seine Kaufkraft aber hat er eingebüßt.
Daraus ergeben sich einige selbstverständlich klingende, für die Geldlehre aber überaus bedeutsame Sätze.
Erstens: Kaufkraft gewährt, im Gegensatz zu jedem sonstigen Eigentum, das nur durch Übereinkommen in ein Recht zum Bezuge von Gütern verwandelt werden kann, die Möglichkeit, sich durch einseitigen Willensakt in den Besitz von Gütern zu setzen. Oder in Anlehnung an die Sprache des Tagesverkehrs: Kaufkraft kann kaufen, was und wann sie will, während man für jedes sonstige Eigentum erst einen Käufer finden muß, bevor man selbst nach Belieben kaufen kann.
Zweitens: Die Kaufkraft (des Einzelnen wie der Gesamtheit) ist gleich der Summe der in einem gegebenen Zeitpunkt noch nicht geltend gemachten Anrechte auf Güter. Oder in der Tagessprache: Die Kaufkraft ist gleich dem Quantum Güter, das in einem gegebenen Moment nicht gekauft ist, obwohl es gekauft werden könnte.
Drittens: Die Potenz der Kaufkraft, das heißt das Güterquantum, zu dessen Bezug sie berechtigt, schwankt mit dem Verkehrswert der Güter, die ihre Tauschbeziehung zu einander fortwährend ändern. Je länger die Kaufkraft aufgespeichert wird, je länger also darauf verzichtet wird, das in ihr verkörperte Recht zum Bezüge von Gütern auszuüben, um so mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Recht an „Wert“ verliert oder gewinnt.
Damit das abstrakte Recht zum Güterbezuge, das die Kaufkraft darstellt, tatsächlich ausgeübt werden kann, muß zwischen den Parteien, die dieses Recht zum Gegenstand eines Verkehrsaktes machen, vereinbart werden, welchen konkreten Inhalt es haben soll. Es muß festgestellt werden, welchem Gute oder welchem Dienste der Verkehrswert des Güterquantums äquivalent sein soll, das früher oder später bezogen werden darf. Die Äquivalenz kann freilich immer nur für den Zeitpunkt festgestellt werden, in dem die Kaufkraft abgetreten wird, nicht für den unbekannten Zeitpunkt, in dem der neue Inhaber sie ausüben wird. Aber es genügt diesem neuen Inhaber in der Regel vollkommen, zu wissen, welchem Verkehrs wert die Kaufkraft, die er gegen die Hingabe eines Gutes erwirbt, in der Gegenwart entspricht. Er ist zufrieden, wenn er die Gewißheit hat, daß der Verkehrswert der Kaufkraft dem Verkehrswert gleich ist, den ein Ochse, eine Tonne Weizen oder ein Zentner Kupfer zur Zeit des Geschäftsabschlusses haben. Er setzt dabei voraus, daß das Marktwert-Verhältnis zwischen dem Ochsen, dem Weizen oder dem Kupfer zu dem Durchschnitt aller anderen Güter an jenem künftigen Tage, an dem er seine Kaufkraft auszuüben gedenkt, ungefähr dasselbe sein wird, wie am Tage des Geschäftsabschlusses. Würde er das nicht voraussetzen können, müßte er vielmehr mit der Möglichkeit rechnen, daß die ihm angebotene, dem Verkehrswerte eines Ochsen oder einer Tonne Weizen entsprechende Kaufkraft sich demnächst verringern wird, weil Ochse und Weizen sehr leicht im Verkehrswert sinken, so würde er das Geschäft jedenfalls nicht, oder nur mit allerlei Vorbehalten und Klauseln abschließen. Es ist also für das Verkehrsleben sehr wichtig, daß das Gut, an dem die Kaufkraft gewohnheitsmäßig gemessen wird, (das „tertium comparationis“), ein Gut von möglichst konstantem Verkehrswert ist. Auf welches Gut von mehreren Gütern gleicher Wertbeständigkeit man sich dabei einigt, ist unter dem Gesichtspunkt der Messung ganz gleichgültig. Ein schwer transportables Gut ist genau so brauchbar wie ein leicht bewegliches, ein immaterielles genau so wie ein materielles.
Damit die Kaufkraft, das Recht des Güterbezugs, zu einem brauchbaren Instrument des Verkehrs wird, ist aber mehr erforderlich, als die durch Vergleichung mit einem bestimmten Gute herbeigeführte Feststellung ihres Verkehrswertes. Sie kann als Gegenleistung für eine Leistung nur unter zwei weiteren Voraussetzungen dienen. Zunächst muß sie leicht übertragbar sein. Das in ihr verkörperte Recht muß in möglichst formloser Weise jederzeit den Inhaber wechseln können. Vor allem aber muß dieses Recht vor jeder Anfechtung und jeder willkürlichen Verkürzung geschützt, es muß unbedingt gewährleistet sein. Die Herbeiführung der Übertragbarkeit bietet keine Schwierigkeiten, da sie lediglich eine Frage der Verkehrstechnik ist. Dagegen ist die Sicherstellung der Kaufkraft, die Gewährleistung, des Güterbezugsrechts, das ihren Inhalt ausmacht, ein wesentlich schwierigeres Problem. Es ist sehr einfach, eine Kaufkraft, über die man verfügt, einem Dritten abzutreten. Aber wer bürgt diesem Dritten dafür, daß sein Gegenpart die abgetretene Kaufkraft wirklich in der vereinbarten Höhe besitzt? Und wer bürgt ihm ferner dafür, daß, wenn er später zur Verwertung der erworbenen Kaufkraft «oder eines Teils von ihr schreiten will, die Inhaber der Güter, die er zu beziehen wünscht, sein Bezugsrecht anerkennen und ihm die Güter aushändigen?
Es wäre denkbar, daß der Zedent dem Zessionär ein förmliches Anerkenntnis über die Abtretung der Kaufkraft ausstellt, in dem er zugleich versichert, daß er jedem Güterbesitzer, von dem der Zessionär in Ausübung seiner Kaufkraft ein Gut zu beziehen wünscht, den Gegenwert aushändigen werde. Es wäre auch denkbar, daß die Schwerfälligkeit, die einem solchen Verfahren beiwohnen würde, auf irgend einem technischen Wege beseitigt wird. Ein derartiger Verkehrs würde aber ein ausgesprochener Kreditverkehr sein. Jeder zum Empfange von Kaufkraft Berechtigte würde anstelle der Kaufkraft selbst nur eine Anweisung auf Kaufkraft erhalten, keine Zahlung, sondern nur ein Zahlungsversprechen. Eines solchen Systems allgemeiner gegenseitiger Kreditgewährung kann der tägliche Verkehr sich nicht einmal in einem kleinen Gemeinwesen bedienen, geschweige in einem großen; wenn es auch Volkswirte gibt, – wie beispielsweise Adam Müller – die den Kredit als die ursprüngliche Grundlage des Verkehrs ansehen.
Aus der praktischen Unmöglichkeit, den Übergang der Güter-Anrechte (Kaufkraft) aus einer Hand in die andere ausschließlich im Wege des privaten Kredits zu bewirken, wird nun meist gefolgert, der Verkehr habe den ganzen Anweisungs-Gedanken bald fallen lassen resp. überhaupt niemals verwirklicht, sondern sei dazu geschritten, dasjenige Gut, an dem alle anderen Güter oder die Anrechte auf diese Güter gemessen wurden, in natura als Verkehrsmittel zu benutzen. Der Käufer habe also den Verkäufer nicht mit dem Anrecht auf den zeitlich unbeschränkten Bezug beliebiger Güter, mit einer abstrakten Kaufkraft, bezahlt, sondern habe ihm jenes konkrete Meß-Gut (Vieh, Getreide, Kupfer) übergeben; und der Verkäufer habe dieses Gut genommen, in der Gewißheit, es seinerseits wieder gegen beliebige Güter eintauschen zu können, sobald er nach ihnen Verlangen tragen würde. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob die Kaufkraft-Übertragung wirklich jemals in dieser rohen Art stattgefunden hat und überhaupt stattfinden konnte. Anhänger der historischen Methode in der Volkswirtschaftslehre mögen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie der kleine und mittlere Verkehr zur homerischen Zeit mit dem konkreten Meß-Gut „Ochse“ fertig geworden ist, und in welcher Weise der alte Babylonier dem Verkäufer eines Bechers Milch das ihm zustehende Quantum Kaufkraft in Getreide oder Kupfer zugewogen hat. Die hier vorausgesetzte primitive Methode des Kaufkraft-Übergangs wäre, wenn sie sich praktisch verwirklichen ließe, unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine ideale. Das lästige Element des Kredits wäre dadurch radikal aus den Verkehr ausgemerzt. Es würde kein Zweifel mehr darüber bestehen können, ob der zahlende Teil denn auch wirklich über die Kaufkraft verfügt, die er auf den empfangenden Teil überträgt; ob er tatsächlich auf die Ausnutzung der abgetretenen Kaufkraft verzichten und nicht etwa in vertragswidriger Weise das Recht der Güterauswahl ausüben wird, obwohl er sich seiner förmlich begeben hat; und ob Dritte die Kaufkraft auch dem neuen Inhaber gegenüber anerkennen werden. Denn der zahlende Teil würde ja dem empfangenden nicht nur die Kaufkraft, also ein abstraktes Recht, sondern zugleich auch ein körperliches Unterpfand in der genauen Höhe des Verkehrswerts jenes Rechts übergeben haben. Er würde seinen Verzicht nicht nur ausgesprochen oder verbrieft, sondern effektiv bewerkstelligt haben. Aber unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsförderung ist diese rechtssichere Art der Kaufkraft-Übertragung so ungeeignet wie nur möglich. Sie bleibt an Schwerfälligkeit nur wenig hinter den primitiven Verkehrs formen in der Tauschwirtschaft zurück, von denen sie sich lediglich dadurch unterscheidet, daß sie ein einziges Normal-Tauschmittel, nämlich das Meß-Gut, an die Stelle der unbeschränkten Anzahl von Tauschgütern setzt, deren sich die Tauschwirtschaft bedient.
Da bietet sich nun ein naheliegender Ausweg. Wenn es auch praktisch untunlich ist, den Übergang der Kaufkraft aus einer Hand in die andere durch Privat-Anweisungen zu bewerkstelligen, da das den Verkehr auf Kredit statt auf Zahlung gründen hieße, so bestellt doch kein Hindernis, die recht unsicheren Privat- Anweisungen durch rechtssichere öffentliche Anweisungen zu ersetzen. Wird das Vorhandensein einer bestimmten Kaufkraft nicht von ihrem Inhaber, sondern von einer neutralen Stelle bescheinigt, die die Macht hat, jeden Beteiligten zur Innehaltung seiner Verpflichtungen zu zwingen, so fällt die Unsicherheit beim Besitzübergang der Kaufkraft fort. Die Übergabe der Bescheinigung ist dann gleichbedeutend mit der Uebergabe der Kaufkraft selbst, und der Kreditvorgang verwandelt sich in effektive Zahlung. Welches die neutrale Stelle ist, die derartige Bescheinigungen ausstellt, ist gleichgültig, sofern nur das Gesetz hinter ihr steht und ihr die Macht verleiht, dem Inhalt ihrer Bescheinigungen allgemeine Anerkennung und Erfüllung zu erzwingen. Staat, Gemeinde, Bank und private Körperschaft sind in vollkommen gleicher Weise zur Ausfertigung der Kaufkraft-Bescheinigungen geeignet, wenn das Gesetz die letzteren schützt und zu öffentlichen Dokumenten macht. Aber eine große Schwierigkeit steht dieser im Prinzip so einfachen Lösung zunächst noch im Wege. Das ist die Frage der Anrechts-Prüfung.
Soll eine beliebige Stelle Bescheinigungen über das Vorhandensein einer Kaufkraft ausstellen, so muß sie sich vergewissern, daß die betreffende Kaufkraft auch wirklich in der zu attestierenden Höhe vorhanden ist. Sie darf nicht etwa Anweisungen willkürlich ausstellen. Denn jede Anweisung ist ein Dokument, in dem zum Ausdruck gebracht wird, daß ihr Inhaber auf die Ausübung einer Kaufkraft, deren Besitzer er auf Grund irgend welcher Verkehrsakte geworden ist, bislang verzichtet hat; daß er ein früher erworbenes Anrecht auf Konsum noch nicht geltend, gemacht hat. Wollte die öffentliche Stelle – sagen wir: der Staat – solche Anweisungen nach eigenem Gutdünken schaffen, d.h. Bescheinigungen über eine Kaufkraft ausstellen, von deren tatsächlichem Vorhandensein er sich nicht überzeugt hat, so würde er denjenigen, denen er die Bescheinigungen übergibt, damit ein Anrecht auf den Bezug von Gütern verschaffen, die gar nicht existieren. Denn jedes Gut materieller oder immaterieller Art, das sich im Lande befindet, ist irgend jemandes Eigentum; entweder das Eigentum seines Inhabers, oder das eines bestimmten Gläubigers, der es dem Inhaber zeitweilig überlassen hat, oder endlich das eines unbekannten Dritten, der über die entsprechende Kaufkraft verfügt, der also Güter hingegeben oder Dienste geleistet hat, ohne die äquivalente Gegenleistung bisher in Anspruch zu nehmen. Die Gesamtheit der vorhandenen Güter, die irgend einen Verkehrswert haben, ist somit reserviert. Es gibt kein herrenloses Gut. Und wenn die mit der Ausstellung der Kaufkraft-Bescheinigungen betraute Stelle eine einzige Bescheinigung ausstellt, der keine Kaufkraft entspricht, so fällt der darin verbriefte Güter-Anspruch in’s Leere. Er kann entweder gar nicht, oder nur auf unrechtmäßige Weise, auf Kosten eines echten Güter-Anspruchs, befriedigt werden. Obwohl er mit der Prätention und in der äußeren Erscheinungsform eines wohlerworbenen Anrechts auftritt und mit den tatsächlich erworbenen Anrechten konkurriert, hat er in Wirklichkeit keinen begründeten Rechtsanspruch auf vorhandene Güter.
Der Staat darf also Kaufkraft-Bescheinigungen immer nur dann ausstellen, wenn ihm der exakte Nachweis des wirklichen Vorhandenseins der Kaufkraft erbracht worden ist. Und dieser Nachweis läßt sich in keiner anderen Weise erbringen, als dadurch, daß ein der Kaufkraft entsprechendes Gut in den Gewahrsam des Staates gebracht wird. Das deckt sich auch mit dem Sinn des ganzen Vorgangs. Da Kaufkraft nichts anderes ist als ein Anrecht auf Güter, die zurzeit noch nicht bezogen, also noch im Besitz dritter Personen sind, so muß derjenige, der seine Kaufkraft fortgeben will und dazu eine Bescheinigung des Staates benötigt, dem Staat ein Unterpfand dafür stellen, daß jene dritten Personen der Aufforderung, auf Verlangen ihre Güter an den Erwerber der Kaufkraft auszuliefern, auch wirklich nachkommen werden. Erst wenn der Staat ein äquivalentes Faustpfand in Händen hat, kann er eine Bescheinigung ausstellen, die zugleich ein Befehl an incertam personam ist, Güter des bescheinigten Verkehrswerts an den Inhaber der Bescheinigung auszuhändigen. Zugleich ist es nur logisch, daß. der Staat, der in der Kaufkraft-Bescheinigung ausdrücklich attestiert, ein Güterbezugsrecht in bestimmter Werthöhe sei bisher nicht ausgeübt worden, sich Güter des betreffenden Verkehrs wertes hinterlegen läßt und sie zur Verfügung desjenigen hält, der das Bezugsrecht etwa gerade in einem Gute der hinterlegten Art ausüben will. Der Bezugsberechtigte kann dann gegen Rückgabe der Bescheinigung das hinterlegte Gut beim Staate in Empfang nehmen. Als Faustpfand für die Kaufkraft-Bescheinigung kommt jedes Gut in Frage, das der Verkehr selbst als Kaufkraft-Ersatz wählen würde, also etwa Vieh, Getreide oder Metall. Wenn diese Güter auch als bewegliche Zahlmittel des täglichen Verkehrs zu unhandlich sind, so sind sie doch sehr geeignet zum ruhenden Pfand einer öffentlichen Kaufkraft-Bescheinigung.
Kaufkraft-Bescheinigungen der geschilderten Art sind Geld. Und Erwägungen der geschilderten Art sind der Grund, warum die Anhänger der metallistischen Geldtheorie der Ansicht sind, daß Kaufkraft-Bescheinigungen nicht früher „Geld“ werden können, bevor nicht für sie ein Faustpfand hinterlegt ist. Wenn die meisten Metallisten weiter gehen und behaupten, daß die Bescheinigungen auch nur so lange Geld bleiben können, wie das Faustpfand bei der ausgebenden Stelle hinterlegt bleibt, und daß aus diesem Grunde das Faustpfand-Prinzip dauernd beibehalten werden muß, so ist eine derartige Auffassung nicht richtig. Wir werden demnächst sehen, warum nicht.
III. Der „Fetischcharakter“ des Geldes.
Die Funktionen, die das Geld, aller Welt sichtbar, in der Verkehrsgemeinschaft ausübt, verleiten sehr leicht dazu, das Wesen des Geldes mit diesen Funktionen zu identifizieren. Daher die Unzahl oberflächlicher und im Grunde nichtssagender Begriffserklärungen, mit denen die Literatur des Geldes durchsetzt ist. Nach Aristoteles ist Geld, „für was man erhält, was man braucht“, nach Roscher „was überall gilt“. Nach Knies ist es „der Wertträger durch Baum und Zeit“, nach Bastiat die „marchandise intermédiaire“. Fisher nennt Geld „was im Austausch für Güter allgemein zur Annahme gelangt“, Helfferich „die Gesamtheit derjenigen Objekte, welche die Bestimmung haben, den Verkehr zwischen den wirtschaftenden Individuen zu vermitteln“. Die richtige Kritik an allen diesen Definitionen hat, ohne es zu wissen, ein Amerikaner geübt, indem er sie in den lapidaren Satz zusammenfaßte: „money is what money does“. In der Tat sagen uns alle jene Begriffserklärungen nur, was das Geld tut und wozu man es benützt, aber nicht, was es denn eigentlich ist.
„Geld“ ist anerkannte und verbriefte Kaufkraft. Genauer, es ist die auf den Inhaber lautende öffentliche Bescheinigung eines bestehenden Güterbezugsrechts in Höhe eines bestimmten Verkehrswertes und außerdem eine Anweisung an jedermann, dem Inhaber Güter oder Dienste desselben Verkehrswertes auszuliefern. Das Geld ist also ein Anerkenntnis und ein Befehl zugleich. Als Anerkenntnis hat es die Voraussetzung, daß das tatsächliche Bestehen des bescheinigten Güterbezugsrechtes – der Kaufkraft – festgestellt worden ist. Als Befehl hat es die Voraussetzung, daß demjenigen, der in Befolgung des Befehls Güter oder Dienste hergibt, ein gleichwertiges Güterbezugsrecht – eine gleiche Kaufkraft – gesichert worden ist. Die Feststellung kann nur erfolgen, wenn derjenige, der sie getroffen und bescheinigt haben will, ein Gut im Verkehrswert seiner angeblichen Kaufkraft vorweist. Die Sicherung kann nur erfolgen, indem demjenigen, der Güter oder Dienste hergeben soll, ein Gut im Verkehrswert der dagegen einzutauschenden Kaufkraft zur Verfügung gehalten wird. Damit das aber möglich ist, und damit zugleich verhindert wird, daß der erste Inhaber der Bescheinigung die abgetretene Kaufkraft etwa widerrechtlich ausübt, muß das von diesem vorgewiesene Gut bei der bescheinigenden Stelle hinterlegt werden und als Faustpfand für die Befriedigung des jeweiligen Inhabers der Bescheinigung hinterlegt bleiben. Nur beim Vorhandensein einer solchen Sicherung kann Geld entstehen, das seine volle Schuldigkeit als Kaufkraft-Bescheinigung tut.
Alles, was einmal entsteht, muß einmal endigen, demnach auch das Geld. Aber wie endigt das Geld? Da es bescheinigte Kaufkraft ist, kann es nur aufhören zu bestehen, wenn entweder die Kaufkraft nicht mehr existiert, oder wenn der Inhaber der Kaufkraft auf die Bescheinigung verzichtet. Das letztere geschieht freiwillig niemals. Die Bescheinigung kann verloren gehen; aber dann ist, wenn kein Finder da ist, der sich den in ihr verkörperten Rechtsanspruch aneignet, die Kaufkraft ebenfalls verloren, und das für sie hinterlegte Pfandgut wird frei. Die Bescheinigung kann auch gegen ein Kaufkraft-Anerkenntnis anderer Art umgetauscht werden, ein verkehrstechnischer Vorgang, auf «den wir später zu sprechen kommen. Damit verschwändet dann ein bestimmtes Stück Papier. Aber das in dem Papier verkörperte Recht lebt in anderer Gestalt fort. Das Geld hat zwar eine Metamorphose durchgemacht, aber es hat nicht zu bestehen aufgehört. Demnach endet das Geld nur zusammen mit der Kaufkraft, die in ihm verbrieft ist. Wie und wann endet aber die Kaufkraft? Wir wissen, wie sie entsteht: Dadurch, daß jemand auf die Ausübung eines ihm zustehenden Güterbezugsrechts einstweilen verzichtet, sich die Ausübung für einen späteren Zeitpunkt vorbehält. Hört sie nun dementsprechend in dem Moment zu bestehen auf, wo derselbe Jemand seinen zeitweiligen Verzicht beendet und sein Bezugsrecht ausübt? Nein. Dadurch wird die Kaufkraft nicht zum Erlöschen gebracht, sondern lediglich auf einen anderen übertragen, der – dem im Gelde liegenden Befehl Folge leistend, – die Güter oder Dienste hergibt, die jener haben will. Inhaber der Kaufkraft und des Rechtsanspruchs auf das zu ihrer Sicherheit an öffentlicher Stelle unterliegende Pfand- und Meß-Gut ist nunmehr der Andere. Die Kaufkraft erlischt also nicht, wenn man sie ausübt, sondern sie wandert. Sie geht vom Besitz des Zweiten in den des Dritten, des Vierten, des Hundertsten über, sie „zirkuliert“. Und zwar zirkuliert sie bis zu dem Moment, wo ein Inhaber statt des Rechts auf den Bezug beliebiger Güter das Recht auf Abhebung des Pfandgutes geltend macht. Dieser Inhaber erst vernichtet die Kaufkraft. Er vernichtet sie nicht, weil er das in ihr verkörperte Recht ausübt; denn das kann er auch durch Weitergabe des Rechts an einen Dritten tun, was am Fortbestehen der Kaufkraft nicht das mindeste ändert. Sondern er vernichtet sie, weil er durch Abhebung des bestellten Pfandes den Verzieht rückgängig macht, durch den die Kaufkraft seinerzeit erstanden ist. Er übt das ihm zustehende Güterbezugsrecht nicht lediglich für seine Person, rein privatwirtschaftlich aus, sondern für die Verkehrsgemeinschaft, als das letzte Glied einer Kette von Rechtsinhabern. Dadurch bringt er die Kaufkraft definitiv zum Erlöschen und das sie darstellende Geld zum Verschwinden. Was er nunmehr mit dem vormaligen Pfand beginnt, das jetzt wieder Gut unter Gütern geworden ist, das ist seine Sache. Er kann es nach Belieben produktiv oder konsumtiv verwenden, er kann es durch Weitergabe zum. Erwerb einer bereits bestehenden, zirkulierenden Kaufkraft benutzen, indem er es einem Dritten entgeltlich ab tritt und dadurch in den Besitz eines anerkannten Güterbezugsrechts (Geld) kommt, er kann es endlich durch neuerlichen Verzicht in neue Kaufkraft umwandeln. Im letzteren Falle muß er das Pfandgut wieder einreichen, um sich den Verzicht attestieren zu lassen und die Kaufkraft dadurch übertragbar zu machen, wodurch dann von neuem Geld entsteht.
Wie aber, wenn das Pfand- und Meß-Gut während der Zirkulation des Geldes abhanden gekommen ist? Angenommen, das Pfand bestehe aus Getreide, das in öffentlichen Speichern lagert; und eines Tages verbrenne es bis auf das letzte Korn. Ist damit die Kaufkraft vernichtet, die durch das Getreide gesichert werden sollte, und ist das Geld wertlos, das die Kaufkraft im Verkehr Vertritt? Nein. Das Geld zirkuliert nach wie vor und ohne jede Hemmung weiter. Die Kaufkraft kann von jedem Besitzer des Geldes ausgeübt werden, ganz als wäre das Pfandobjekt noch vorhanden. Weshalb auch nicht? Was hat sich denn durch den Verlust des Pfandgutes an dem Recht der Kaufkraft und des sie vertretenden Geldes geändert? Der Verzicht des ersten Besitzers auf einen Güteranspruch in bestimmter Höhe ist nicht aufgehoben worden, besteht also weiter und überträgt sich auf jeden folgenden Besitzer des Geldes. Wer den Verzicht für seine Person aufheben und das ihm zustehende Güter-Bezugsrecht ausüben will, kann es tun. Er kann noch immer eine freie Wahl unter allen am Markte befindlichen Gütern treffen, die sich ja durch das Verschwinden des gesperrten Pfandgutes nicht vermindert haben. Nur eins kann er nicht: Er kann das Pfandgut selbst nicht abheben, das heißt er kann die Kaufkraft nicht zum Erlöschen bringen. Kaufkraft und Geld können nicht mehr vernichtet, sondern immer nur von Hand zu Hand gegeben werden; beide kommen niemals mehr zur Ruhe, sondern müssen wie Ahasver unablässig wandern und wieder wandern. Mit anderen Worten: Dadurch, daß das Pfandgut vernichtet wurde, sind die Kaufkraft und das sie darstellende Geld unvernichtbar, unsterblich geworden.
Die Beziehung des Geldes zum Pfandgute ist sonach eine ganz eigentümliche. Das Geld kann ohne ein in concreto niedergelegtes Pfandgut nicht entstehen, weil nur durch die Niederlegung eine mehrfache Ausnutzung einer und derselben Kaufkraft verhindert werden kann. Ist das Geld aber erst einmal entstanden, so ist es für sein ferneres Bestehen gleichgültig, ob das Pfandgut vorhanden ist oder nicht. Nachdem der im Gelde verkörperte Rechtsanspruch einmal, nämlich bei seiner Ausgabe, geprüft worden ist., erfolgt keine weitere Prüfung mehr, sondern er läuft dann von Hand zu Hand, ohne daß sich jemand vergewissert, oh das Pfandgut noch vorhanden ist, oder nicht. Es kommt niemand in den Sinn, Geld zurückzuweisen, weil Zweifel am Vorhandensein des Pfandgutes entstanden sind. Ja, der im Gelde niedergelegte Befehl zur Hergabe von Gütern eines bestimmten Verkehrswerts wird sogar dann noch von jedermann pünktlich befolgt, wenn es allgemein bekannt ist, daß das Pfandgut verschwunden ist. Daraus ergibt sich eine für das Wesen des Geldes überaus charakteristische Tatsache, die zugleich aber den Keim der gefährlichsten Mißverständnisse in sich tragt; die Tatsache nämlich, daß der Verkehrswert des Geldes an und für sich nicht das mindeste mit dem Moment des „Vertrauens“ und mit der größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit einer „Einlösbarkeit“ zu tun hat. Der Verkehr verlangt vom Gelde nicht, daß es jederzeit in ein bestimmtes Pfandgut zurückgetauscht werden könne. Was er verlangt, ist lediglich, daß der im Gelde verkörperte Rechtsanspruch irgendwann und irgendwie festgestellt und dauernd gegen jede mißbräuchliche Geltendmachung geschützt sei. Beides, Feststellung sowohl als auch Schutz, kann zwar nur bei Hinterlegung eines Guts erfolgen; fällt das hinterlegte Gut aber später der Vernichtung anheim, so schadet das nichts, denn es ändert weder etwas an der Fortdauer des einmal nach gewiesenen Rechtanspruchs, noch an der Verhinderung des Mißbrauchs. Die Gewähr, daß die im Gelde dargestellte Kaufkraft niemals durch einen Anderen als den Inhaber des Geldes, also niemals unrechtmäßig, ausgeübt werden kann, ist nach der Vernichtung des Pfandgutes sogar eher noch, größer als vorher; denn nunmehr existiert außerhalb des Geldes nichts mehr, was die in ihm dargestellte Kaufkraft verkörpert und, durch Zufall oder Willkür etwa freigesetzt, dieselbe Kaufkraft zum zweiten Male in den Verkehr gelangen lassen könnte. Fortan ist das Geld der einzige und absolute Vertreter der Kaufkraft, mit der es unlöslich verbunden, ja geradezu identisch geworden ist.
Es ist also etwas ganz natürliches, wenn der Verkehr das Geld nach wie vor als den vollgültigen Träger der Kaufkraft anerkennt, obwohl das s. Zt. bestellte Pfandgut nicht mehr vorhanden, ein Rücktausch in dieses Gut daher unmöglich geworden ist. Nicht etwa deshalb, weil das Geld, das bis dahin durch Rückbeziehung auf ein Pfandgut „Getreidegeld“ oder „Viehgeld“ oder „Metallgeld“ gewesen ist, jetzt zu einer bloßen „Marke“ einem, „Symbol“, einem „konventionellen Ausdruck“ geworden ist, zirkuliert es weiter, als wäre nichts geschehen; sondern es zirkuliert, weil sich am verbrieften Rechtsanspruch nicht das mindeste geändert hat. Von einer pathologischen Erscheinung, von einem Fetischismus, der mit dem Gelde getrieben wird, kann hier ganz und gar keine Rede sein, vielmehr handelt es sich um einen durchaus logischen Vorgang. Und wenn Anhänger der metallistischen. Geldtheorie die dauernde Hinterlegung eines Pfandguts nur aus dem Grunde fordern, weil das Geld in dem Moment, wo es nicht mehr in das ursprüngliche Pfand- und Meß-Gut zurückgetauscht werden kann, also uneinlösbar geworden ist, kein wirkliches Geld, keine Kaufkraft-Bescheinigung mehr darstelle, so gehen sie von einer falschen Voraussetzung aus und machen es ihren Gegnern, den Nominalisten, leicht, sie zu widerlegen.
IV. Geldmenge und Geldwert.
Die Funktionen des Geldes werden, wie wir gesehen haben, vom Schicksal des Meß-, und Pfandgutes, auf das es sich zurückbezieht, nicht berührt. Auch wenn dieses Gut eines Tages verschwindet, verrichtet das Geld nach wie vor seinen dreifachen Dienst des Messens, Übertragens und Gewährleistens der Kaufkraft. Das will aber nicht besagen, daß das Verschwinden eines dem Geldumläufe entsprechenden Güterquantums nun überhaupt ohne jede wirtschaftliche Wirkung bliebe. Schließlich muß es notwendigerweise irgendwelche Folgen haben, wenn die Kaufkraft, die durch einen Konsumverzicht in der Vergangenheit entstanden ist und ihrem Inhaber ein äquivalentes Konsumrecht für die Gegenwart und Zukunft gewährleistet, in Form von Geld weiterlebt und -wirkt, während das Gut, aus dem die Kaufkraft sich seinerzeit gebildet hat, indem sie es dem Konsum entzog und aufsparte, in Verlust geraten ist. Es kann unmöglich ein belangloser, neutraler Vorgang sein, wenn das an öffentlicher Stelle hinterliegende Meß- und Pfand-Gut, sagen wir Getreide, plötzlich vernichtet wird, die Güterbezugsrechte aber, die an diesem Gute haften, nach wie vor in Geltung sind. Und in der Tat hat das Abhandenkommen des Getreides bedeutsame Folgen, wenn sie auch die Funktion des Geldes nicht berühren. Das stellt sich in dem Moment heraus, wo beliebige Inhaber dargestellter Kaufkraft, d.h. von Geld, den Versuch machen, ihr Bezugsrecht auf das seinerzeit als Pfandgut hinterlegte Getreide auszuüben.
Ein solcher Versuch wird immer unter bestimmten Voraussetzungen gemacht, die wir an dieser Stelle nicht erschöpfend darlegen können; es genügt aber vollkommen, wenn wir uns einen einzelnen naheliegenden Fall vergegenwärtigen. Nehmen wir an, es entstehe im freien Handelsverkehr infolge einer Mißernte ein Mangel an Getreide. (Der Fall läßt sich zwanglos auch auf das Vieh anwenden, das durch eine Seuche dezimiert wird, oder auf (Metall, in dem durch Minderförderung, industriellen Mehrverbrauch, Schmuckmode usw. eine Knappheit entsteht.) Die Folge ist, gemäß dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, ein Steigen des Getreidepreises (oder des Vieh- bezw. Metall-Preises). Diese Preissteigerung muß notwendig dazu führen, daß die Inhaber von dargestellter Kaufkraft (Geld) auf das öffentlich aufgespeicherte Pfandgetreide (Pfand-Vieh, Pfand-Metall) zurückzugreifen versuchen. Aus dem einfachen Grunde, weil dieses Pfandgetreide billiger ist, als das im Verkehr befindliche, knapp gewordene Getreide. Das Verhältnis zwischen dem Gelde und dem Pfandgetreide ist seinerzeit, als das Geld zum Zwecke der Kaufkraft-Bescheinigung ausgegeben wurde, einem bestimmten Verkehrswert des Getreides entsprechend fixiert worden. Wurde damals die einzelne Geldeinheit drei Scheffeln Pfandgetreide, gleichgesetzt, so gilt, ungeachtet der inzwischen eingetretenen Preissteigerung des Marktgetreides, die sich darin äußert, daß für eine Geldeinheit im Verkehr nur noch zwei Scheffel Getreide erhältlich sind, noch immer das alte Verhältnis von 1 zu 3 zwischen Geld und Pfandgetreide. Es versteht sich also von selbst, daß zahlreiche Geldinhaber versuchen, ihr Geld gegen Pfandgetreide einzuwechseln, d.h. zur „Einlösung“ zu bringen. Und zwar wird dieser Versuch normalerweise so lange wiederholt, bis das aus den Speichern strömende Pfandgetreide (Pfand-Vieh, Pfand-Metall) die Vorratsmenge des Marktgetreides (Markt-Viehs, Markt-Metalls) hinreichend vermehrt hat, um den Preis des letzteren wieder auf den Stand des ersteren heruntersinken zu lassen.
Was ist der wirtschaftliche Sinn dieses Vorgangs? In dem Maße, wie Geld zur Einlösung kommt, wird ein Güterbezugsrecht ausgeübt, aber nicht, wie sonst, durch Übertragung des im Golde verkörperten, Rechts auf Dritte, sondern durch Aufhebung des Rechtsverhältnisses. Eine Gütermenge, die bisher gesperrt, dem Markte entzogen war, wird konsumiert; gleichzeitig erlischt der Rechtanspruch auf diese Gütermenge, der bisher in Geldform zirkulierte. Mit andern Worten: Kaufkraft, die sich seiner Zeit durch einen Konsumverzicht gebildet hat, beendet den Verzicht und vernichtet sich dadurch selbst. Den am Markte befindlichen Gütern steht also fortan eine verringerte Menge Kaufkraft gegenüber, mit der Wirkung, daß die Nachfrage nach den Gütern sinkt, ihr Verkehrswert zurückgeht. Nicht nur das Meß-Gut (Getreide, Vieh, Metall) sinkt im Preise, sondern auch der Durchschnittspreis aller andren Güter und Dienste ermäßigt sich, weil nur noch ein verkleinertes Quantum Kaufkraft Ansprüche auf sie geltend machen kann. Beim Meß-Gut treffen zwei Ursachen zusammen, die den Preisrückgang herbeiführen. Neben der Verringerung der allgemeinen Kaufkraft wirkt hier auch die gleichzeitige Vergrößerung der am Markte angebotenen Vorratsmenge durch den Zufluß des eingelösten und zum Verkauf gestellten Pfand-Guts. Bei allen andern Gütern dagegen, (sofern sie nicht in einem Surrogat-Verhältnis zum Meß-Gute stehen und von seinen Preisschwankungen beeinflußt werden), ist der Rückgang ihres Durchschnittspreises lediglich die Wirkung der eingetretenen Verminderung der Kaufkraft-Menge. Der Sinn des Einlösungvorgangs ist also der folgende: Droht infolge verhältnismäßiger Knappheit der als Meß-Gut dienenden Ware eine Verteuerung dieser Ware und eine entsprechende Entwertung der umlaufenden Kaufkraft-Bescheinigungen (Geld), so versucht der Verkehr das gestörte Gleichgewicht dadurch wiederherzustellen, daß er einen Teil der Kauf kraft-Bescheinigungen vernichtet und einen ebenso großen Teil des der Kaufkraft verpfändeten Meß-Guts freisetzt. Dann nimmt die Menge marktfähigen Guts zu, das Quantum der Kaufkraft, das ihr gegenübersieht, nimmt ab, und die Tendenz der Verteuerung wird durch die Gegentendenz einer entsprechenden Verbilligung aufgehoben.
Hier sind wir mitten in der sogenannten „Quantitäts-Theorie“, der Lehre von der direkten Beziehung zwischen Geldmenge und Preis. Der leitende Gedanke dieser Theorie, daß jede Zunahme des Geldes preissteigernd, jede Abnahme preisermäßigend wirkt, besagt im Grunde nichts anderes, als daß der Verkehrswert der Güter steigt, wenn ihnen eine verstärkte, und sinkt, wenn ihnen eine verminderte Nachfrage gegenübertritt. Gäbe es in der Volkswirtschaftslehre eine Selbstverständlichkeit, so wäre dies eine solche. Die Theorie ist aber dadurch in Mißkredit gekommen, daß die meisten ihrer Anhänger sich nicht mit dem Nachweis der Tendenz begnügen, sondern eine genaue Proportionalität zwischen Geld- und Preisveränderung vermuten, ja oft sogar auf exaktem Wege beweisen wollen. So Ricardo, so Stuart Mill („wenn plötzlich der ganze Geldvorrat sich verdoppelte…, so würde die Folge einfach sein, daß alle Preise und Löhne auf die doppelte Höhe steigen würden“), so letzthin Cassel, der den ganz abwegigen Versuch macht, aus den Wechselkursen die Preise und aus den Preisen die Quantitätsveränderung des Geldes ziffernmäßig he rauszurechnen, so vor allem Irving Fisher, der ebenfalls an eine ganz genaue Parallelbewegung zwischen Geldmenge und Güterpreis (unter Berücksichtigung der Umlaufgeschwindigkeit auf beiden Seiten) glaubt und sogar mathematische Formeln dafür prägt. Alle diese exakten Nachweise sind verfehlt. In der Praxis kommt es niemals dazu, daß sich zwischen Geldmenge und Preis irgend ein arithmetisches oder geometrisches Verhältnis herausbildet, weil beide Elemente, die Geld Vermehrung sowohl wie die durch sie hervorgerufene Teuerungstendenz, Correktive in sich selbst tragen, die ihre Wirksamkeit abschwächen. Die bedeutsamsten dieser Correktive sind die Zirkulations-Verlangsamung auf der Geldseite und der technische Fortschritt auf der Güterseite. Die Anhänger der exakten Quantitätstheorie sehen sich daher auch genötigt, an ihren Nachweis einer gesetzmäßigen Parallelbewegung zwischen Geldmenge und Preis immer wieder den Vorbehalt eines „ceteris paribus“ zu knüpfen, wodurch sie sich aber selbst den Boden abgraben, denn die „ceteri“ bleiben eben bei einer Geldvermehrung niemals „pares“. Die Preisbewegung ist das Endergebnis einer Summe von Ursachen, in der die Zu- und (Abnahme der Geldmenge nur einen einzelnen Faktor bildet, freilich einen sehr wichtigen, weil er alle anderen Faktoren beeinflußt, also gleichzeitig direkt und indirekt auf den Preis einwirkt. Als feststehend darf man daher immer nur die Tendenz, -nicht das konkrete Ausmaß, ihrer Wirksamkeit betrachten. Der Tendenz nach wirkt aber jede Geldvermehrung, jede Zunahme der dargestellten Kaufkraft, preiserhöhend, jede Geldverminderung preisermäßigend.
Die Rücktauschbarkeit des Geldes in das Pfand-Meß-Gut (Einlösbarkeit) ist ein sehr wichtiges Korrektiv gegen Preiserhöhungen, die ihren Grund lediglich in der zufälligen Knappheit des Meß- Gutes haben. Steigt infolge der Knappheit der Verkehrswert des Meß-Gutes über den Wert, der den Kaufkraftbescheinigungen zu Grunde liegt, also über den Geldwert, – was im Verkehr als Preissteigerung erscheint –, sie bewirkt die Einlösung, d.h. die Rückverwandlung von Geld in Meß-Gut, eine Abnahme des zirkulierenden Geldes, das ist eine Intensivierung der dargestellten Kaufkraft und eine Beseitigung der Preissteigerungstendenz. Sie bildet das Gegenstück zur Umwandlung von Meß-Gut in Geld, die immer dann stattfindet, wenn, das Meß-Gut reichlich vorhanden ist, sein Verkehrswert unter den im Gelde dargestellten Wert sinkt, und ein allgemeiner Preisrückgang ein tritt; in welchem Falle das Einsperren von Meß- Gut unter Ausgabe von Geld, d.h. die Bildung neuer Kaufkraft, die Preise wieder hebt. Die gegenseitige Vertretbarkeit von Meß-Gut und Geld ist also die Vorbedingung für eine relative Konstanz der Preise. Sie verhindert, indem sie den Umfang des Geldumlaufs bald erweitert, bald verengt, daß die im Gelde verkörperte Kaufkraft an Verkehrswert zunimmt oder einbüßt, und daß dementsprechend die in Geld ausgedrückten, Förderungen über ihr ursprüngliches Güter-Äquivalent steigen oder untere dasselbe fallen. Voraussetzung für diese Möglichkeit der selbsttätigen Ausdehnung und Zusammenziehung des Geldumlaufs ist aber das Vorhandensein des Kaufkraft-Pfandes, des niedergelegten Meß-Gutes. Wie nun, wenn dieses Meß-Gut vernichtet, die gegenseitige Vertretbarkeit also unterbrochen ist?
Tritt eine Knappheit des Meß-Guts Getreide ein – um bei unserem Beispiel zu bleiben –, so präsentieren Inhaber von Geld dieses zur Einlösung, d.h. zum Umtausch in das Pfand-Getreide. Da das Pfand-Getreide aber nicht mehr vorhanden ist, müssen sie abgewiesen werden. Ihr Geld büßt dadurch keine seiner Eigenschaften ein. Nur stellt es sich, sobald der im Gelde verkörperte Güteranspruch am Markte geltend gemacht wird, heraus, daß die Geldeinheit nicht mehr, wie es dem früheren Wertverhältnis entsprach, drei Scheffel Getreide zu kaufen vermag, sondern ein Drittel weniger; drei Scheffel „Pfand-Getreide“ haben jetzt nur noch den Verkehrs-Wert von zwei Scheffel „Marktgetreide“. Für alle Güter und Dienste, die sich mit zwei Scheffel Marktgetreide kaufen lassen, müssen die Inhaber von Geld um ein Drittel Kaufkraft mehr hingeben. Das ist der sinnfällige Ausdruck dafür, daß einer verringerten Menge Meß-Guts ein unverändertes Quantum Kaufkraft gegenübersteht, so daß, auf jede Einheit dieser Kaufkraft weniger Meßgut-Einheiten entfallen. Die dargestellte Kaufkraft, das Geld, hat also eine verhältnismäßige Entwertung erfahren, weil die selbsttätige Kontraktion des Geldumlaufs durch das Nichtvorhandensein des Pfand-Gutes unterbunden worden ist. Wir können daraus den Lehrsatz ableiten: Wird bei steigendem Verkehrswert des Meßguts das Geld daran gehindert, die in ihm verkörperte Kaufkraft durch Ausübung dek Bezugsrechts auf das Pfand-Meß-Gut zum Erlöschen zu bringen, so erfährt die dargestellte Kaufkraft (das Geld) eine Entwertung. Und umgekehrt: Wird bei sinkendem Verkehrswert des Meßguts das Meßgut daran gehindert, sieh in Pfand-Gut zu verwandeln und dadurch zusätzliches Geld entstehen zu lassen, so erhöht sich der Wert der dargestellten Kaufkraft (des Geldes).
Ändert ein solches Sinken oder Steigen seiner Kaufkraft etwas am Wesen des umlaufenden Geldes? Nein. Funktionell ist das Geld noch immer, was es war. Es mißt, überträgt und sichert die Kaufkraft nach wie vor. Eine Veränderung ist nur insofern vor sich gegangen, als die Kaufkraft, die durch das Geld gemessen, übertragen und gegen mißbräuchliche Ausnutzung gesichert wird, eine qualitative Veränderung eine Zu- oder Abnahme ihrer Potenz, erfahren hat; das Geld hat der Kaufkraft ihre Wertbeständigkeit nicht erhalten können. Die „Wertgarantie“ gehört aber gar nicht zu den Pflichten des Geldes, wie wir sie bisher kennen gelernt haben. Und sie fällt auch streng genommen nicht unter die Pflichten des Geldes als solchen. Ein Geld, das die Kaufkraft nicht mißt, nicht überträgt oder nicht gegen den Mißbrauch ihres Güterbezugsrechts sichert, ist einfach nicht denkbar. Dagegen ist ein Geld, das die in ihm verkörperte Kaufkraft nicht vor Wertschwankungen schützt, nicht nur denkbar, sondern tatsächlich weit verbreitet. Verrichtet also, ein Geld auch noch die vierte Funktion des Wertschutzes, so tut es damit etwas über seine eigentlichen Pflichten als Geld hinaus. Es ist ein besseres Geld gegenüber dem schlechteren Gelde, das nur eben seine unbedingte Pflicht und nicht mehr tut.
Wenn die Metallisten vom Gelde sprechen, so meinen sie damit das bessere Geld, weil sie die Wertbeständigkeit der Kaufkraft für genau so verkehrswichtig halten, wie ihre Meßbarkeit, Übertragbarkeit und Rechtssicherheit. Der höchstmögliche Grad von Wertbeständigkeit scheint ihnen aber nur dann gewährleistet, wenn der Geldumlauf dem leisesten Drucke des Meß-Gut-Preises gehorchend, sich automatisch ausdehnen und zusammen ziehen kann. Und das ist wiederum nur dann möglich, wenn sich Geld jederzeit in Meß-Gut, und Meß-Gut jederzeit in Geld verwandeln läßt. Aus diesem Grunde erheben die Metallisten drei grundsätzliche Forderungen, die Metallisten strengster Observanz – zu denen ich gehöre – außerdem noch eine vierte:
Erstens. Zwischen Geld und Meß-Gut muß die Beziehung der gegenseitigen Vertretbarkeit bestehen. Das Meß-Gut muß sich jederzeit in Geld, das Geld jederzeit in Meßgut umwandeln lassen.
Zweitens. Damit die gegenseitige Vertretbarkeit nicht durch Elementar-Ereignisse gestört werden kann, muß zum Meß-Gut ein unverderbliches und unverbrennbares Gut bestellt werden. Getreide, Vieh und alle sonstigen animalischen und vegetabilischen Güter scheiden daher zugunsten der Metalle und zwar solcher Metalle aus, deren Gehalt physischen und chemischen Einflüssen wie Verflüchtigung, Zersetzung, Oxydation usw in möglichst geringem Maße ausgesetzt ist.
Drittens. Da die gegenseitige Vertretbarkeit von Geld und Meßgut ihre Grenze beim jeweiligen Vorrat von Pfand-Meß-Gut findet und infolgedessen die Wertbeständigkeit der Kaufkraft gegenüber starken Preisschwankungen des Meßguts nur relativ, nicht absolut sichert, so ist von den sonst geeigneten Metallen dasjenige zum Meß-Gut zu bestellen, das erfahrungsmäßig den geringsten Preisschwankungen ausgesetzt ist. Dieses Metall ist gegenwärtig das Gold.
Hierzu tritt als vierte Forderung der konsequentesten Metallisten: Da die Möglichkeit vorhanden ist, daß die gegenseitige Vertretbarkeit von Geld und Meß-Gut infolge von Willkür-Akten, Anwendung falscher Geldtheorien, Kassenraub usw. aufgehoben wird, so empfiehlt es sich, das Pfand-Meß-Gut mit der Kaufkraft-Bescheinigung zu vereinigen, es also nicht zu sperren und im Verkehr durch Geld zu ersetzen, sondern es selbst als Geld zirkulieren zu lassen. Dann kann zum mindesten die so wichtige Rücktauschbarkeit von Geld in Pfand-Gut nicht mehr unterbrochen werden, und jeder Kaufkraft-Berechtigte hält dann außer der Bescheinigung seiner Kaufkraft zugleich das Unterpfand für ihre denkbar größte Wertbeständigkeit selbst in Händen, statt es an einer dritten, seinem Einfluß entzogenen Stelle hinterlegt zu wissen.
V. Geld und Staat.
Die eben genannten vier Forderungen und ihre Begründungwerden von den Anhängern der nominalistischen Geldtheorie gern als Beweis dafür angesehen, daß ein Geld mit Pfand-Charakter, wie es die Metallisten allein gelten, lassen, an einem inneren Widerspruch kranke. Die Pfand-Theorie, sagen die Nominalisten, fordert größtmögliche Wertbeständigkeit des Geldes. Und um diese Wertbeständigkeit herbeizuführen, kettet sie das Geld unlöslich an ein Gut, das, wie alle Güter, einen schwankenden Verkehrswert hat. Das ist unlogisch. Will man das Geld vor Wertschwankungen bewahren, so darf man es nicht mit einem materiellen Gute verbinden oder gar mit ihm identifizieren, sondern man muß im Gegenteil jede Verbindung, zwischen der Kaufkraft, die ein Rechtsanspruch und eine ideelle Größe ist, und der Materie, lösen. Als gutes Geld ist daher nicht solches Geld anzusehen, das durch Attestierung einer Pfandbestellung entsteht und durch Zurückziehung des Pfandes zu bestehen aufhört, sondern ein Geld, das die darzustellende Kaufkraft als solche, als reinen Rechtsanspruch, verkörpert. Die Sicherungsfunktionen, welche die Metallisten dem Pfand-Gute zuweisen, kann das Gesetz ebenso gut oder besser verrichten, indem es den im Gelde verbrieftem Rechtsanspruch gewährleistet. Über die Menge des auszugebenden Geldes sowie über den Zeitpunkt seiner Ausgabe und seiner Einziehung darf nicht das zufällige Vorhandensein oder Fehlen eines bestimmten Meß-Gutes entscheiden, oder der individuelle Wunsch, das freie Meß-Gut zum Pfand-Gut zu machen und umgekehrt; sondern die Allgemeinheit, der Staat, nach Maßgabe des Geldbedürfnisses. Das Geld ist, richtig verstanden, kein Geschöpf des Verkehrs, sondern ein Geschöpf der Rechtsordnung. So die Nominalisten.
Zweifellos bietet ein Geld, das des konkreten Pfand-Gutes entbehren kann, das also nicht, wie das Geld der metallistischen Theorie, ein Güter-Quantum bindet und dadurch der produktiven oder konsumtiven Verwendung entzieht, große Vorteile. Und wenn ein derartiges Geld überdies die nur relative Wertbeständigkeit der Kaufkraft, die das metallistische Geld verbürgt, durch eine absolute Wertbeständigkeit ersetzt, das Güterbezugsrecht also über Raum und Zeit hinweg unbedingt intakt erhält, so ist es schlechthin das ideale Geld. Die Frage ist nur, ob ein solches Geld sich tatsächlich schaffen läßt.
Weshalb nicht? fragen die Nominalisten. Nichts einfacher als das. Der Staat gibt papierne oder metallische Anerkenntnisse über Güterbezugsrechte aus und setzt sie in Verkehr. Obwohl irgend ein Pfandgut nicht vorhanden ist, wird der Verkehr im Vertrauen auf die Staatsautorität ohne weiteres dem Befehl Folge leisten, die Anerkenntnisse als vollgültigen Gegenwert jeder Forderung anzunehmen und Güter in Höhe desjenigen Verkehrswerts für sie hinzugeben, auf den die Anerkenntnisse lauten. Es wird schon deshalb niemand die Anerkenntnisse zurückweisen oder niedrig bewerten, weil der Staat selbst sie jederzeit zum Nennbetrag in Zahlung nimmt. Die Anerkenntnisse werden also durchaus geeignet sein, die Güterbezugsrechte zu messen, zu übertragen und zu gewährleisten, wie man es vom Gelde verlangt; sie werden als Geld zirkulieren. Von den Wertschwankungen und Mengenverhältnissen irgend eines Meß-Guts wird dieses Geld unabhängig sein da es in keiner Verbindung mit einem solchen steht. Ursprünglich ist es allerdings durch Rückbeziehung auf ein Meß- Gut entstanden. Damit der Verkehr eine deutliche Vorstellung von seiner konkreten Kaufkraft gewinne, hat der Staat bei seiner erstmaligen Ausgabe angeordnet, daß die Kaufkraft jeder Geldeinheit dem Verkehrswert einer bestimmten Menge eines bestimmten Gutes (etwa eines Grammes Gold) oder einer älteren Geldeinheit (etwa eines Silbertalers) gleich zu setzen sei. Aber nachdem diese einmalige Vergleichung vorgenommen, die Geldeinheit „historisch definiert“ worden ist, löst sich der Verkehrswert des Geldes völlig von dem des Vergleichsguts los. Die Verschiebungen in der Häufigkeit und im Verkehrswert des Grammes Gold und des Silbertalers berühren das Geld nicht mehr. Mit der Zeit kommt es völlig in Vergessenheit, welche Relation zwischen dem Gelde und dem ursprünglichen Vergleichsgut bestanden hat, ja daß überhaupt jemals eine Relation vorhanden war. Selbst wenn das Geld den Namen des Vergleichsguts adoptiert hat und sich nach der alten Gewichts- oder Geldeinheit Pfund Sterling oder Taler nennt, denkt niemand beim Aussprechen dieser Namen an: einen außerhalb des neuen Geldes liegenden Vergleichswert. Das Geld empfängt seine Kaufkraft also nicht von außen, sondern es trägt sie in sich, dank der ihm vom Staate beigelegten Eigenschaft als Anerkenntnis eines Güterbezugsrechts.
Diese Auffassung der nominalistischen Theorie hat etwas Bestechendes, weil die Verkehrspraxis sie zu bestätigen scheint. ln der Tat prüft niemand den Zwanzigmarkschein, der ihm angeboten wird, auf seine Beziehung zu irgend einem Meß-Gute oder gar Pfand-Gute; aber jeder prüft ihn daraufhin, ob er vom Staate oder mit staatlicher Genehmigung ausgegeben worden, ob er „echt“ ist. Und wenn die Echtheit außer Zweifel sieht, es also sicher ist, daß der Schein ein Geschöpf der staatlichen Rechtsordnung ist, so honoriert jedermann seine Kaufkraft mit Gütern oder Diensten im Verkehrswert von vollen zwanzig Mark.
Nichtsdestoweniger ist diese Auffassung falsch, und der Augenschein, der sie uns vermeintlich bestätigt, ist ein Taschenspieler, der die Dinge durcheinander wirft und dadurch unsere Erkenntnis trübt. Um das einzusehen, brauchen wir uns nur nochmals genau zu vergegenwärtigen, was Kaufkraft ist. Also rekapitulieren wir kurz: Kaufkraft ist, wie wir gesehen haben, (vgl. Juliheft S. 550), identisch mit einem Recht zum Bezuge von Gütern oder Diensten, das der Berechtigte noch nicht ausgeübt hat, sondern erst später ausüben, oder weitergeben wird. Kaufkraft kann also nur entstehen, insoweit jemand darauf verzichtet, in der Gegenwart konkrete Güter oder Dienste, zu deren Empfangnahme er berechtigt ist, zu übernehmen, stattdessen vielmehr das Recht erwirbt, zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort beliebige Güter oder Dienste desselben Verkehrwerts zu beziehen. Mithin setzt das Güterbezugsrecht, das den Inhalt der Kaufkraft ausmacht, einen Bezugs-Verzicht in Höhe genau desselben Verkehrswerts voraus. Irgendwo und irgendwie müssen äquivalente Güter oder Dienste bei Seite gesetzt, aufgespart sein, damit eine Kaufkraft sich bildet; denn Kaufkraft ist nichts anderes als die Unterlassung eines Konsums in der Gegenwart zu Gunsten eines künftigen Konsums, der durch die aufgesparten Gegenwartsgüter sichergestellt wird. So lange diese aufgesparten Güter vorhanden sind, kann die Kaufkraft nicht erlöschen; sie hört vielmehr erst in dem Moment zu bestellen auf, wo, in Umkehrung des Vorgangs, der zu ihrer Bildung geführt hat, das Aufgesparte dem Konsum übergeben Und dadurch ein Güterbezugsrecht in tatsächlichen Güterbezug umgewandelt wird. Es ergibt sich daraus, daß die Kaufkraft nicht von außen her, willkürlich oder nach einem vorgefaßten Plan, gebildet und vernichtet werden kann, sondern daß sie immer nur aus dem Verkehr heraus, in freier Selbstbestimmung, entsteht und vergeht. Sie ist ja nichts anderes, als der Verteilungs-Maßstab für alle diejenigen Güter und Dienste, welche der Verkehr dem gegenwärtigen Verbrauch – sei er produktiv oder konsumtiv – entzieht und für einen etwaigen späteren Verbrauch reserviert. Die Gesamt-Kaufkraft deckt sich daher genau mit dem Gesamt-Verkehrswert der reservierten Güter und Dienste, und infolge dieser Kongruenz tritt sie in ein bestimmtes oder vielmehr bestimmendes Verhältnis zürn Verkehrswert aller auf den Markt gelangenden freien Güter. Denn da jeder, der ein Marktgut anbietet, damit, ein Anrecht auf reservierte Güter, d.h. Kaufkraft, erwerben will, und da jeder, der ein Marktgut begehrt, ein ebensolches Anrecht hergeben muß, so ist die Menge der Anrechte (die Summe der Kaufkraft) von großem Einfluß auf alle Güterpreise. Hat der Verkehr viel Marktgüter in Reservegüter verwandelt, so daß viel Kaufkraft, d.h. „Geld“, zirkuliert, so steigt der Preisdurchschnitt, hat eine Rückverwandlung von Reservegütern in Marktgüter stattgefunden, so sinkt er Verwandlung und Rückverwandlung, Konsumverzicht und Konsum sind aber ihrerseits nicht etwa Zufallserscheinungen, sondern wiederum von wirtschaftlichen Momenten beeinflußt, nicht zuletzt von der Preisentwickelung, die sie selbst mitbestimmen, und zu der sie somit in einem kausalen Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.
Kaufkraft ist nach alledem mehr als eine beliebige Anweisung auf Güter und Dienste. Sie ist der Schlüssel, nach dem die Gesamtheit aller in einem gegebenen Moment am Markte befindlichen Güter und Dienste aufgeteilt wird, und paßt den Verkehrswert dieser Güter und Dienste dem Verkehrswert der durch Bezugsverzicht dem Konsum entzogenen, „reservierten“ Güter einer früheren Periode an. Indem sie die Nachfrage auf das Ausmaß des vorangegangenen Bezugsverzichts beschränkt, das heißt jeden einzelnen hindert, mehr Geld auszugeben, als er – oder ein anderer für ihn – erspart, aber nicht „angelegt“ hat, zwingt sie das Angebot in das Prokustesbett dieser beschränkten Nachfrage hinein. Und da sich aus Angebot, und Nachfrage der Preis ergibt, so steht dieser letztere und damit die wirkliche Potenz der Kaufkraft in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zur Summe der Kaufkraft.
Was tut nun der Staat, der Kaufkraft-Bescheinigungen erteilt, oder, was dasselbe ist, Geld ausgibt? Das hängt ganz von dem Verfahren ab, das er dabei anwendet. Erteilt er, wie es die metallistische Theorie fordert, die Kaufkraft-Bescheinigungen nur dann, wenn ihm das Vorhandensein der Kaufkraft durch Pfandbestellung tatsächlich nachgewiesen wird, so ist seine Funktion eine rein kommissarische. Er attestiert ein erworbenes Recht und verwaltet ein hinterlegtes Pfand, das ist alles. Er benutzt sein Hoheitsrecht nicht dazu, autoritativ in die Güterbezugsrechte einzugreifen, die sich im Verkehr gebildet haben, sondern im Gegenteil, dazu, die letzteren zu legalisieren, ihnen allgemeine Anerkennung zu verschaffen, auch gegenüber dem Staate selbst. Seine Mitwirkung bei der Entstehung des Geldes ist sonach eine ganz und gar mechanische. Der wirkliche Schöpfer des Geldes ist nicht der Staat, sondern der Verkehr.
Anders, wenn der Staat von den Befugnissen Gebrauch macht, die ihm die nominalistische Geldtheorie zuweist, wenn er also die Prüfung der Güterbezugsrechte unterläßt, auf die Pfandbestellung verzichtet und die Kaufkraft-Bescheinigungen nach eigenem Ermessen oder nach Maßgabe eines irgendwie konstatierten „Bedarfs“ ausstellt. Hier ist der Staat nicht mehr mechanisch, sondern schöpferisch tätig. Der Verkehr hat mit der Entstehung des Geldes nichts mehr zu tun. Er sieht sich nicht mehr einer natürlichen, durch Bezugsverzicht entstandenen, sondern einer künstlichen, von außen in ihn hin eingetragenen Kaufkraft gegenüber. Es ist freilich nicht zu erkennen, daß das die Wirksamkeit des Geldes irgendwie beeinträchtigt. Der Staat befiehlt, daß jedermann, der Guter oder Dienste im Verkehrswerte von zwanzig Mark anbietet, sich durch den Empfang eines vom Staate ausgegebenen Zwanzigmarkscheines für befriedigt zu erklären habe, und der Verkehr gehorcht, als habe er selbst den Zwanzigmarkschein durch Bezugsverzicht und Pfandhingabe geschaffen. An der Oberfläche des Verkehrs hat sich also durch die andersgeartete Entstehung des Geldes nichts geändert. Umso wichtigere Verschiebungen sind aber unter der Oberfläche eingetreten.
Das Bestehen einer Kaufkraft ist an sich ganz unabhängig davon, ob der Staat die Kaufkraft bescheinigt oder nicht. Gibt es keine übertragbaren Bescheinigungen, durch deren Weitergabe man seine Kaufkraft ausüben oder abtreten kann, so schafft der Verkehr sich mehr oder weniger geeignete Ersatzinstrumente. Er hilft, sich durch körperliche Übertragung des Gutes, an dem die Kaufkraft gewohnheitsmäßig gemessen, wird – des Meß-Guts –, oder auf andere Weise. Die jeweils vorhandene Kaufkraft, gleichviel, ob sie in beglaubigter (Geld-)Form oder in anderer Form umläuft, steht aber, wie wir gesehen haben, in einem ganz bestimmten Verhältnis zu den Markt-Gütern und -Diensten, und dies Verhältnis findet seinen Ausdruck im Preise der Güter und Dienste. Wer über eine Kaufkraft in Höhe von zwanzig Mark verfügt, die sich im Verkehr, d.h. durch einen entsprechenden Bezugsverzicht, gebildet hat, der hat zwar keinen Anspruch darauf, ein bestimmtes, ein für alle Mal feststehendes Quantum Güter oder Dienste dafür erwerben zu können, also zu einem ganz bestimmten Preise bedient zu werden; denn jede technische Errungenschaft und jede Entdeckung ändern die Preise lind damit das auf eine Zwanzigmark-Kaufkraft entfallende Güterquantum. Aber er hat einen Anspruch darauf, für seine zwanzig Mark denjenigen Anteil an dem Gesamtgutvorrat zu erhalten, der dem Anteil proportional ist, den die zwanzig Mark an der Gesamtkaufkraft darstellen. Hat der Gütervorrat sich (durch fortgeschrittene Produktionsmethoden) vergrößert, so entfällt- auf jedes Kaufkraft-Partikel ein absolut größeres, hat er sich (durch Krieg, Mißernte usw.) verkleinert, ein absolut kleineres Güter-Quantum. Im ersten Falle sinken, im zweiten steigen die Preise als Zeichen der eingetretenen Veränderung im Mengenverhältnis zwischen Gütern und Kaufkraft; aber der relative Anteil jedes Kaufkraft-Partikels bleibt genau derselbe. Es scheint zwar so, als ob auch er starken Schwankungen unterworfen sei, als ob er sich vergrößern und verkleinern könne, und zwar nach Maßgabe der Bildung neuer und des Erlöschens alter Kaufkraft. Denn jeder hinzutritt neuer bezw. Abgang alter Kaufkraft wirkt preissteigernd bezw. preisermäßigend. Tatsächlich kann der Verkehr aber gar nicht willkürlich Kaufkraft bilden und vernichten. Es bedarf zur Bildung neuer Kaufkraft normal erweise nicht nur eines entsprechenden Konsumverzichts[10] – der im Belieben jedes Einzelnen steht –, sondern auch der Hingabe eines entsprechenden Quantums Meß-Gut zwecks Umwandlung in Pfand-Gut. Dadurch wurde der Vorrat des am Markte befindlichen Meß-Guts verringert und sein Preis gesteigert werden. Es wäre aber unwirtschaftlich, das verteuerte, kaufkräftiger gewordene Meß-Gut in Pfand-Gut zu verwandeln, dessen Kaufkraft sich nicht erhöht hat. Verfährt dennoch jemand aus irgendeinem Grunde so unlogisch, so benutzen unbedingt Andere das entstandene Mißverhältnis dazu, um Pfand-Gut wieder in freies Meß-Gut zurückzuverwandeln, so daß tatsächlich keine neue Kaufkraft entstanden ist. In entsprechender Weise korrigiert sich auch jede willkürliche Verminderung der bestehenden Kaufkraft. Sonach hat als Regel zu gelten, daß die auf natürliche Weise, aus dem Verkehr heraus, gebildete Kaufkraft hinsichtlich ihres Relativwerts, d.h. hinsichtlich des ihr zustehenden verhältnismäßigen Anteils an der Gütergesamtheit, keinen merklichen Veränderungen unterliegt.
Hat nun der Staat außer den Pfand-gedeckten Kaufkraft-Bescheinigungen auch solche Bescheinigungen ausgestellt, die durch kein entsprechendes Pfand gedeckt sind, oder hat er, was auf dasselbe hinausläuft, einen Teil des als Pfand hinterlegten Meß- Gutes wieder in Verkehr gesetzt, so daß nebeneinander zwei Arten von Geld umlaufen, dann fällt das korrigierende Moment fort, von dem wir eben gesprochen haben: Die willkürliche Vernichtung oder Verminderung der Kaufkraft kann ungehemmt vor sich gehen. Allerdings nicht sofort. Im Anfangsstadium der Ausgabe pfandlosen (nominalistischen) Geldes reagiert der Verkehr noch prompt, indem er sich gegen die willkürliche Geldvermehrung zur Wehr setzt. Er nutzt die Preissteigerung aus, die notwendig entsteht, wenn einem gegebenen Güterquantum eine vermehrte Menge Kaufkraft gegenübertritt, und hebt Pfand-Gut gegen Rückgabe der Pfand-Bescheinigungen ab, weil auch dieses Gut am Markte jetzt einen höheren Preis als denjenigen bedingt, der bei der Pfandbeste Hang attestiert worden ist. Gibt der Staat willkürlich Geld aus, so präsentiert der Verkehr prompt Geld zur „Einlösung“ und bringt es so zum Verschwinden, wodurch er den Staatsakt neutralisiert. Aber dieser Selbstschutz des Verkehrs gegenüber dem nicht von ihm selbst, sondern ohne seine Mitwirkung auf Staatsbefehl geschaffenen Gelde hat nur einen begrenzten Spielraum. Er endet naturgemäß, sobald das letzte Pfandgut abgehoben ist, oder sobald der Staat aus irgendeinem Grunde die Herausgabe weiteren Pfandgutes verweigert, was in der Praxis stets einzutreten pflegt, wenn der Verkehr einen beträchtlichen Teil des Pfandgutes zurückgenommen hat. In diesem Moment fällt das Korrektiv fort, die staatliche Geldausgabe wird durch kein Zusammenschrumpfen des verkehr-geschaffenen Geldes mehr unwirksam gemacht, und es tritt so viel neue Kaufkraft am Markte auf, wie der Staat will. Gegen die allgemeine Preissteigerung, welche die notwendige Folge bildet, und gleich bedeutend mit einer Verringerung der im Gelde dargestellten Kaufkraft ist, wehrt sich der Verkehr freilich auch jetzt noch. Zunächst bringt er das im freien Verkehr befindliche Meß-Gut zur Ausfuhr nach solchen Ländern, die es ebenfalls als Pfand-Gut verwenden; denn dort läßt es sich in eine höherwertige Kaufkraft verwandeln, in eine Kaufkraft, die mehr Güter zu erwerben vermag, als die durch die allgemeine Preissteigerung im Inlande beeinträchtigte heimische Kaufkraft! Da das Ausland Zahlung für das Meß-Gut leisten, also Güter senden muß, – was es gern tut, da es höhere Preise erzielt als bei sich daheim –, so tritt dem vermehrten Geldumlauf bald ein vermehrter Güter-Vorrat gegenüber, der auf die Preise drückt, die Wirkung der Geldausgabe also bis zu einem gewissen Grade aufhebt. Aber auch wenn das letzte Quantum vorhandenen Meß-Guts außer Landes gegangen ist, gibt der Verkehr seinen Widerstand gegen die Preissteigerung noch nicht auf. Er importiert jetzt Güter statt gegen Meß-Gut gegen Kredit, das heißt gegen die Zusicherung späterer Lieferung von Meß-Gut oder sonstiger Güter. Wird ihm der Kredit verweigert, so hört er trotzdem nicht auf, die Preissteigerung durch Gütereinfuhr zu bekämpfen, wenn dies auch immer schwieriger wird, weil ihm die Mittel zur Bezahlung der Einfuhr zu fehlen beginnen. Denn ein Land, das weder über Meß-Gut noch über Kredit verfügt, kann nicht anders zahlen als mit Waren, beziehungsweise mit den Schuldanerkenntnissen, die das Ausland für gekaufte Inlandsware ausstellt (fremden Wechseln); der hohe Inlandspreis schreckt aber die ausländischen Käufer ah. Die Folge ist, daß der Verkehr für die fremden Wechsel, die er zur Bezahlung der Einfuhr braucht, ein Aufgeld bezahlen muß, was die Einfuhr erschwert und vermindert. Um ebensoviel aber, wie die Schuldanerkenntnisse des Auslandes im Preise steigen, sinkt der Preis der eigenen Schuldanerkenntnisse – was nur derselbe Vorgang von der anderen Seite gesehen ist –, so daß das Ausland die hohen Preise der Inlandsgüter mit verbilligten Zahlungsmitteln begleichen und daher von neuem als Käufer auf treten kann. Sobald Preissteigerung und Zahlungsmittel-Verbilligung sich gegenseitig aufheben, ist der Gleichgewichtszustand im Außenhandel wieder hergestellt: Das Ausland kauft nicht weniger Inlandsgüter, das Inland nicht mehr Auslandsgüter, als in normalen Zeiten. Der Kampf des Inlands Verkehrs gegen die Preissteigerung hat sieh, soweit er nicht durch den Export von Meß-Gut oder den Kredit des Auslandes unterstützt worden ist, als Sisyphus-Arbeit erwiesen, da die Auslandskäufe das Preisniveau immer wieder hoch betrieben haben; der Kampf ist jetzt endlich eingestellt. Und die endgültige Wirkung der pfandlosen Geldausgabe durch den Staat äußert sich nunmehr in einer Verteuerung des Durchschnittspreises der Güter sowie in einer Verteuerung der ausländischen Zahlungsmittel, d.h. in einer Entwertung der heimischen Kaufkraft im Inland wie im Ausland.
Was besagen diese Zusammenhänge für die Lehre vom Gelde? Vergegenwärtigen wir uns den Sachverhalt: Der Staat hat dem Verkehr Zahlungsmittel liefern wollen. Zu diesem Zwecke hat er kraft seines Hoheitsrechts Bescheinigungen über eine Kaufkraft ausgegeben, die tatsächlich nicht vorhanden war. In dem Maße aber, wie er seine Bescheinigungen ausgab, erfuhr die Potenz der gesamten Kaufkraft, der alten wie der neuen, eine Einbuße. Die Möglichkeit des Güterbezugs verlor an Intensität, je extensiver sie wurde. Die jeweiligen Empfänger der neuen Staats-Bescheinigungen wurden kaufkräftig, aber sie wurden es auf Kosten sämtlicher Besitzer von Bescheinigungen, deren Kaufkraft zusammenschrumpfte. Während der Staat Kaufkraft zu schaffen vermeinte, griff er in Wirklichkeit lediglich in die Rechte des Verkehrs ein, indem er eine neue Verteilung der Kaufkraft vornahm; denn er konnte dem einen nur geben, indem er allen anderen nahm. Wir sehen mithin, daß der Staat gar nicht imstande ist, Kaufkraft zu schaffen. Alles, was er vermag, ist, dem Verkehr eine Kaufkraft zu attestieren, die dieser aus sich selbst heraus gebildet hat. Geht der Staat hierüber hinaus, versucht er selbst Schöpfer zu spielen, so greift er in Rechtsverhältnisse ein, die ohne sein Zutun entstanden sind. Er erzeugt nicht, wie er es möchte, er schützt nicht, wie er es soll, sondern er stört einfach.
Das Geld ist ein Geschöpf des Verkehrs. Der Staat kann Geld nicht schaffen, sondern nur beglaubigen. Sobald er es unternimmt, Geld eigenmächtig zu erzeugen, verändert er lediglich die Rechtsverhältnisse, die im Gelde ausgedrückt sind, verwandelt er gutes Geld in schlechtes Geld. Das will durchaus noch nicht sagen, daß der Staat unter allen Umständen seine Pflichten als Hüter des Rechtes und Ordner des Verkehrs verletzt, sobald er aus eigener Initiative Geld in Umlauf setzt. Wenn er damit auch nichts anderes tut, das der Gesamtheit der Inhaber von Geld und auf Geld lautenden Forderungen einen Teil ihrer Kaufkraft zu entziehen, so ist er hierzu doch auf Grund seiner Steuerhoheit grundsätzlich berechtigt. Denn die Entziehung von Kaufkraft ist eine indirekte Steuer wie jede andere. Nur muß man fordern, daß der Staat sich der einschneidenden Wirkungen seines Tuns bewußt ist, daß er die Steuer, die er verhängt, kennt und ihre Tragweite richtig einschätzt; vor allem aber, daß er die Steuer nur dann erhebt, wenn das allgemeine Beste es dringend erheischt nicht etwa auch dann, wenn bestimmte Bevölkerungskreise ihm das Vorhandensein eines „Geldbedarfs“ suggerieren, den er ja durch das bequeme Hilfsmittel des Geld-Druckens auf die einfachste Weise befriedigen könne. Kurz, man muß fordern, daß der Staat handle wie Solon, der die Geldverschlechterung bewußt, als einen wichtigen Teil seiner „Seisachtheia“, durchführte, nicht wie Mirabeau, der nicht im entferntesten wußte, was er hat, als er die Assignaten über Frankreich ausschüttete.
VI. Die Elastizität des Geldes.
Die Forderung, daß der Staat sich nicht damit begnüge, die aus den Verkehr heraus entstandene Kaufkraft automatisch zu beglaubigen, daß er vielmehr schöpferisch tätig sei und Kaufkraftbescheinigungen nach eigenem Ermessen zur Ausgabe bringe, diese Forderung wird meist damit begründet, daß der Verkehr keine Garantie für die angemessene Versorgung der Volkswirtschaft mit Kaufkraft-Bescheinigungen biete. Der Verkehr lasse bald zu viel, bald zu wenig Kaufkraft beglaubigen, setze also mehr oder weniger Geldzeichen in Umlauf, als zur Bewältigung der Handelsumsätze im Durchschnitt erforderlich seien. Vor allem lasse er die periodischen Schwankungen des Handelsvolumens außer Acht. Der Verkehr-geschaffene Geldumlauf habe nicht die Fähigkeit, sich elastisch jenen Schwankungen anzuschmiegen, d.h. sich abwechselnd zusammenzuziehen und wieder zu erweitern, wie es die jeweilige Abnahme oder Zunahme der Verkehrsakte erheische. Das freie Spiel der Kräfte versage hier, und der Staat müsse daher nach bestimmten Prinzipien aktiv eingreifen.
Diese Auffassung verkennt das Wesen und die Aufgaben des Geldes ganz und gar. Das Geld ist, wie wir gesehen haben, beglaubigte Kaufkraft. Die Kaufkraft ihrerseits ist aus dem zeitweiligen Verzicht auf die Ausübung eines Güterbezugsrechts entstanden (vgl. Juli-Heft S. 550) und ist nichts anderes als die Befugnis, dieses bisher nicht ausgeübte Recht künftig auszuüben. Die Kaufkraft entspricht daher genau dem Verkehrswert derjenigen Güter und Dienste, die nicht von den Empfangsberechtigten bezogen, sondern durch Anerkenntnisse (Geld) ersetzt worden sind, die aber nichtsdestoweniger vom Verkehr hergegeben werden mußten und tatsächlich in Form eines äquivalenten Guts, des „Meßguts“, hergegeben worden sind. Dieses, das Meßgut, hinterliegt nunmehr zugunsten der Empfangsberechtigten an öffentlicher Stelle und ist „Pfandgut“ geworden, das sich an Verkehrswert mit den Kaufkraft-Anerkenntnissen, dem Gelde, deckt; oder es läuft selbst als Geld um. Wer gegenwärtig ein beliebiges Gut erwerben oder einen Dienst geleistet haben will, dem bieten sich hierfür zwei Möglichkeiten. Entweder er gibt irgend ein Gut, das er selbst besitzt, in Tausch, wozu er das Einverständnis seines Gegenparts braucht, das meist nicht ohne weiteres erhältlich ist; in diesem selteneren Falle ist der Verkehrsakt geldwirtschaftlich neutral, oder aber er tritt dem Gegenpart ein Güterbezugsrecht ab, d.h. er zahlt mit Geld. Auf diese letztere Weise lassen sich allerdings nur Güter und Dienste bis zur Höhe des Verkehrswertes erwerben, den die aus einem früheren Verzicht entstandenen, durch Geld dargestellten Güterbezugsrechte gegenwärtig haben. Aber das ist eine verkehrswirtschaftliche Selbstverständlichkeit. Zu jedem entgeltlichen Besitzübergang gehören ein Verkäufer und ein Käufer, und die Gesamtheit der Verkäufer kann nicht erwarten, für ihre Güter und Dienste einen Gegenwert zu erhalten, der die totale Kaufkraft, d.h. die Gesamtheit der am Generalnenner des Meßguts gemessenen Güterbezugsrechte übersteigt. Die Verkäufer müssen sich in die gegebene Größe der vorhandenen Kaufkraft nach einem bestimmten Schlüssel teilen, und dieser Schlüssel ist der Preis. Der Preis ist das elastische Element, welches das jeweilige Angebot von Gütern und Diensten der vorhandenen Kaufkraft anpaßt.
Bedarf es nun neben diesem elastischen Element noch eines zweiten, neben dem elastischen Preise noch eines elastischen Geldes? Wollte man die Frage bejahen und die vorhandene Kaufkraft bald durch willkürliche Schaffung von Geld erhöhen, bald durch willkürliche Vernichtung von Geld ermäßigen, so würde man dadurch die Preisbasis verschieben, auf der sich der Ausgleich zwischen Güterangebot und Kaufkraft vollzieht und vollziehen muß, wenn jedem am Verkehr Beteiligten, Verkäufer wie Käufer, sein Recht werden soll. Man würde den Preis in seiner Funktion als Aufteilungsschlüssel zwischen Gütern und Kaufkraft, zwischen Angebot und Nachfrage, behindern. Man würde die Inhaber von Güterbezugsrechten bald zu höherem, bald zu niedrigerem Preise bedienen, als es dem natürlichen Verhältnis zwischen diesen Rechten und dem Güterquantum entspricht, in das sie sich zu teilen haben. Das wäre gleichbedeutend mit einer Verkürzung oder einer Aufbesserung des Anteils, den jedes Kaufkraft-Partikel an den am Markte befindlichen Gütern hat; einer Verkürzung zugunsten einer neu auftretenden, willkürlich aus dem Nichts geschaffenen Kaufkraft, oder einer Aufbesserung auf Kosten einer ebenso willkürlich vernichteten Kaufkraft. Denn man kann kein Geld ausgeben, oder einziehen, ohne damit Kaufkraft zu erzeugen oder zu vernichten. Das Geldwesen eines Landes mit einer künstlichen Elastizität ausstatten, heißt also wohlerworbene Rechte verkürzen.
Es sind Fälle denkbar, in denen eine solche Rechtsverkürzung aus politischen oder sozialen Gründen zweckmäßig ist, in denen also Umstände, die außerhalb des Geldwesens liegen, es erheischen, daß dem Gelde Gewalt angetan, daß es in seinen Funktionen beeinträchtigt, kurz, daß es verschlechtert wird. Nicht denkbar ist es aber, daß derartige Eingriffe erforderlich werden können, weil „zu viel“ oder „zu wenig“ Geld vorhanden ist. Es ist stets genau so viel Geld vorhanden, wie zur Bewältigung der Verkehrsakte nötig ist, aus dem einfachen Grunde, weil alle auf den Markt gelangenden Güter sich mittels des Preises dem Geldwert anpassen. Es ist noch, niemals dagewesen, daß jemand zwar im Besitz einer bestimmten Kaufkraft war, diese Kaufkraft aber nicht ausüben konnte, weil sie sich nicht in Geld darstellen ließ. Fehlt jemandem Geld, so ist das regelmäßig ein Beweis dafür, daß er den zur Erlangung desselben nötigen Verzieht auf Ausübung eines Güterbezugsrechtes unterlassen, daß er seine gesamte Kaufkraft verausgabt hat, und daß er nicht im Besitz eines Guts ist, für das ihm andere einen Teil ihrer Kaufkraft überlassen wollen. „Allgemeine Klagen über Geldmangel beweisen nicht, daß die gewöhnliche Anzahl von Gold- und Silberstücken nicht mehr im Lande umlaufe, sondern mir, daß viele Leute solche haben möchten, die nichts dafür zu geben haben“, sagt Adam Smith. Das gilt von Privatpersonen wie von Staatsregierungen.
Im übrigen ist ein Irrtum, anzunehmen, daß dem Gelde jede Elastizität fehle. Die Marktgüter sind zwar gezwungen, sich mittels des Preises dem Geldvorrat anzupassen, aber der Geldwert paßt sich seinerseits auch wieder den Gütern und den Preisen an. Jedes Gut steht in einem bestimmten Verkehrswert-Verhältnis zu dem „Meß-Gut“. Tritt in einem Lande – infolge technischer Fortschritte, größerer Arbeitsergiebigkeit und dergleichen – ein verstärktes Güterangebot auf, das die Preise drückt und dem Meß-Gut einen verhältnismäßigen Mehrwert verleiht, so führt das Land die als Meß-Gut dienende Ware (Vieh, Getreide, Metall) in größerem Umfange ein und verwandelt sie, durch Niederlegung als Pfand, in Geld, um ihren Mehrwert gegenüber den anderen Gütern auszunützen. Dem verstärkten Güterangebot tritt also eine verstärkte Kaufkraft gegenüber, welche die sinkenden Preise wieder hebt. Umgekehrt findet bei verringertem Güterangebot und steigenden Preisen, eine Umwandlung von Pfand-Gut in freies Meß-Gut und dementsprechend eine Abnahme der Kaufkraft und der Preise statt. Es besteht also in allen Ländern, welche die Geldbildung dem Verkehr überlassen, eine Wechselwirkung zwischen Güter- und Geldmenge, welche den beweglichen Faktor des Preises vor allzu großen Schwankungen bewahrt.
Aber neben dieser Fähigkeit des selbsttätigen Ausdehnens und Einschrumpfens, die immer des verhältnismäßig starken Anreizen größerer Verschiebungen im Güterangebot und im Preise bedarf, um in Tätigkeit zu treten, besitzt das Geld noch eine zweite Art von Elastizität, die schon auf einen ganz geringfügigen Reiz reagiert. Diese Elastizität besteht, in der Eigentümlichkeit der Kaufkraft und des sie darstellendenden Geldes, abwechselnd tätig und untätig zu sein. Das in einem gegebenen Moment umlaufende, den Zahlungsverkehr vermittelnde Geld deckt sich nämlich der Menge nach keineswegs mit dem Gesamtquantum des zur Ausgabe gelangten Geldes. Vielmehr befindet sich stets ein erheblicher, ja meist sogar der größte Teil des existierenden Geldes außerhalb der Zirkulation. Es liegt Tage, Wochen und Monate lang in den Kassen der Eigentümer oder der von ihnen mit der Aufbewahrung betrauten Institute und oft Jahre lang in den Spinden und Strümpfen der geldwirtschaftlich unerfahrenen Kreise des flachen Landes. Dieser nicht zirkulierende Teil des Geldes stellt „ruhendende Kaufkraft“ dar, eine Kaufkraft, deren Vorhandensein ihr Inhaber sieh zwar hat beglaubigen lassen, um gelegentlich Gebrauch von ihr zu machen, die er aber vorderhand weder durch Weitergabe noch durch Pfandabhebung ausnutzt, sondern als „Reserve“ betrachtet. Unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverkehrs ist dieser jeweils ruhende Teil der Gesamtgeldmenge so gut wie nicht existierend; es macht nicht den geringsten Unterschied, ob dieses Geld in privaten Kisten und Kasten liegt, oder ob es in Erwartung einer künftigen Nachfrage nach Kaufkraft-Beglaubigungen im Panzergewölbe der mit der Geldausgabe betrauten Zentralstelle aufgestapelt ist, oder ob es überhaupt noch nicht hergestellt wurde, indem aber dieser Teil des gesamten Geldvorrats bald zirkulierendes Geld an sich zieht und in den Zustand der Ruhe versetzt, bald wieder größere oder kleinere Mengen seines Bestandes an die Zirkulation abstößt, gleicht er einem Reserve-Behälter, aus dem jeder auf tretende Geldbedarf sich prompt selbst befriedigen, und in den jeder Geldüberschuß sich selbst entleeren kann. Die Umwandlung von ruhender Kaufkraft in tätigen „Kaufwillen“ und umgekehrt erfolgt auf eine hier nicht näher zu untersuchende Weise vermittels des Kredits und des Zinses, daneben durch automatische oder organisatorische Änderungen in der Periodizität der Zahlungen. Während ein hoher Zins die Wirkung hat, einen Teil des aufgespeicherten, dem Umlauf entzogenen Geldes in die Zirkulation zu überführen, bedeutet eine Abkürzung der Zahlungsperioden für wiederkehrende Leistungen, daß der bereits in Zirkulation, befindliche Teil des Geldes seine „Umlaufgeschwindigkeit“ erhöht. Beides hat genau denselben Effekt wie eine entsprechende Vermehrung der Geldmenge.
Aber auch hier wieder verlangt der Verkehr, daß inan ihn sich selbst überläßt und nicht regulierend in das Geldwesen eingreift. Versucht der Staat, einen Vermeintlichen „Geldmangel“ willkürlich zu beseitigen, indem er das aufgespeicherte Geld durch bankmäßige Kreditforderung oder Zinsvorteile in den Umlauf überführt, oder eine künstliche Beschleunigung der Zirkulationsgeschwindigkeit durchsetzt, so wehrt sich der Verkehr dagegen genau so sehr und genau in der Weise wie gegen die Ausgabe staatlichen, nicht aus dem Verkehr heraus entstandenen Geldes. Zwar unterscheiden sich diese Maßnahmen von der willkürlichen Schöpfung zusätzlichen Geldes zu ihrem Vorteil dadurch, daß sie keine Kaufkraft schaffen, die nicht latent schon vorher bestände. Sie fälschen also die Rechtsverhältnisse nicht. Aber sie führen eine Preissteigerung herbei, wie sie notwendig bei jeder einseitigen Vermehrung der am Markte befindlichen Kaufkraft eintritt, gleichviel, ob die Vermehrung durch kreatorische oder zirkulatorische Maßnahmen erfolgt. Und diese Preissteigerung führt ihrerseits zur Abhebung von Pfand-Gut gegen Rückgabe von Kaufkraft-Bescheinigungen, das heißt zur Einlösung umlaufendes Geldes, so daß die beabsichtigte Vermehrung, soweit sie nicht durch die- eingetretene Preissteigerung ohnehin neutralisiert worden ist, vollends unwirksam gemacht wird. Der Verkehr bedient sich der natürlichen Elastizität des Geldes ganz von selbst, sobald es nötig ist. Er schafft sich auch, falls ein wirklicher und nicht, wie es meist der Fall ist, nur ein eingebildeter Geldmangel bestellt, aus sich seihst heraus Geldsurrogate, indem er bestimmte Güter von anerkanntem Verkehrswert – etwa die Leistungsversprechen eines Transportinstitutes (Postmarken, Fahrkahrten) oder die Zahlungsversprechen einer vertrauenswürdigen Regierung (Anleihe-Zinsscheine) – als Geld benutzt. Im Notfall greift-er auf primitivere Zahlungsmethoden zurück und ersetzt das fehlende Geld wo angängig durch Tausch und durch Kredit. Mögen diese Hilfsmittel auch oft etwas unbequem sein, so sind sie doch harmlos, da sie weder mit einer Usurpation von Kaufkraft verbunden sind, wie die willkürliche Ausgabe von Staatsgeld, noch einen Eingriff in das Preisniveau bedeuten, wie die Störung des natürlichen Verhältnisses zwischen ruhender und tätiger Kaufkraft.
Die Staatspragmatik braucht sich freilich nicht unter allen Umständen an das Veto zu kehren, das ihr bei jedem Eingriff in die zirkulatorische Selbstbestimmung des Geldes entgegenschallt. Wie der Staat aus schwerwiegenden politischen oder sozialen Erwägungen heraus über die Bedenken hinwegsehen darf und muß, die der Schaffung staatlichen – das heißt schlechteren – Geldes entgegenstehen, so ist er unter Umständen berechtigt, den Umlauf des Geldes zu korrigieren. Nur muß man sich dann auch hier wieder bewußt bleiben, daß die Staatsgewalt aus Gründen handelt, die nicht in der Natur und den Bedürfnissen des Geldwesens wurzeln, sondern ihnen strikt entgegengesetzt sind. Man darf Maßnahmen nicht mit dem Motiv des „Geldmangels“ erklären und als Herbeiführung einer dem Geldwesen sonst abgehenden „Elastizität“ begrüßen wollen, die in Wirklichkeit ganz anderen Motiven entspringen etwa dem Wunsche, die Preisbewegung zu korrigieren, oder dem Staate brachliegende Kaufkraft zuzuführen –, und die daher wohl oder übel gebilligt werden müssen, obgleich sie für das Geldwesen eine Verschlechterung bedeuten.
VII. Geld und Kredit.
Das zur Ausgabe gelangte Geld zerfällt, wie wir gesehen haben, in zwei Teile, einen umlaufenden und einen ruhenden. Äußert sich im Verkehr ein „Bedarf“ an Zahlungsmitteln, der durch den umlaufenden Teil des Geldes nicht gedeckt wird, das heißt, wünschen vertrauenswürdige Personen mehr Kaufkraft auszuüben, als sie besitzen, so gibt der ruhende Teil des Geldes seine Untätigkeit insoweit auf, wie es zur Deckung des Bedarfs erforderlich ist; er tritt in Funktion und verschmilzt sich mit dem umlaufenden Gelde. Der wichtigste Antrieb, der diese Umwandlung herbeiführt, ist der Zins. Er ist die Prämie, die der Verkehr dafür zahlt, daß der Inhaber ruhenden Geldes, der von seiner Kaufkraft erst später Gebrauch zu machen gedenkt, das Geld für die Zwischenzeit einem anderen ab tritt, der das im Gelde verkörperte Güterbezugsrecht sofort ausüben will. Diese leihweise Übertragung von Kaufkraft nennt man Kredit.
Die durch den Kredit herbeigeführte Umwandlung von ruhendem Geld in zirkulierendes Geld ist ein außerordentlich wichtiger Vorgang. Solange das Geld sieh im Zustand der Ruhe befindet, ist es sozusagen nicht vorhanden; die Ausfertigung einer Kaufkraft-Bescheinigung, von welcher der Inhaber keinen Gebrauch macht, ist lediglich ein formaler Rechtsakt ohne wirtschaftliche Wirkung. Verkehrswichtig wird das Geld erst durch sein Eindringen in den Güterumlauf. Der Kredit, der dieses Eindringen fördert, floßt dem bis dahin bewegungslosen Teile des Geldes erst Leben ein, und in diesem Sinne kann man sagen, daß er Geld „schaffe“. Der Kredit spielt daneben aber noch eine zweite Rolle. Er vermehrt nicht nur die umlaufende Geldmenge bis zu dem theoretischen – praktisch niemals erreichten – Maximum der ausgegebenen Gesamtgeldmenge, indem er den ruhenden Teil des Geldes in den Umlauf überführt, sondern er beschleunigt zugleich die Zirkulationsgeschwindigkeit des tätigen; Teils. Denn er ermöglicht es, das im Umlauf befindliche, ursprünglich auf viele tausende von Geldbörsen verteilte Geld an wenigen Zentralstellen zu vereinigen, bei denen es ohne umständlichen körperlichen Transport durch einen einfachen Übertragungsbefehl immer neuen Inhabern übereignet werden kann. Binnen weniger Minuten kann das Besitzrecht des Geldes mehreremal wechseln, kann es von einer Person auf eine andere übergehen, die hundert Meilen entfernt ist. Indem der Kredit auf diese Weise die Umlaufsgeschwindigkeit des tätigen, im Zahlungsverkehr stehenden Teils des Geldes erhöht, wirkt er zum zweiten Male „geldschaffend“.
Der Kredit steht somit in einem ganz eigentümlichen Verhältnis zum Gelde. Ursprünglich ist er durch das Geld verdrängt worden, da der Verkehr den Güteraustausch nicht auf der unsicheren Grundlage eines Leistungsversprechens aufbauen wollte, sondern ein Instrument der sofortigen Leistung verlangte (vgl. Juliheft S. 553). Nachdem aber aus diesem – Verlangen heraus das Geld entstanden war, mischte sich der Kredit wieder in den Verkehr ein, der sich seiner jetzt gern bediente. Denn nachdem im Gelde, in der dargestellten Kaufkraft, ein Mittel gefunden war, Leistung gegen Leistung auszutauschen, so daß es nicht erforderlich war, daß jedermann an jedermann Kredit gewährte, konnte man eine Auswahl unter den Verkehrsteilnehmern treffen und den Kredit, den man unterschiedslos nicht geben wollte, besonders vertrauenswürdigen Personen einräumen. Man konnte den Kredit ferner in einer Form gewähren, welche die Gefahr, daß die leihweise überlassene Kaufkraft während der Leihfrist an Verkehrswert verliere, auf das denkbar geringste Maß beschränkte; denn das Verkehr-geschaffene Geld, das mit dieser Kaufkraft identisch war, hatte ja ein Unterpfand in einem besonders wertbeständigen Gute, das aus diesem Grunde zum „Meß-Gut“ bestellt worden war. Obwohl also der Kredit sich als ungeeignet für die Vermittelung des allgemeinen Güter Verkehrs erwiesen hatte, war er doch sehr geeignet für die Vermittlung eines qualifizierten Geld-Verkehrs. Als selbständiger Repräsentant der Kaufkraft war er nicht zu brauchen. Aber er war unersetzlich als Vehikel für die – in einem sonstigen Repräsentanten verkörperte – Kaufkraft, die er aus der einen Hand in die andere, meist geeignetere, überleitete. Konnte er auch nicht die Rolle des Geldes spielen, so konnte er doch die Rolle eines wertvollen Anregers übernehmen, indem er ungenutztes, ruhendes- Geld an Leute weiterleitete, die es auszunutzen verstanden, und indem er umlaufendes Geld zu schnellerer Zirkulation an trieb; wodurch er zum Regulator wurde, der die vorhandene Kaufkraft mit dem Kaufkraft-Verlangen („Geldbedarf“) des Verkehrs nach Möglichkeit in Übereinstimmung brachte.
An diese Funktion des Kredits, das Geld durch Beschleunigung seiner Umlaufsgeschwindigkeit zu vervielfältigen, knüpft sich nun in der Geldtheorie ein verhängnisvolles Mißverständnis. Da der Kredit, die Intensität des Geldes steigert, so glauben viele Volkswirte, und zwar unterschiedslos Metallisten und Nominalisten, daß der Kredit das Geld auch extensiv beeinflusse, also nicht nur seine Wirksamkeit, sondern auch seine Menge erhöhe. Ich habe auf einer vorhergehenden Seite geäußert, daß der Kredit „sozusagen“ Geld schaffe, weil er das Eindringen des vorhandenen Geldes in den Güterverkehr fördert, und dem toten Golde so Leben einflößt. Jene Volkswirte aber wollen die Schöpferkraft des Kredits nicht sinnbildlich, sondern wörtlich verstanden wissen. Sie behaupten, daß der Kredit durch seine bloße Existenz Geld erzeuge, daß sein Entstehen gleichbedeutend mit dem Entstehen von Geld sei, und prägen daher die Formel: „Kredit ist Geld“. Von den Klassikern des Geldes ist es in erster Reihe der sonst so scharfsinnige und klare Macleod, der diesem Irrtum zum Opfer gefallen ist. Wie ein roter Faden zieht, sich durch sein „Theory and Practice of Banking“ der Gedanke, daß es drei Arten von Geld gebe, nämlich Metallgeld, ungedecktes Papiergeld und Kredit. Von ihm bis zum jetzigen Herausgeber des „Economist“, der unausgesetzt gegen die englische Methode der Kriegsfinanzierung wettert, weil sie eine „Inflation mit Bankgeld“ zur Folge habe, zieht sich eine lange Kette von Volkswirten, die den Kredit dem Gelde gleichsetzen. Auch unser Adolf Wagner gehört zu ihnen; er verficht in seinen „Beiträgen zur Lehre von den Banken“ die Ansicht, daß entgegen der Auffassung S. J. Lloyds und anderer currency- Theoretiker das Hauptinstrument des Kredits, der Wechsel, sich in nichts vom Gelde unterscheide. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Die Gleichsetzung von Geld und Kredit übersieht völlig die wichtige Tatsache, daß die Schöpfung von Geld gleichbedeutend mit dem Entstehen von Kaufkraft ist, während die Schöpfung von Kredit nichts anderes bedeutet, als die Uebertragung von Kaufkraft. Neues Geld setzt voraus, daß die Kaufkraft, die es darzustellen berufen ist, in beglaubigter Form noch nicht besteht; neuer Kredit setzt im Gegenteil voraus, daß die Kaufkraft, die er übertragen soll, in beglaubigter Form bereits vorhanden ist. Das Geld geht sonach dem Kredit voran. Es muß existieren, damit der Kredit die in ihm, dem Gelde, verkörperte Kaufkraft von einer Hand in die andere übertragen kann; solange es nicht existiert, ist wohl ein „Warenkredit“, eine Leihe von Gütern und Diensten, aber kein Kredit im Sinne von Kaufkraft-Leihe, kein Geldkredit, denkbar.
Die Ansicht, daß der Kredit das Geld, das er überträgt, selbst schaffe, stützt sich auf die Beobachtung eines bekannten Vorganges des täglichen Lebens: Eine Bank gewährt ihrem Kunden Kredit, indem sie ihm in ihren Büchern einen Geldbetrag „gutschreibt“. Diesen Betrag braucht der Kunde, um Zahlungen zu leisten, die er, wenn er den Kredit nicht hätte, in Geld leisten müßte. Der Empfänger der Zahlung gibt den von der Bank gutgeschriebenen Betrag an Geldesstatt weiter an einen Dritten, dieser an einen Vierten. Und so zirkuliert der Kredit, der in diesem Kalle ein Buchkredit ist, gleich dem Gelde. Er ist selbst Geld, „Giralgeld“, geworden und repräsentiert Kaufkraft, ganz wie es der entsprechende Betrag effektiven Geldes tun würde, den der Kredit im Verkehr ersetzt, dessen Ausgabe er also überflüssig macht. So stellt sich der Vorgang aber nur dann dar, wenn man ihn einseitig betrachtet und lediglich den halben Vorgang vor Augen hat. In Wirklichkeit hat er jedoch eine Kehrseite. Der Kaufkraft, welche die Bank scheinbar geschaffen hat, indem sie einen Geldbetrag zur Verfügung stellte, der nicht zur Abhebung kam, sondern im Kreise „nel giro“ der Bankkunden zirkulierte, steht notwendigerweise an irgend einer Stelle der Verkehrswirtschaft ein gleich hoher Verzicht auf die Ausübung einer Kaufkraft gegenüber, so daß es tatsächlich kein neues Geld eigener Prägung ist, was die Bank im Wege des Kredits ausgibt, sondern längst bestehendes Geld aus dem Eigentum, eines beliebigen Dritten. Diese negative Seite des Kredits ist freilich nicht so leicht erkennbar, wie die positive. Man sieht den Verkehrsakt der Übergabe einer Kaufkraft, auch den ihrer Ausübung durch Weitergabe, aber nicht den entsprechenden Verzicht, der die Voraussetzung des ganzen Vorgangs bildet. Denn der Verzicht erfolgt an verborgenen Stellen des Verkehrslebens, ohne daß sich konkret feststellen läßt, wann, wo und von wenn im Einzelfalle verzichtet wird.
Es ist schwer für jemand, der einmal an die Geldeigenschaft des Kredits glaubt, sich mit dem Gedanken abzufinden, daß es Augentäuschung sein soll, wenn er sieht, wie der Kredit, den eine Bank ihrem Kunden eingeräumt hat, als neugeschaffenes, von jeder bestehenden Kaufkraft unabhängiges „Geld“ von Hand zu Hand geht. Es steht ja außer jedem Zweifel, daß der Bankkunde mit dem Kredit als Käufer am Gütermarkt auf tritt. Es sieht auch außer Zweifel, daß jeder Verkehrsteilnehmer, auf den der Kredit im weiteren Verlauf durch Umschreibung in den Büchern der Bank übertragen wird, gleichfalls ein konkretes Güterbezugsrecht ausübt. Und nirgends ist ersichtlich, daß ein Güterbezug unterbleibt, weil der Bankkunde und seine Nachmänner Gebrauch von der Kaufkraft machen, die ihnen die Bank eingeräumt hat. Dennoch ist hier eine Selbsttäuschung im Spiel. Die verschiedenen Käufe, die der Bankkredit seinen jeweiligen Inhabern ermöglicht, sind zunächst Akte ohne jede Verkehrswichtigkeit. Es ist ganz gleichgültig, ob das Haus oder der Posten Stabeisen, den A mit Bankkredit gekauft hat, in seiner Hand oder in der des Vorbesitzers B oder in der des späteren Käufers C ist. Für die Verhältnisse auf dem Gütermarkt ist dieser Besitzwechsel ein genau so neutraler Vorgang, wie ein Besitz Übergang durch Erbfolge oder Schenkung. Verkehrswichtig wird die Ausübung eines Güterbezugsrechts erst dann, wenn sie auf die Produktion übergreift, wenn sie Kräfte in Bewegung setzt; also dann, wenn der Vorbesitzer des Hauses oder Stabeisens den an Zahlungsstatt empfangenen Kredit zur Herstellung eines neuen Hauses oder eines neuen Postens Stabeisen benutzt. Nun setzt sich aber letzten Endes der Preis jeden Guts aus „Arbeitslohn“ und „Beute“ zusammen. Die Rente löst sich, sobald das in ihr enthaltene Güterbezugsrecht ausgeübt wird, wiederum in Arbeitslohn und daneben vielleicht wieder Beute auf, und das wiederholt sich, so lange noch ein Rest Rente vorhanden ist, so oft, bis jeder gezahlte Preis sieh in Arbeitslohn umgesetzt hat. Der Arbeitslohn muß aber, wie die Zahlungssysteme heute in der ganzen Welt, sogar in den Hochburgen des Kredits, England und den Vereinigten Staaten, beschaffen sind, in Geld gezahlt werden. (Weil nämlich jede Kaufkraft, sobald sie an die arbeitende Hand gelangt und von ihr weitergegeben wird, in so kleine Partikel zerfällt, daß ihre Darstellung in Instrumenten des Kredits, also in Wechseln, Scheeles oder Buchumschreibungen, einen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand erfordern würde.) Irgendein Empfänger des Bankkredits muß also das Geld, (auf das der Kredit lautet, abheben, und das ist nur möglich, wenn das Geld irgendwo hinterliegt, wenn mithin jemand auf die Ausübung der in ihm dargestellten Kaufkraft. verzichtet hat. Dieser Verzicht aber ist es, was es der Bank überhaupt ermöglicht hat, den Kredit zu gewähren. Würde niemand verzichtet haben, so würde die früher oder später, zu einem der Bank unbekannten Zeitpunkt, erfolgende Umwandlung des Kredits in Geld, d.h. die Erfüllung des im Kredit ausgedrückten Zahlungsversprechens, unmöglich sein. Deshalb gewährt keine Bank dem geldbedürftigen Teil ihrer Kunden (den Schuldnern) mehr Kredit, als der Kaufkraft entspricht, die der andere Teil ihrer Kunden (die Gläubiger) nicht ausgeübt, sondern ihr zur Ausübung leihweise übertragen hat. Was die Bank schafft, indem sie Kredit gewährt, ist niemals neues Geld, sondern immer nur erhöhte Zirkulationsgeschwindigkeit bestehenden Geldes.
Eine Ausnahme scheinen diejenigen Banken zu machen, die durch das Gesetz ausdrücklich ermächtigt sind, selbst Geld auf nominalistischer – also nicht Pfand-gedeckter – Basis auszugeben. Denn diese Banken brauchen bei ihrer Kreditgewährung keine Rücksicht auf die spätere Umwandlung des Kredits in Geld zu nehmen. Stellt es sich eines Tages heraus, daß sie Kredite eingeräumt haben, denen kein Kaufkraft-Verzicht entspricht, deren Umwandlung in Geld also auf Schwierigkeiten stößt, so machen sie einfach von ihrem gesetzlichen Rechte Gebrauch, das fehlende Geld selbst zu schaffen. Aber auch hier ist es in Wirklichkeit nicht der Kredit, der künstlichee Kaufkraft erzeugt, sondern erst die Ersetzung des Kredits durch ein Geld, das willkürlich, ohne Mitwirkung des Verkehrs und ohne Meß-Gut, zur Ausgabe gelangt ist. Denn sobald ein Kredit gewährt worden ist, dem kein Kaufkraft-Verzicht entspricht, schreitet der Verkehr zur Abhebung von Geld. Die Banken müssen dann durch Geldausgabe künstliche Kaufkraft schaffen, da der Kredit hierzu nicht fähig ist. Es gibt sonach keine Inflation des Kredits, sondern nur eine Inflation des Geldes.
Die Bezeichnung „Giralgeld“ ist also ein innerer Widerspruch. Es gibt Geld, d.h. dargestellte Kaufkraft, und es gibt ein Giro, d.h. eine Beschleunigung des Umlaufs dieser dargestellten Kaufkraft durch Umschreibung; aber es gibt kein Giralgeld. Freilich trifft das nur für unsere heutige Geldverfassung zu. Denn es ist sehr wohl eine Geldordnung denkbar, in der es ein Giralgeld gibt. Man kann sich vorstellen, daß der Staat es aus irgendwelchen Gründen ablehnt, Kaufkraft-Bescheinigungen in Geldform auszustellen, vielmehr die Bestimmung trifft, daß jede nachgewiesene Kaufkraft in einem öffentlichen Buche eingetragen und durch Umschreibung in diesem Buche auf einen neuen Inhaber übergeleitet wird. Der Staat kann also an Stelle eines körperlichen Geldes ein unkörperliches, statt eines morphischen Zahlungsmittels ein girales schaffen. Bisher hat es eine solche Zahlungsordnung noch nicht gegeben. Ältere Girosysteme, wie das des Korngiro im alten Ägypten oder der Banko-Mark in Hamburg, dürfen damit nicht verwechselt werden, denn hier bildete die Buchgutschrift nur einen Teil der bestehenden Landeswährung; man konnte sein Guthaben jederzeit in Korn oder Silber abheben. Ein wirkliches ,,Giralgeld’‘ hat aber zur Voraussetzung, daß es auf kein anderes Geld rückbeziehbar und in kein solches umtauschbar ist, wenn es auch des Bewertungsmaßstabs halber einem bestimmten Meß-Gut oder einem früheren körperlichen Gelde gleichgesetzt wird. Ein derartiges Geld ist sehr wohl denkbar. Es würde der „abstrakten Rechnungseinheit“ Liefmanns am nächsten kommen und die konsequente Durchführung des ,,Scheckzwang“-Gedankens sein, der unlängst von einem Juristen in der Frankfurter Zeitung angeregt worden ist.[11] Aber selbst in diesem Geldsystem würde kein Raum für einen Kredit sein, der Kaufkraft schaffen kann. Auch das unkörperliche Giralgeld einer Umschreibungswährung würde des Nachweises einer Verkehr-geschaffenen Kaufkraft bedürfen, um „gutes Geld“ zu sein. Es würde ,,schlechtes Geld“ mit denselben Eigenschaften wie das nach Belieben ausgegebene körperliche (nominalistische) Geld sein, wenn der Staat Gutschriften nach Willkür vornehmen und dadurch künstlich Kaufkraft schaffen wollte. Daß es aber dem von einer beliebigen Bank gewährten Kredit möglich sein sollte, neue Kaufkraft in den Verkehr einzuführen, das wäre auch unter der Herrschaft eines Systems unkörperlichen, abstrakten Geldes nicht denkbar.
VIII. Das internationale Geld.
Die Kaufkraft-Anerkenntnisse (Geldzeichen), die ein Staat ausgibt oder ausgeben läßt, haben nur innerhalb seiner eigenen Hoheitsgrenzen unbedingte Geltung, im Auslande können sie der Regel nach keine Dienste als Umlaufsmittel verrichten. Jeder Staat pflegt seine besonderen Anerkenntnisse auszustellen, und der Verkehr honoriert nur diese, nicht die des Auslands. Ein Austausch der Geldzeichen findet zwischen den Ländern nicht statt, auch dann nicht, wenn die Länder in innigstem Handelsverkehr miteinander stehen. Der kleine Bestand an fremden Geldsorten, den die berufsmäßigen Geldhändler meist vorrätig halten, dringt nicht in den Umlauf ein, sondern bleibt „auf Lager“, um an diejenigen verkauft zu werden, die kleinere Zahlungen im Auslande zu leisten haben; er bekräftigt die Tatsache, daß jedes Land nur solche Kaufkraftanerkenntnisse in Zahlung nimmt, die auf Grund seiner eigenen Gesetze ausgestellt worden sind.
Wie vollzieht sich unter diesen Umständen der Zahlungsverkehr von Land zu Land? Infolge der großen Entfernungen, die der Warenaustausch zu bewältigen hat, bedarf er eines Mittelgliedes, das sich zwischen Leistung und Gegenleistung schiebt, noch in ungleich höherem Maße als der Austausch im Binnenlande. Die Kaufkraft aber, der Magnet, der die Leistungen anzieht wirkt nicht über die Landesgrenzen hinaus. Die in Franc-Zeichen beglaubigte Kaufkraft hat außerhalb Frankreichs, die in Sterling-Zeichen beglaubigte außerhalb Englands das in ihr verkörperte Recht des Güterbezugs verloren. Ein besonderes Kaufkraft-Anerkenntnis wiederum, das internationale Geltung hätte, existiert nicht. Wir stehen aber nichtsdestoweniger vor der Tatsache, daß fortgesetzt französische Kaufkraft in England, englische in Frankreich, französische und englische in der ganzen ‘Welt ausgeübt wird. Auf welche Weise findet die Geltendmachung der inländischen Kaufkraft im Auslande, die Umwandlung nationaler Güterbezugsrechte in internationale statt? Mit anderen Worten: Was ist Weltgeld?
Die Antwort lautet: Es gibt kein Weltgeld. Es gibt kein wie immer geartetes Kaufkraft-Anerkenntnis, das außerhalb seiner engeren Heimat und allenfalls solcher Länder, die in einem währungspolitischen Vertragsverhältnis zu dieser Heimat stehen, Geltung hätte und Güterbezugsrechte ausüben könnte. Der Weltverkehr baut sich vielmehr auf einem System des Austausches der nationalen Kaufkraft-Anerkenntnisse, einer Compensation der Einzelwährungen auf. Wer Güter ins Ausland sendet, will grundsätzlich in der Währung seines Heimatlandes bezahlt sein, weil er die in den Gütern steckenden Materialien und Arbeitsleistungen in dieser Währung abgelten muß. Und wer Güter aus dem Auslande ein führt, will und kann nur in seiner eigenen Landeswährung zahlen, weil ihm der Gegenwert für die Güter, die er seinerseits zum Verkauf bringt, ebenfalls nur in der Währung seines Landes vergütet wird. Selbst wenn es ihm gelingt, jemand ausfindig zu machen, der einen Vorrat von Anerkenntnissen in der betreffenden fremden Währung besitzt, muß er diesem Landesgeld dafür bezahlen. Der internationale Zahlungsverkehr beruht also auf einem Verfahren, mittels dessen es möglich ist, jeden Verkäufer in der Währung seines eigenen Landes zu befriedigen, obwohl die Käufer in der Währung ganz anderer Länder gezahlt haben. Das wird immer nur dann möglich sein, wenn die jeweils fälligen Zahlungen der einzelnen Länder gegeneinander aufgerechnet werden können. Und diese Kompensationsmöglichkeit hat wieder zur Voraussetzung, daß die fälligen Forderungen und Verpflichtungen jedes einzelnen Landes sich ausgleichen. Sollen die Einfuhrhäuser eines bestimmten Landes, sagen wir Frankreichs sich ihrer Schuld gegen das gesamte Ausland dadurch entledigen können, daß sie im Lande selbst, also in Frankreich und in französischem Gelde, zahlen, so ist es unbedingt erforderlich, daß ihren Zahlungsverpflichtungen Forderungen an das Ausland in genau derselben Höhe gegenüberstehen. Nur in diesem Falle, nämlich wenn die fälligen Schulden und Guthaben des Auslandes gegenüber Frankreich sich ausgleichen, wird das Ausland damit einverstanden sein, daß die französischen Schuldner ihre Auslandsschuld durch Zahlung in Francs und an französische Staatsangehörige tilgen. Denn nur wenn das Ausland als Ganzes ebenso viel an Frankreich zu zahlen, wie von ihm zu empfangen hat, wenn sich also sein Recht zum Bezüge von Francs mit seiner Verpflichtung zur Hingabe von Francs ausgleicht, steht dem ausländischen Gläubiger, der Zahlung in seiner eigenen Landeswährung zu erhalten wünscht, ein Schuldner gegenüber, dem seinerseits daran gelegen ist, nicht in Francs oder einer anderen fremden Geldsorte, sondern in der Währung des Gläubigers zu zahlen. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob die Verpflichtung des Schuldners in Frankreich selbst besteht oder in einem dritten Lande, das mehr an Frankreich zu zahlen, als von ihm zu empfangen hat. Der Währungsausgleich erfolgt dann auf einem Umwege, und das Ergebnis ist auch hier, daß die internationalen Verpflichtungen sich letzten Endes in nationale Zahlungen auflösen.
Ohne weiteres ist aber die Voraussetzung, daß jedes Land in jedem Moment dem Auslande gegenüber in gleichem Maße zahlungspflichtig und forderungsberechtigt ist, keineswegs gegeben. Die aktiven und passiven Leistungen eines Landes gleichen sich niemals restlos aus. Es bedarf also eines Hilfsmittels, mit dem die Übereinstimmung, die der internationale Zahlungsverkehr nicht entbehren kann, künstlich herbeigeführt wird. Dieses Hilfsmittel ist der Kredit, der das Gleichgewicht zwischen Aktiv- und Passiv-Leistungen herstellt, indem er die auf der Seite der Einfuhr oder der Ausfuhr bestehende Lücke mit Forderungs-Dokumenten schließt. Der Kredit stellt den Ländern, deren Exporte und sonstige Leistungen nicht ausreichen, um sich auf dem Weltmarkt die zur Bezahlung ihrer Importe erforderlichen Kaufkraft-Anerkenntnisse zu verschaffen, diese Anerkenntnisse leihweise zur Verfügung, und zwar aus dem Kaufkraft-Überschuß derjenigen Länder, deren Exporte und sonstige Leistungen über ihre Importe hinausgehen. Gleichen sich also Güter und Dienste auch niemals ganz aus, so gleichen sich doch Güter und Dienste plus Kredit jederzeit restlos aus. Ist dies aber der Fall, so braucht der internationale Verkehr kein eigenes Zahlungsmittel. Er braucht dann lediglich ein Skontrierungsverfahren, mit dessen Hilfe die fälligen Schulden und Forderungen so gegeneinander ausgeglichen werden, daß jeder Auslands-Schuldner an irgendeinen Auslands- Gläubiger im eigenen Lande zahlen kann. Und in der Tat sehen wir, daß der internationale Verkehr sich auf einem derartigen Verfahren aufbaut. Kein einziger Schuldner zahlt an das Ausland und in ausländischer Währung, sondern jeder zahlt im Inlande und in inländischem Golde, indem er den Zahlungsbefehlen Folge leistet, die ihm von den Auslandsgläubigern erteilt werden. Diese Zahlungsbefehle, welche jede Auslandsschuld in eine Inlandsschuld umwandeln und von den Gläubigern aller Nationalitäten solange untereinander ausgetauscht werden, bis jede fällige Schuld sich mit einer fälligen Forderung ausgleicht, sind die Wechsel.
Der Wechsel ist das Instrument, das die in den aller verschiedensten Währungen ausgedrückten Forderungen immer aus einer Hand in die andere, aus einem Lande in das andere hinüberspielt, bis jede Forderung in den Besitz eines Gläubigers desjenigen Landes gelangt, auf dessen Währung sie lautet. Der Wechsel macht als ein internationales Geld entbehrlich, indem er jedem Gläubiger an Stelle eines Schuldners im Auslande einen solchen im eigenen Lande gegenüberstellt. Die ausländische Kaufkraft, auf die der Gläubiger einen Anspruch hat, wird einem Inländer, der dem Auslande eine entsprechende Kaufkraft schuldet, gegen Hergabe dieser Kaufkraft überlassen und von ihm an seinen ausländischen Gläubiger weiterzediert. Dadurch verwandelt sich der Anspruch jedes einzelnen Gläubigers, des inländischen wie des ausländischen, aus einer Forderung an das Ausland in einen Anspruch auf Kaufkraft seines eigenen Landes.
Der Fremdwechsel-Vorrat, über den ein Land verfügt, ist identisch mit der Summe der Güter und Dienste, die es dem Auslande geliefert hat, zuzüglich des Kredits, den ihm das Ausland gewährt. Er stellt die Summe dar, in deren Höhe das Land Auslandsgüter beziehen oder seinerseits Kredit gewähren kann und muß. Denn es gibt keine andere Möglichkeit, die in den Wechseln verkörperten Ansprüche auf Kaufkraft zu verwerten, als sie an Dritte abzutreten, die sie zur Bezahlung eines entsprechenden Imports oder zur Gewährung entsprechender Kredite brauchen. Wir kommen also auch auf diesem Wege wieder zu der Tatsache, daß der Zahlungsverkehr jedes Landes dem gesamten Ausland gegenüber balanziert, d.h. daß Hingabe und Entgegennahme von Kaufkraft im Auslande sich ausgleichen, und daß es eine „fiktive“ oder „passive“ Zahlungsbilanz nicht gibt. Jedes Land kann und man muß so viel Güter – im weitesten Sinne, also einschließlich der den Kredit verkörpernden Forderungsdokumente – beziehen, wie es seinerseits liefert. Denn es existiert kein „Weltgeld“, mit dem ein Saldo beglichen werden könnte. Es existieren nur Anweisungen auf Kaufkraft-Anerkenntnisse – Wechsel –, in deren Besitz man durch Hergabe von Gütern oder Inanspruchnahme von Kredit gelangt, und die man verwertet, indem man Güter bezieht oder Kredit gewährt. Kein Land kann mehr Güter – immer im weitesten Sinne – einführen, als seiner Ausfuhr entspricht, über die es internationale Quittungen in Form von Wechseln (und von Forderungsrechten, die sich in Wechsel umwandeln lassen,) besitzt. Und kein Land kann weniger Güter einführen, als seiner so dokumentierten Einfuhr entspricht, weil das gleichbedeutend mit dem Verzicht auf wohlerworbene Kaufkraft sein würde.
Wie aber, wenn ein Land aus irgendwelchen Gründen mehr Güter importieren will, als seiner Ausfuhr zuzüglich des ihm zur Verfügung gestellten Kredits entspricht, also mehr Güter, als es mit seinem dokumentierten Anspruch auf ausländische Kaufkraft zu bezahlen vermag? Die Antwort lautet: Das Land will etwas Unmögliches. Vermag es weder in der erforderlichen Menge zu exportieren, noch sich den nötigen ergänzenden Kredit zu verschaffen, so muß es notgedrungen auf die gewünschte Einfuhr verzichten. Tatsächlich kommt es aber nur höchst selten zu einem solchen Verzicht, weil die Voraussetzung, daß ein Land weder Ausfuhrgüter hat, noch Kredit genießt, praktisch fast niemals gegeben ist. Jedes Land verfügt über Güter, die das Ausland ihm abzunehmen bereit ist, wenn die Preise niedrig genug sind. Und wenn ein Land sich unter Hintansetzung aller anderen Rücksichten abnorm große Mengen von Auslandsgütern beschaffen will, so sind die Preise seiner eigenen Güter schon aus diesem Grunde niedrig; denn die Kaufkraft, die es im Auslande geltend macht, fehlt im Inland, wodurch liier ein Mißverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot zum Schaden des letzteren und der Güterpreise erzeugt wird. Durch das Importbedürfnis des Landes entstellt also ganz von selbst die erforderliche Voraussetzung zur Befriedigung dieses Bedürfnisses in Gestalt niedriger Preise und einer entsprechenden Exportmöglichkeit. Diejenigen Güter, auf die sich die Nachfrage des Auslandes schon bei einem verhältnismäßig geringen Preisrückgang erstreckt, wandern zuerst aus und verschaffen dem Lande die – in Wechseln dargestellte – Auslandskaufkraft, deren es zur Bezahlung der so dringend benötigten Importe bedarf. Reicht diese Kaufkraft nicht aus, so wandern weitere Gütermengen aus, und zwar in der durch die Preiskonzessionen bedingten Rangfolge. Einen wichtigen Faktor bildet dabei die Arbeitskraft, die aus einem Lande mit sinkenden Preisen meist in großem Umfange auswandert, und die einen sehr beweglichen Exportartikel darstellt. Am geeignetsten für die Ausfuhr sind aber naturgemäß solche Güter, die das Ausland schon bei ganz geringfügigem Preisnachlaß anzukaufen pflegt. Unter ihnen stehen die im Ausland „Meß-Dienste“ verrichtenden Güter in vorderster Reihe; an allererster Stelle steht dasjenige Gut, das jeweils in den meisten Ländern als Meßgut anerkannt ist, unter- den gegebenen Verhältnissen also das Gold.
Sobald ein Land den Versuch macht, mehr Güter einzuführen als seiner eigenen Ausfuhr – einschließlich seiner Ausfuhr von Zahlungsversprechen, d.h. Kreditanerkenntnissen – entspricht, strömt dasjenige Gut, das in den Herkunftsländern der größten Importmengen als Meßgut dient, aus dem Lande. Kein anderes Gut läßt sich im Auslande mit so leichter Mühe und mit so geringer Verlustgefahr in nationale Kaufkraft-Anerkenntnisse umwandeln, wie dieses Gut. Es ist nicht erst erforderlich, Kauflustige’ dafür aufzuspüren und umständlich mit ihnen über den Preis zu verhandeln. Man ist vielmehr jederzeit in der Lage, das Meßgut durch Niederlegung an öffentlicher Stelle in Pfandgut und beglaubigte Kaufkraft umzuwandeln, und zwar zu einem bekannten und feststehenden Satze. Die Zahlungsmittel, deren man bedarf, um einen angestrebten Importüberschuß zu begleichen, lassen sich also auf die leichteste Weise beschaffen, indem man dem Importplus einen entsprechenden Export der im Ausland als Meßgut anerkannten Ware entgegensetzt. Deshalb wird das in den Haupthandelsländern geltende Meßgut sehr gern als „Weltgeld“ bezeichnet. Das ist aber ungenau. Denn das Meßgut unterscheidet sich im internationalen Verkehr sachlich durchaus nicht von jedem anderen Gute; es ist nur ein besonders gern genommenes Gut, ein Gut, gegen das sich der Regel nach die zur Bezahlung des Importüberschusses erforderlichen Zahlungsversprechen mit der größten Leichtigkeit beschaffen lassen. Das Weltgeld, wenn man durchaus von einem solchen reden will, sind und bleiben diese Zahlungsversprechen (Wechsel), mit denen die Kompensation der Ansprüche von Land zu Land und die Umwandlung der internationalen Zahlungen in nationale bewirkt wird. Und da die Wechsel nichts weiter sind als Dokumente über ausgetauschte Güter, so sind diese Güter das eigentliche Weltgeld. Das heißt, die Güter werden im Weltverkehr mit Gütern und nichts anderem bezahlt. (Vgl. „Die Weltgeld-Eigenschaft des Goldes“ im Oktober- und Novemberheft 1910.)
Das äußere Merkmal, ob ein Land im gegebenen Moment mehr oder weniger Güter eingeführt als ausgeführt, also dem Auslande mehr oder weniger zu zahlen als von ihm zu empfangen hat, ist der Stand der Wechselkurse. Jedes Steigen der Wechselkurse besagt, daß die Kaufkraft-Anerkenntnisse, die das Ausland dem Inlande für empfangene oder zu empfangende Güter überläßt, nicht ausreichen, um den Güterbezug des Inlandes voll zu decken, daß also das Inland mehr einzuführen als auszuführen im Begriff steht und sich infolgedessen mehr ausländische Anerkenntnisse beschaffen muß, als zurzeit vorhanden sind. Verfügt nun das Inland über ein genügendes Quantum desjenigen Guts, das im Auslande Meß-Dienste verrichtet, so genügt schon ein ganz geringfügiges Steigen der Wechselkurse, um einen Export dieses Meßguts herbeizuführen und das Gleichgewicht herzustellen. Denn niemand wird so töricht sein, höhere Wechselkurse zu bezahlen, d.h. für ausländische Kaufkraft einen Überpreis zu bewilligen, wenn er sieh durch Ausfuhr vorhandenen Meß-Guts dieselbe Kaufkraft zum Normalpreis beschaffen kann. Nur wenn ein Land nicht über die erforderliche Menge ausländischen Meßguts verfügt, ist es genötigt, Überpreise für fremde Kaufkraft zu zahlen, und zwar bis zu derjenigen Höhe, bei der das Ausland es als vorteilhaft ansieht, seinerseits Gegenwartsgüter in dem betreffenden Lande anzukaufen öder Zusicherungen späterer Güterlieferungen zu erwerben (Kredit zu gewähren), lind dem Lande so den fehlenden Betrag ausländischer Kaufkraft zur Verfügung zu stellen. Jede Steigerung des Überpreises fördert diese Neigung des Auslands, denn sie ist gleichbedeutend mit einer entsprechenden Ermäßigung des Preises für inländische Kaufkraft und einer Verbilligung der inländischen Güter. So vorteilhaft aber die durch den Überpreis geschaffene Außenhandels-Lage für das Ausland ist, so nachteilig ist sie für das Inland, das seine Einfuhr teurer bezahlen und seine eigenen Erzeugnisse verhältnismäßig billiger hergeben muß; hier büßt der ganze Außenhandel (und in weiterer Folge der ganze vom Außenhandel abhängige Binnenverkehr) dafür, daß mehr importiert werden soll, als der natürlichen Exportfähigkeit des Landes entspricht. Deshalb ist es für jedes in den Weltverkehr verflochtene Land von großer Wichtigkeit, daß es im Besitze eines reichlichen Vorrats an internationalem Meßgut ist, welches schon bei der kleinsten Steigerung der Wechselkurse ausfließt, mithin dem Lande das etwa fehlende Quantum ausländischer Kaufkraft verschafft, indem es dem Importplus einen entsprechenden Mehrexport entgegensetzt, und zwar den Mehrexport eines Guts, für welches das Ausland ohne weiteres Käufer ist.
Der erforderliche Vorrat an internationalem Meß-Gut findet sich aber in einem Lande immer nur dann, wenn dieses Meß-Gut identisch mit dem Kaufkraft-Repräsentanten ist, der die Grundlage der Landeswährung bildet? Überall da, wo keine derartige Übereinstimmung zwischen dem Landesgeld und dem Gelde der Haupthandelsstaaten besteht, findet sich nicht diejenige Menge Meß-Gut vor, die nötig ist, um die Wechselkurse dauernd stabil zu erhalten. Selbst wenn das Land ursprünglich über ein großes Quantum Meß-Gut verfügt, wird es dieses bald an das Ausland verlieren, weil das Meß-Gut zwar bei der geringsten Steigerung der Wechselkurse ausfließt, nicht aber bei einer analogen Senkung der Wechselkurse zurückkehrt. Denn für das Land ist das Meß-Gut ja nur eine Ware wie jede andere. Wo hingegen die Landeswährung das Meß-Gut der HaupthandeIsländer adoptiert hat, genügt schon ein verhältnismäßig kleines Quantum, um die Wechselkurse andauernd zu korrigieren und zu befestigen. Denn jede Einfuhr und Ausfuhr von Meß-Gut wirkt hier nach zwei Seiten. Sie gleicht nicht nur jedes vorhandene Plus und Minus der Zahlungsbilanz aus, sondern sie hat zugleich die Tendenz, dies Plus und Minus schon im Entstehen zu beseitigen. Jede Ausfuhr von Meß-Gut verringert hier die im Lande umlaufende dargestellte Kaufkraft; sie drückt dadurch auf die Nachfrage und auf die Preise, erzeugt im Auslande die Neigung, zu den ermäßigten Preisen zu kaufen, und stellt so der Mehreinfuhr, die den Anstoß zur Auswanderung des Meß- Guts gab, eine verstärkte Ausfuhr gegenüber, die diesen Anstoß wieder beseitigt. (Insoweit die Wirkung sich in einer Knappheit des Kapitals und in einem Steigen des Zinses äußert, wird sie durch den verstärkten Zufluß ausländischen Kredits beseitigt.) Umgekehrt übersetzt sich jede Einfuhr von Meß-Gut in eine Zunahme der Inlandskaufkraft und eine Steigerung der Preise, wodurch der Mehrexport, der das Meß-Gut ins Land zieht, zum Versiegen gebracht wird. Die Identität der Landeswährung mit der Währung der Haupthandelsländer stellt sich so als das denkbar beste Mittel dar, die Kaufkraft des Inlandes automatisch zu festigen. Und wenn wir in einem früheren Abschnitt gesehen haben, daß das pfandgedeckte Verkehrs-Geld das bessere Geld gegenüber dem nominalistischen Staats-Gelde ist, so ergibt es sich hier, daß dasjenige Geld, dem als Pfand das von den maßgebenden Ländern anerkannte Meß-Gut zugrunde liegt, wiederum ein besseres Geld gegenüber dem sonstigen pfandgedeckten Gelde ist. Und da heute das Gold das anerkannte Meß-Gut der Haupthandelsländer ist, so ist dasjenige Geld, das auf einem Goldpfande beruht oder mit Pfandgold identisch ist, das beste Geld.
IX. Die Notenbanken.
In den großen europäischen und zahlreichen außereuropäischen Staaten ist die Regelung des Geldwesens grundsätzlich besonderen Banken an vertraut. Der Staat hat sich hier des Rechts der unmittelbaren Einflußnahme begehen, und zwar in erster Linie deshalb, weil er die Versuchung fürchtet, die für ihn in der Möglichkeit liegt, Geld nach freier Willkür zu schaffen. Überall, auch im vormals zaristischen Rußland, wo die Notenbank nur eine besondere Abteilung der allgemeinen Reichsverwaltung bildete, hat der Staat zwischen sich und dem Geldwesen einen Trennungsstrich gezogen. Sich selbst hat er nur die Münzhoheit Vorbehalten, d.h. das Recht, solche Kaufkraft zu beglaubigen, deren selbständige Entstehung der Verkehr ihm durch Einreichung eines Quantums Meß-Gut (Münzmetall) nachweist, und von welcher der Verkehr wünscht, daß ihre Beglaubigung sich mit dem Meß-Gute zu einer Einheit, dem „gemünzten Golde“ verschmelze. Diesem Wunsche entspricht der Staat, indem er die Beglaubigung auf dem eingereichten Meß-Gut selbst anbringt, sie dem Meß-Gute aufprägt, und dieses dem Einreicher zurückgibt. Das so entstandene Geld stellt aber nicht einmal die Gesamtheit der verkehrgeschaffenen – nach unserer Definition als „besseres Geld“ anzusprechenden – Zahlungsmittel dar, geschweige denn die Gesamtheit des Geldes überhaupt. Neben ihm existiert zunächst eine zweite Kategorie ebenfalls „besseren“ Geldes in Gestalt der papiernen Bescheinigungen (Noten) über verkehrgeschaffene Kaufkraft, die. durch Eindeichung von Meß-Gut (Münzmetall) nachgewiesen und durch pfandweise Einbehaltung des Meß-Gutes gesichert ist. Die Ausgabe dieser Geldart, die uns als „vollgedeckte Note“ geläufig ist, hat der Staat fast überall den Notenbanken übertragen, denen auch die Verwahrung und Verwaltung des Pfand-Gutes obliegt. Die Ersetzung eingereichten Meß-Guts durch Anerkenntnisse stellt eigentlich eine genau so mechanische Punktion dar, wie die Ausprägung von Münzgeld. Sie könnte daher gleichfalls durch automatisch arbeitende Staatsinstitute ausgeübt werden und wird vereinzelt in der Tat von solchen (z.B. den südamerikanischen „Conversionskassen“) ausgeübt. Wenn der Staat nichtsdestoweniger diese mechanische Ausgabe besseren Geldes in der Regel nicht selbst vornimmt, sie vielmehr meist den Banken überläßt, so hängt das aufs engste mit der ersten und wichtigsten Aufgabe der Banken, der Emission des „schlechteren“ Geldes, zusammen. Dieses Geld, das unabhängig von jeder verkehrsmäßig entstandenen Kaufkraft innerhalb bestimmter, vom Gesetzgeber gezogener Grenzen „nach Bedarf“ geschaffen wird, muß, wenn es seine Geldfunktion richtig ausüben soll, vom verkehrgeschaffenen Gelde nicht zu unterscheiden sein. Es muß insbesondere wie dieses letztere jederzeit in Meß-Gut getauscht werden können – andernfalls würde es dem tauschfähigen Gelde gegenüber eine Minderbewertung erfahren – und bedingt daher einen gewissen Vorrat an Meß-Gut, der seine Tauschbarkeit sicherstellt. Da jedes Land, in dem neben dein „schlechteren“ auch „besseres'” Geld zur Ausgabe gelangt, über einen solchen Vorrat in Gestalt des niedergelegten Pfand-Guts verfügt, so ist es zu einer fast allgemein anerkannten volkswirtschaftlichen Lehrmeinung geworden, man könne diesem Pfand-Gut, das erfahrungsgemäß nur zum allerkleinsten Teil in freies Meß-Gut zurückverwandelt zu werden pflegt, eine zweite Aufgabe zuweisen und es zum Einlösungsfonds für das schlechtere, willkürlich geschaffene Geld bestimmen. Das ist der Grund, warum der Staat die Ausgabe von voll gedeckten Noten und die Verwaltung des als Deckung hinter liegenden Pfand-Guts nicht sich selbst vorbehält, sondern den Instituten überläßt, denen er das Recht zur Ausgabe ungedeckter Noten eingeräumt hat.
Diese Institute, die Notenbanken, sind in einem Lande, in dem ausschließlich gutes, d.h. verkehrgeschaffenes Geld umläuft, überflüssig. Die mechanische Beglaubigung nachgewiesener Kaufkraft und die Verwaltung etwaigen Pfandguts erfordern keinen anderen, als einen reinen Verwaltungsapparat. Eine Bank wird erst dann erforderlich, wenn neben dem verkehrgeschaffenen Gelde noch ein staatliches Geld, neben dein Golde Wirtschaftlichen Ursprungs noch ein solches politischen Ursprungs in Umlauf kommt. Dann handelt es sich darum, bei der Ausgabe und Einziehung des staatlichen Geldes bestimmte Prinzipien zu beobachten und darüber zu wachen, daß das aus zwei durchaus wesensverschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Landesgeld äußerlich ein einheitliches Ganzes darstelle; vor allem aber darum, die üblen Wirkungen, die jede Ausga.be anderen als verkehrsmäßig entstandenen Geldes notwendig im Gefolge hat, durch taktische Maßnahmen, abzuschwächen.
Die Notenbanken verdanken ihre Entstehung der Ansicht, daß es in einem Lande mehr oder weniger Geld geben könne, als zur Bewältigung der Handelsumsätze erforderlich sei: daß man daher die Kaufkraft bildende und autonom Geld schaffende Verkehrstätigkeit kontrollieren und ergänzen müsse, in Wirklichkeit passen sich aber Kaufkraft und Güterumsatz einander ohne jedes äußere Zutun dauernd an. Denn Kaufkraft ist, wie wir gesehen haben (Augustheft S. 648), nichts anderes als der Verteilungs-Maßstab für die zum Angebot kommenden Güter und Dienste, deren Verkehrswert durch das Mengenverhältnis zwischen Gütern und Kaufkraft bestimmt wird. Es gibt keinen legitimen „Geldbedarf“, der mangels genügenden Geldvorrats unbefriedigt bleiben müßte, und dem zuliebe man der verkehrsmäßigen Bildung von Kaufkraft nachzuhelfen verpflichtet wäre. Es ist sogar, wie wir gleichfalls gesehen haben (Augustheft S. 653), ganz unmöglich, Kaufkraft willkürlich zu schaffen. Die vermeintliche Bereitstellung zusätzlicher Kaufkraft durch Ausgabe eines nach beliebigen Prinzipien ausgegebenen, ohne Mitwirkung des Verkehrs entstandenen Geldes läuft tatsächlich nur auf einen Eingriff in die gegebenen Rechtsverhältnisse hinaus: Man wendet Einzelnen eine Kaufkraft zu, die man der Gesamtheit gewissermaßen im Umlage verfahren entzogen hat. Man kann kein Geld willkürlich schaffen, ohne das Mengenverhältnis zwischen Geld und Gütern abzuändern und die in jeder Geldeinheit verkörperte Kaufkraft zu verringern.
Der Notenbank-Gedanke ist dem Wunsche entsprungen, solche Gebiete des Wirtschaftslebens mit Kaufkraft zu speisen, denen die Gesamtheit aller Kaufkräftigen nicht genügend Güterbezugsrechte zur Verfügung stellt. Den Kredit, den der Verkehr versah soll ein Institut gewähren, das sich die Mittel hierzu durch selbständige Geldausgabe, also durch Bestätigung einer in Wirklichkeit nicht vorhandenen Kaufkraft, verschafft. Der hobele Zweck, mit. dem heute fast in allen Ländern die so geartete Tätigkeit der Notenba.uk gerechtfertigt wird, ist die Förderung der nationalen Erzeugung. Man glaubt diesen Zweck auf ganz harmlose Weise, ohne jede Rückwirkung auf den materiellen Gehalt der bestehende]! Kaufkraft, erreichen zu können, wenn man die Vorsicht gebraucht, den Produzenten das künstlich geschaffene Geld immer nur für die kurze Zeitspanne vorzuschießen, bis sie ihre Erzeugnisse abgesetzt haben. Denn, so argumentiert man, fließt das künstliche Geld der Notenbanken regelmäßig nach wenig Wochen an die Banken zurück, weil die Produzenten inzwischen echte Kaufkraft als Gegenleistung für ihre Erzeugnisse erb alten haben, mithin die ihnen vorgeschossene unechte Kaufkraft, nunmehr zurückerstatten können, so mischt sich das Geld der Notenbanken immer nur vorübergehend mit dem verkehr-geschaffenen Gelde. Bevor sein Eindringen in den Verkehr eine Wirkung ausüben kann, ist es bereits wieder an die Notenbanken zurückgelangt, und die in ihm dargestellte Kaufkraft erloschen. Wird die Ausgabe ungedeckter Noten also nicht chronisch, sondern nur periodisch, etwa an bestimmten Terminen des Jahres und auf kurze Zeit, vorgenommen, so muß sie vollkommen unschädlich sein. Das ist der Gedankengang der Mehrzahl unter denjenigen Geldtheoretikern, die sehr wohl zwischen verkehrgeschaffener und bankmäßiger, zwischen echter und unechter Kaufkraft zu unterscheiden wissen Und eine dauernde Durchsetzung des Verkehrs mit „ungedeckten Noten“ ablehnen.
Aber dieser Gedankengang ist falsch. Ist einmal ein Quantum von Gütern oder Diensten, für das sich keine verkehr-geschaffene Kaufkraft finden wollte, mit Hilfe der Notenbank bezw. der von ihr künstlich geschaffenen Kaufkraft (den ungedeckten Noten) in den Konsum überführt worden, so ist dadurch in dem Verhältnis zwischen Geld und Gütern eine Veränderung hervorgerufen worden, die durch die vorübergehende Rückkehr der Kaufkraft zur Notenbank keineswegs rückgängig gemacht wird. Nur wenn die Kaufkraft ein für allemal aus dem Verkehr ausscheidet, die Notenbank, .also die ungedeckten Noten nicht wieder ausgibt, sondern vernichtet, korrigiert sich die Veränderung im Verhältnis zwischen Geld und Gütern durch den Fortfall einer dem früheren Zugang entsprechenden Kaufkraft. Kehren aber die Noten periodisch, wenn auch für noch so kurze Zeit, in den Verkehr zurück, so ist ihr vorübergehender, wenn auch längerer Aufenthalt bei der Notenbank nichts anderes als der Zustand der „Ruhe“, in dem sich jede Kaufkraft, auch die verkehr-geschaffene, kürzere oder längere Zeit hindurch befindet, wie wir früher gesehen haben (Septemberheft S. 718). Das bank-geschaffene Geld ist während des Intervalls zwischen zwei Terminen nur untätig, aber es existiert nichtsdestoweniger, genau wie jedes andere Geld, das in irgendeinem privaten Kassenschrank lieg! Durch die zeitweilige Zurückziehung ihrer Noten aus dem Verkehr verringert die Bank also nur die Umlaufsgeschwindigkeit der Noten; sie macht aber ihre Ausgabe dadurch nicht rückgängig. Woraus sich der Satz ergibt: Die Einwirkung der ungedeckten Noten auf die Landeswährung entspricht nicht der niedrigsten Notenmenge, welche innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Umlauf gesetzt wird, auch nicht der mittleren Menge, sondern der Höchstmenge, die in regelmäßiger, wenn auch seltener Wiederkehr zur Ausgabe gelangt.
Diejenigen Verkehrsgebiete, denen die ungedeckten Noten einen Kredit liefern, der ihnen sonst fehlen würde, gelangen durch die Notenbank in den Genuß einer Kaufkraft, für welche die Allgemeinheit aufkommen muß. Denn die gesamte Kaufkraft des Landes erfährt eine entsprechende Einbuße an ihrem Effektivwert. Der Kredit, den eine Notenbank mit ihren ungedeckten Noten gewährt, wird also sozusagen aus dem Ertrage einer indirekten Steuer bereitgestellt. Ist man sieh dieser Natur des Notenbank-Kredits bewußt, so hat man den Schlüssel zur Beurteilung des ganzen Notenbank-Prinzips in Händen. Man wird dann die Funktionen der Notenbanken für nützlich halten, sobald die Zwecke, denen sie dienen, die Erhebung einer allgemeinen Steuer rechtfertigen; also etwa in Kriegsnot, während einer scharfen Kreditkrisis, oder im Falle der plötzlichen Bedrängnis einer einzelnen staatswichtigen Bevölkerungsschicht. Man wird die Funktionen der Notenbanken dagegen als schädlich ansehen, sobald sie darauf hinauslaufen, bestimmten Erwerbsklassen gewohnheitsmäßig einen Anspruch auf Kredit einzuräumen, zu dem die erforderliche Kaufkraft durch Ausgabe ungedeckter Noten künstlich geschaffen werden muß. Sind die so bevorzugten Erwerbsklassen gar identisch mit den wohlhabendsten oder vertrauenswürdigsten Bevölkerungskreisen, also mit Personen oder Unternehmungen, denen ohnehin Kredit, d.h. fremde Kaufkraft, in reichem Maße zur Verfügung steht, so erhält die Tätigkeit der Notenbanken geradezu einen Stich ins Unsittliche.
Das instinktmäßige Empfinden der Notenbank-Leitungen für das unberechtigte einer gewohnheitsmäßigen Kreditgewährung an bestimmte privilegierte Klassen pflegt selbst da, wo das Verständnis für den Steuercharakter der ungedeckten Noten fehlt, meist ziemlich stark zu sein. Man sucht daher in der Regel; die Fiktion zu erzeugen und aufrecht zu erhalten, daß der Kredit der Notenbanken der „Allgemeinheit“ zur Verfügung stehe, und zwar nach Maßgabe eines irgendwie hervortretenden „Bedarfs“. Man räumt der ganzen Bevölkerung, soweit sie „kreditwürdig“ ist, ein grundsätzliches Recht auf den Notenbankkredit ein. Wo dies geschieht, kommen die Notenbanken in die eigentümliche Lage, ein Übermaß der Kreditansprüche nicht direkt abwehren zu können, weil sie damit begründete Rechtsansprüche verletzen würden, sondern einen Umweg einschlagen zu müssen. »Statt das an sie herantretende Kreditgesuch im Einzelfall abzulehnen, suchen sie den Kreditbegehr im ganzen systematisch einzuschränken, indem sie ihre Kreditbedingungen verschärfen. Sie arbeiten mit dem Abwehrmittel der Diskontpolitik. Das ist ein bedenkliches Mittel, das den Zins der verkehr-geschaffenen Kaufkraft in Abhängigkeit von dem willkürlich bestimmten Umfange der bankmäßig geschaffenen Kaufkraft bringt, und das obenein seinen Zweck meist nicht erfüllt, da gerade der überflüssigste und spekulativste Kreditanspruch der Regel nach bereit ist, jeden noch so hohen Zins zu bewilligen.
Die Diskontpolitik der Notenbanken, d.h. die indirekte Abwehr der Kreditansprüche durch Hinaufschrauben des Zinses, hat aber vor allem die üble Wirkung, den Selbstschutz illusorisch zu machen, den der Verkehr gegen jede willkürliche Geldvermehrung zu üben sucht. Dieser Selbstschutz besteht, wie wir gesehen haben (Augustheft S. 651 f.), darin, daß der Verkehr in dem Maße, wie unechte Kaufkraft entsteht und die Preise steigert, echte, verkehr-geschaffene Kaufkraft zum Erlöschen bringt, indem er pfandgedecktes Geld zur Einlösung präsentiert und das Pfand-Meßgut nach dem Ausland verkauft. Jede künstliche Zinssteigerung, welche die Notenbank herbeiführt, wirkt diesem Selbstheilungsprozeß entgegen. Der willkürlich erhöhte Zins, d.h. der scheinbare Mehrwert, den die inländische Kaufkraft gegenüber derjenigen des Auslandes besitzt, lockt fremde Kaufkraft an, die in Gestalt von Meß-Gut einfließt oder zum mindesten die Ausfuhr heimischen. Meß-Guts verhindert. Der Kredit, den die Notenbank mittels ihres hohen Diskonts versagt, wird also vom Ausland gewährt, und die Inflation der Zahlungsmittel wird nicht beseitigt, sondern noch unterstrichen. Der äußere Effekt ist freilich so, wie die Notenbank es wünscht: Das Meß-Gut, das bei ihr als Pfand für das verkehr-geschaffene Geld hinterliegt und von ihr als Teildeckung für das bank-, mäßig geschaffene Geld mitbenutzt oder besser mißbraucht wird, bleibt ihr -erhalten, und die Wechselkurse zeigen keine Störung des Verhältnisses zwischen inländischer und ausländischer Kaufkraft an. Aber damit ist nur ein äußeres Symptom der eingetretenen Währungs-Verschlechterung, nicht diese Verschlechterung selbst, beseitigt. Die Wertminderung der heimischen Kaufkraft, die Steuer, die der Allgemeinheit auferlegt ist, bleibt bestehen, da der Verkehr künstlich gehindert wird, eine Korrektur herbeizuführen. Zugleich ist eine Verschuldung an das Ausland eingetreten, die eines Tages abzutragen ist und dann die sichtbaren Konsequenzen der Ausgabe ungedeckter Noten, nämlich die Verschlechterung der Wechselkurse und die Meßgut-Ausfuhr, mit doppelter Schärfe hervortreten läßt, meist noch dazu im ungeeignetsten Moment.
Zur Rechtfertigung des Notenbank-Gedankens wird meist geltend gemacht, daß in einem Lande, dessen Verkehr sich in hohem Grade auf Kredit aufbaut, ein Institut, vorhanden sein müsse, das die Störungen, denen der Kreilitvcrke.hr leicht ausgesetzt sei, durch Einschaltung eines Ersatzkredits verhindere. Es wäre nun weit richtiger, das Übel am Ursprung statt an den Wirkungen zu bekämpfen, also für eine gesunde Kreditkonstitution zu sorgen, statt eine ungesunde durch vermeintliche Unschädlichmachung ihrer Folgen noch fester einwurzeln zu lassen. Aber auch wenn man die periodischen Kreditstörungen als eine Naturerscheinung ansieht, die widerstandslos hingenommen werden muß, bedarf es zur Milderung ihrer wirtschaftlichen. Wirkungen keineswegs besonderer Institute mit dem Privileg der Erzeugung künstlicher Kaufkraft. Eine oder mehrere Zentralstellen, die in Erwartung kommender Störungen genügende Mengen verkehr-geschaffener Kaufkraft als Reserve aufstapeln, erfüllen denselben Zweck. Die Verminderung des wirtschaftlichen Nutzeffekts der Kaufkraft (Zinsverlust), mit der eine solche Reserve verbunden ist, wird durch den Vorteil eines gesunden Geldwesens reichlich aufgewogen. Die Überlegenheit der Bank von England über fast alle anderen Notenbanken beruht darin, daß ihre Organisation dem Typus der Kreditbank am nächsten kommt und nur in ganz geringem Maße mit dem verhängnisvollen Recht der Kaufkraft-Erzeugung belastet ist; ihr Fehler wiederum besteht darin, daß sie über eine Reserve echter, verkehr-geschaffener Kaufkraft nur in weit geringerem Maße verfügt, als es ihrer Aufgabe als nationale Kreditstütze für Krisen-Zeiten angemessen wäre.
Quelle: Lansburgh, Alfred (1917): Das gute und das schlechte Geld, In: Die Bank, 1917/2, S. 541-556, S. 635-654, S. 715-726, S. 809-822
[1] Zuerst im Märzheft 1908, S. 235.
[2] Bericht der Disconto-Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1916.
[3] Bei Duncker & Humblot, Leipzig-München 1916.
[4] Bei Ferdinand Enke, Stuttgart 1917.
[5] Bei Ferdinand Enke, Stuttgart 1916.
[6] Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 106 (1916).
[7] Ferdinand Enke, Stuttgart 1916.
[8] Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart-Berlin 1916.
[9] Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. I. Band: Grundlagen der Wirtschaft, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart-Berlin 1917.
[10] Nur ein Fall ist denkbar, in dem sich Kaufkraft ohne voll entsprechenden Konsumverzicht bilden kann. Nämlich dann, wenn das Meß-Gut, bei dessen Hinterlegung eine Kaufkraft-Bescheinigung erteilt wird, sich plötzlich derartig vermehrt, daß sein Verkehrswert sehr stark sinkt. Denn dann gibt der Verzicht auf ein Gut verminderten Verkehrswert ein verhältnismäßig kleiner Verzicht, ein Anrecht auf die volle, unverändert gebliebene Kaufkraft. Das ist der Grund, weshalb der Verkehr dasjenige Gut zum Meß-Gut bestellt, bei dem eine allzu plötzliche Vermehrung ohne großen Arbeitsaufwand am unwahrscheinlichsten ist, und das außerdem in so viele Ländern Meßgut-Dienste verrichtet, daß die Wirkung einer plötzlichen Mengenveränderung sich auf eine sehr breite Fläche verteilen und für das einzelne Land nicht allzu fühlbar werden würde.
[11] 1. Morgenblatt vom 19. Juni 1917.